| # taz.de -- Kriminalisierung von Cannabis: Jointfoto kommt nicht in die Tüte | |
| > In Hamburg wird gegen einen Mann ermittelt, der auf Facebook ein Foto von | |
| > Joints veröffentlicht hat. Ist die Polizei noch ganz dicht? | |
| Bild: Könnte strafrechtlich relevant sein: Foto eines Joints in seiner Bauphase | |
| In Folge der Cannabislegalisierung boomt in den USA eine völlig neue | |
| Branche: die Gras-Industrie. In vielen weiteren, teils europäischen Staaten | |
| setzen sich liberale Drogengesetze Stück für Stück durch. Selbst | |
| hierzulande ist es seit März 2017 möglich, für medizinische Zwecke [1][Gras | |
| vom Arzt] verschrieben zu bekommen. Eine offene Diskussion über den Konsum | |
| von Cannabis hat die Mitte der Gesellschaft längst erreicht. Wohl aber | |
| nicht alle. | |
| Auch ganz ohne Grasnebel im Kopf, scheint die Hamburger Polizei vercheckt | |
| zu haben, dass die Verfolgung von Kleinstkonsumenten ein wenig aus der Zeit | |
| fällt. Seit einer Woche macht auf [2][Cannabis-Lifestyleblogs] – ja, auch | |
| die gibt es! – das Foto eines Briefs die Runde. Darin teilt die Polizei | |
| einem unbekannten Graskonsumenten, seine Adresse ist geschwärzt, mit, dass | |
| gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet wurde. | |
| Tatort ist das Internet, Corpus Delicti ein Verstoß gegen das | |
| Betäubungsmittelgesetz. Soweit so gut. Internetrecherchen der Polizei | |
| hätten ein strafbares Verhalten offengelegt – und jetzt kommt's! –, weil | |
| der nun Angezeigte ein Foto von Joints bei Facebook gepostet habe. Steht | |
| zumindest so im Brief. | |
| ## Kein Fake bekiffter Photoshop-Experten | |
| Andreas Gerhold vom Cannabis Social Club Hamburg erzählt am Telefon, die | |
| Meldung habe auch ihn, der sich seit Jahren gegen die Kriminalisierung von | |
| Cannabiskonsumenten einsetzt, stutzig gemacht. Zuerst habe er an einen Fake | |
| geglaubt, zu abstrus wirkt der Vorwurf. Ein Fake bekiffter | |
| Photoshop-Experten? Weit gefehlt: Die Hamburger Polizei bestätigte auf | |
| Gerholds Anfragen per Mail und Twitter die Echtheit des Schreibens. | |
| In ihrer Antwort, die der taz vorliegt, stellt die Polizei klar: Bilder mit | |
| „rauschgiftverdächtigen Substanzen in der Hand, Mund, etc.“ begründeten | |
| grundsätzlich den Anfangsverdacht des Besitzes von Betäubungsmitteln. „Bei | |
| Kenntniserlangung unsererseits folgt somit die Einleitung eines | |
| Strafverfahrens.“ | |
| Gerhold und der gemeinnützige Cannabis Social Club wollen dieser | |
| Feststellung nun auf den Grund gehen. In einer Facebook-Gruppe mit dem | |
| Titel „Wir sind doch nicht kriminell!“ werden offensiv und provokant Bilder | |
| gepostet, die allerlei Joint-Bau-Künste offenbaren. Es finden sich Fotos | |
| von der einfachen Tüte bis hin zu kunstvollen Jointkreationen in Form eines | |
| Flugzeugs oder einer Eule. | |
| „Wir wollen eine Reaktion seitens der Polizei provozieren, verlinken sie | |
| gar unter unseren Beiträgen“, so Andreas Gerhold weiter. Entweder nehme die | |
| Polizei ihre eigene Aussage ernst und verfolge nun alle, die derartiges | |
| posten, oder sie entblöße sich der Lüge. Er selbst habe da ja eine | |
| Vermutung: „Ein übereifriger Beamte hat die ganze Sache angezettelt. Nun | |
| muss der Rest mitziehen, um sich nicht lächerlich zu machen.“ | |
| ## Viel Rauch um nichts | |
| Vor Gericht wird der Facebook-Kiffer, mit dem alles begann, wohl nicht | |
| landen. Spätestens die Staatsanwaltschaft dürfte das Verfahren sang- und | |
| klanglos einstellen, denn: Besitz und Erwerb von Cannabis sind in | |
| Deutschland zwar grundsätzlich verboten, der Besitz geringer Mengen führt | |
| jedoch selten zu einer Strafe. Grund hierfür sind Freimengen, die in jedem | |
| Bundesland verschieden sind. Unterhalb dieser Menge legen die | |
| Staatsanwaltschaften die Verfahren meist schnell zu den Akten, es kommt | |
| dabei jedoch auch auf ihren Ermittlungseifer an. | |
| Damit der bis dato unbekannte Briefempfänger bestraft würde, müsste das | |
| Facebookfoto schon eine XXL-Tüte zeigen. Die Freimenge in Hamburg liegt bei | |
| sechs Gramm, ein bisschen viel für einen Joint. Und eins kann die Polizei | |
| Hamburg sicherlich auch nicht auf dem Foto erkennen: War das, nur | |
| fotografisch sichergestellte, Tatmittel denn tatsächlich mit Gras gefüllt? | |
| Was, wenn es nur Tabak war – war die ganze Sache dann nicht etwas viel | |
| Rauch um nichts? | |
| 11 Jan 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Aerztin-ueber-medizinisches-Cannabis/!5476445 | |
| [2] /Cannabis-Magazin-in-den-USA/!5465717 | |
| ## AUTOREN | |
| Raphael Piotrowski | |
| ## TAGS | |
| Cannabis | |
| Kiffen | |
| Legalisierung Marihuana | |
| Legalisierung Marihuana | |
| Cannabis | |
| Legalisierung Marihuana | |
| Cannabis | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Marihuana-Verkauf in Kalifornien: Stone free! | |
| Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA gibt es seit dem 1. Januar | |
| rezeptfrei Marihuana zu kaufen. Und ausgerechnet San Francisco hinkt | |
| hinterther. | |
| Cannabis im Berliner Apothekenverkauf: Gras auf Rezept | |
| Seit März dieses Jahres können Ärzte Patienten Cannabis als Medikament | |
| verschreiben. Aber funktioniert diese neue Regelung in Berlin wirklich? | |
| Legalisierung von Cannabis: „Der Turning Point ist überschritten“ | |
| Cannabis ist in der Gesellschaft angekommen, sagt Günther Jonitz, Präsident | |
| der Berliner Ärztekammer. Die Liberalisierung sei auch nicht mehr | |
| aufzuhalten. | |
| Abhängigkeit von Cannabis: „Kiffen war mein Anker“ | |
| Mit 33 Jahren beginnt Alexander ein neues Leben ohne Drogen. „Mein Gehirn | |
| war wie ein gefrorenes Hühnchen“, sagt er über seine Sucht. |