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# taz.de -- Brandanschlag auf Buchhändler in Berlin: Gute Nerven gegen Nazis
> Heinz Ostermann ist ein aufmerksamer Bürger und ein moralischer Mensch.
> Deswegen wird er von Rechtsradikalen terrorisiert.
Bild: Kulturstaatsministerin Monika Grütters überreicht Heinz Ostermann den D…
Heinz Ostermann hat gute Nerven. Die muss er auch haben, denn er leitet die
Buchhandlung Leporello in Berlin-Neukölln, Stadtteil Rudow, die vor fast
genau einem Jahr Schlagzeilen machte.
Und dies nicht etwa, weil die Buchhandlung wieder einmal vom Senat mit
einem Gütesiegel für Leseförderung bedacht wurde, wie schon mehrfach; auch,
dass die Buchhandlung im vergangenen Jahr mit dem Deutschen
Buchhandlungspreis geehrt wurde, war keine große Nachricht.
Nein, bekannt wurde Ostermann, weil ihm im Dezember 2016 die Scheiben
eingeworfen wurden, einen Monat später dann fackelte man seinen Wagen vor
seiner Haustür ab. In der Nacht auf Mittwoch nun wurde er wieder von der
Polizei geweckt – denn auch sein neues Auto wurde angezündet, wieder unweit
von seiner Wohnung, in Berlin-Neukölln, Ortsteil Britz. In der selben Nacht
wurde auch Ferat Ali Kocak, Mitglied des Bezirksvorstands der Partei DIE
LINKE Opfer eines Anschlags. Sein Auto wurde ebenfalls in Brand gesetzt.
Ostermann hat, wie gesagt, gute Nerven. Er engagiert sich in der Initiative
Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopulismus und Rassismus. Offenkundig
erregt das Rechtsradikale, die es in Rudow zuhauf gibt, und die schon des
öfteren auffällig geworden sind mit Vandalismus und Gewalt. Die Polizei hat
eine Sonderkommission gebildet. Der Buchhandel und viele Autorinnen und
Autoren solidarisierten sich mit Ostermann, spendeten für ihn, sodass er
sich wieder ein Auto zulegen konnte, jenes, das jetzt brannte. Da er mehr
Spendengelder bekam, als er dafür brauchte, spendete er den Rest –
Ostermann ist ein moralischer Mensch.
## Attacke auf die Person
Als solcher ist er verärgert über rechte Attacken auf Leute in seiner
Stadt. Sein Buchladen ist eine normale Kiezbuchhandlung, er selbst kein
Linksradikaler, seine Veranstaltungen finden nicht vorm Schwarzen Block
statt. Er ist ein Bürger mit einer Meinung. Und als solcher wird er
bedroht. Sein Wagen wird abgebrannt, nicht auf einem Geschäftsparkplatz,
sondern vor seiner Wohnung, in einem benachbarten Berliner Stadtteil. Hier
zielt die Attacke nicht nur auf den Laden, sondern ganz konkret auf die
Person. Die Autorin Fatma Aydemir, auch Redakteurin dieser Zeitung,
berichtet, dass ihre Solidaritätslesung im Buchladen Leporello im letzten
Jahr unter Polizeischutz stattfand. Hallo?
Noch immer glauben viele, dass man mit Rechten gut leben kann, dass man
wegschauen kann, dass man sich arrangieren kann mit den Rechtsradikalen.
Die vielleicht ja, wenn sie nicht gerade „auf der Maus ausrutschen“ oder
auf Buchmessen brüllen, wenn sie nicht gerade Kanzlerinnen „Nutte“ nennen
oder Häuser anzünden, ganz freundliche Nachbarn sein können. Leute, die
auch mal helfen, wenn man in ihren Augen nicht gerade schwul, jüdisch,
„fremd“, „komisch“ oder eine „Zecke“ ist. Wer hier wegschaut, hat s…
Ruhe, schön, vielleicht kann er später sogar die Möbel eines anderen
Nachbarn „arisieren“. Wer das nicht will, sollte aufhören, sich mit Rechten
abzufinden, denn was in Berlin-Rudow passiert, passiert genauso in
Thüringen und im Schwarzwald, wird aber höchstens in Lokalblättern erwähnt.
Heinz Ostermann, der gute Mann mit den guten Nerven, weiß das. Nur rund
vier Stunden, nachdem die Polizei ihn geweckt hat, postete er: „Ich bin
selbst verwundert, dass diese rechte Brut mich mit meiner Buchhandlung so
auf dem Kieker hat. Offensichtlich ist Leporello der Stachel im Fleisch.
Ich sehe keinen Grund, mich an irgendeiner Stelle anders zu verhalten.
Wichtig ist es mir, Öffentlichkeit herzustellen.“ Es stimmt, hier braucht
es Öffentlichkeit. Und Solidarität.
1 Feb 2018
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
## TAGS
Rechtsradikalismus
Brandanschlag
Berlin-Neukölln
Berlin-Neukölln
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Stolpersteine
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