Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Wochenkommentar II: Es geht um Macht, nicht um Kunst
> Die Entfernung eines Gedichts an der Fassade der Alice Salomon-Hochschule
> in Berlin sorgt für Zensur-Diskussionen
Bild: Das umstrittene Gedicht, noch an der Fassade
Muss man wirklich noch einmal erklären, was Zensur ist und was nicht? Muss
man erklären, dass es ein legitimer Vorgang ist, wenn StudentInnen sagen,
dass ihnen ein an ihrer Uni angebrachtes Gedicht nicht gefällt, weil sie es
als sexistisch empfinden, wie an der Alice Salomon Hochschule geschehen?
Muss man erklären, dass es ebenso legitim ist, wenn die Hochschulleitung
diese Kritik nicht ignoriert, sondern einen Diskussionsprozess über das
Gedicht und mögliche Alternativen beginnt? Dass es legitim ist, wenn am
Ende dann, wie in dieser Woche bekannt geworden, die Entscheidung steht,
ein anderes Gedicht an der Fassade anbringen zu lassen?
Doch, das alles ist legitim, im Sinne von: Man darf da anderer Meinung
sein, man darf das blöd finden. Aber man darf nicht mit Schaum vor dem Mund
von Zensur schwafeln, von bedrohter Kunstfreiheit, gar von Diktatur.
Eine solche Kritik lässt nicht nur Machtverhältnisse komplett außer Acht,
indem sie eine Gruppe von Studierenden mit staatlichen Institutionen, mit
Regierungen gleichsetzt. Sie führt sich auch selbst ad absurdum: Natürlich
kann und soll auch Kunst diskutiert und kritisiert werden – wer auf diese
Kritik mit Zensurvorwürfen reagiert, dem ist die Meinungsfreiheit
offensichtlich nur dann ein schützenswertes Gut, wenn sie die eigene
Meinung schützt.
Dass es nötig ist, auf all das noch einmal hinzuweisen, liegt aber nicht an
der Kampagne einer konservativen Allianz von CDU-Ministerin bis
Springerpresse, die sich jetzt zu Verteidigern der Kunst aufschwingen. Es
ist nötig, weil so viele, die sich als Linke sehen, diesen Blödsinn
nachplappern, Kultursenator Klaus Lederer inklusive. Ihnen möchte man
zurufen: Ihr dürft doch die StudentInnen kritisieren oder die
Hochschulleitung, ihr dürft Kritik an Sexismusdefinitionen, Gender Studies
oder Identitätspolitik üben – besonders gerne übrigens mit Sachkenntnis und
begründet, aber notfalls auch ohne.
Aber macht euch doch nicht gemein mit einer Kritikerfront, die alles
konterkariert, was ihr je über gesellschaftliche Machtverhältnisse gelernt
haben müsstet. Entlarvt statt dessen deren schäumende Kritik als das, was
sie ist: ein reaktionäres Projekt, dem es keinen Millimeter um die Freiheit
der Kunst geht. Sondern ausschließlich um die Verteidigung der eigenen
Privilegien.
27 Jan 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Wochenkommentar
Lyrik
Sexismus
Zensur
Alice-Salomon-Hochschule
Sexismus
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um Gedicht an Hochschulfassade: Von Blumen und schönen Frauen
An der Fassade einer Berliner Hochschule steht ein Gedicht von Eugen
Gomringer. Studierende finden es sexistisch, nun muss es umziehen.
Forscherinnen über Political Correctness: „Gender ist symbolischer Klebstoff…
Gender Studies? Sind das nicht diese politisch Korrekten? Zwei
Geschlechterforscherinnen sprechen über das Image ihres Fachs und den Kampf
um Deutungsmacht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.