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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Heynckes, Hamlet, HSV
> Der 1. FC Köln, der Hamburger SV und Werder Bremen machen es vor: Das
> Remis ist das retardierende Moment im Fußball.
Bild: Von HSV-Trainer Bernd „die Holleraxt“ Hollerbach stammt der Satz: „…
Vom Fußball als Theater zu sprechen, ist, zugegeben, eine Binse. Aber damit
auch eine Wahrheit, die uns empfiehlt, die Dramentheorie dort anzuwenden,
wo die Bühne aus Naturgras besteht und wo zwei am Spielfeldrand hampelnde
Regisseure, die man auch Trainer nennt, sich das Leben gegenseitig schwer
machen. Die Inszenierung findet in einem architektonischen Ensemble statt,
das mehr als jedes Schauspielhaus an griechische Amphitheater erinnert. Und
dauern tut die Inszenierung etwa so lange, wie ein durchschnittliches
Tourneetheater in einer Kleinstadt gastiert: anderthalb Stunden und dann
weg.
Wie es im klassischen oder auch modernen Drama ausgeht, ist bekannt: Hamlet
stirbt immer, den rettet nicht mal ein Videobeweis. Gut, könnte man sagen,
ob Hamlet stirbt oder Heynckes siegt – ist der Unterschied wirklich so
groß? Mit Herberger zu antworten: Nein, „das Fußballspiel ist das Theater
des kleinen Mannes“.
Nicht durch Zufall ist im Fußball ja auch gerne von Schauspielerei die
Rede. Doch um die Differenz zur hohen Kunst zu betonen, ist hier der Beruf
des Schauspielers negativ konnotiert: „Dafür hat er einen Oscar verdient“,
bedeutet im Sport ja interessanterweise: Der hat schlecht und durchschaubar
das Opfer eines Foulspiels gegeben. Das wäre so, als wenn Hamlet in
Horatios Armen grinst und zappelt und juchzt.
Dass ein Fußballspiel also ein Drama ist, das gerade die dramatischen
Qualitäten des klassischen Schauspiels übertrifft, dürfte zur Genüge
nachgewiesen sein. Noch deutlicher wird der Befund, schaut man auf die
ganze Spielzeit, den Saisonverlauf. So ein ortsübliches Theaterensemble
trifft sich ja ziemlich häufig, aber dass da Siege oder Punkte eingeheimst
würden, lässt sich nicht gerade behaupten.
Anders beim Fußball. „Die Leute wissen nicht, wie es ausgeht“, ist die
(sorry, wieder Herberger) klassische Begründung, was den Sport so spannend
macht. Das fängt schon mit der Erwartung an. In der Prognose hat das
„Unentschieden“ beispielsweise so gut wie keinen Platz. Kaum jemand will
von beiden Ensembles gleich gut unterhalten werden. Wer in froher Erwartung
ins Stadion geht, hofft auf einen Sieg der einen oder der anderen. Nur wer
– vielleicht, weil er ein wenig von Fußballverstand gestreift wurde – davon
ausgehen muss, dass seine Truppe heuer bestimmt nicht gegen Heynckes und
seine Bayern siegen wird, hofft auf ein Unentschieden.
## Unentschlossen im Ausgang
So ein Unentschieden aber gibt es verdammt oft. An diesem Samstag etwa in
Bremen, in Dortmund, in Leipzig und in Köln. Wer sich klarmacht, dass diese
vermeintliche Unentschlossenheit im Ausgang nicht irgendwann passierte,
sondern am 20. Spieltag, also kurz bevor die bundesligaüblichen
Spannungseinheiten Abstiegskampf und Europaplätze an Fahrt aufnehmen (von
einer spannenden Meisterschaft redet ja schon lange niemand mehr), wird
anhand der angewandten Dramentheorie die Überlegenheit des Fußballs über
das Theater sofort erkennen.
Das Unentschieden ist das retardierende Moment. Wenn die Tabellenletzten
aus Köln, Hamburg und Bremen, die dringendst Punkte brauchen, zur gleichen
Zeit darauf verzichten, solche Erfolge zu feiern, sondern die Spannung auf
den nächsten und übernächsten und überübernächsten Inszenierungstag
verlagern, dann offenbart sich das wahrhaft dramatische Element nicht nur
des einzelnen Spiels, sondern einer ganzen Bundesligasaison.
Und, doch, ja, es geht sogar noch mehr: Der Hamburger Sport-Verein hat etwa
die retardierende Frage, wann endlich mit ihm Schluss ist ganz oben in der
Bundesliga, sogar über viele, viele Spielzeiten gelegt. Das ist echte
Tragödie.
28 Jan 2018
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Fußball
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Schwerpunkt Rassismus
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