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# taz.de -- Hakenkreuz-Graffiti an Bäckerei: Die Nazi-Sprayer von Chemnitz
> Unbekannte sprayen Nazi-Symbole an das Geschäft eines Kurden in Chemnitz.
> Doch bevor sie loslegen, plauschen sie erstmal mit der Polizei.
Bild: Vielleicht haben die sächsischen Polizisten ja doch etwas im Rückspiege…
Berlin taz | Als der kurdische Bäckereibeteiber und Großhändler Yavuz Kaya,
52, aus Chemnitz an diesem Dienstagmorgen zu seinen Geschäftsräumen kommt,
entdeckt er, dass seine Gebäude von außen beschmiert sind. Er sieht dort,
in roter Farbe, unter anderem: Ein Hakenkreuz und den Schriftzug „NS
Jetzt!“. An anderer Stelle des Gebäudes steht: „Tod und Hass der BSG“. B…
Wort Hass wählten die noch unbekannten Täter eine besondere Schreibweise:
Die SS-Runen in Schreibart der nationalsozialistischen Waffen-SS.
Auch auf einem Lieferwagen, der vor dem Gebäude steht, findet Kaya einen
Schriftzug. Dort steht ebenfalls geschrieben: „Tod und Hass“. Alle
umliegenden Gebäude sind verschont geblieben. Es sieht ganz so aus, als ob
die Farbschmierereien nur ihm gegolten hätten. So erzählt es Yavuz Kaya am
Donnerstagmorgen der taz am Telefon.
Aber Kaya hat etwas, das die Täter erfasste: Überwachungskameras rund um
sein Objekt. Darauf ist umfassend zu sehen, wie die Sprüher in der Nacht
kamen und wie sie dann vorgingen. Und noch etwas anderes soll darauf zu
sehen sein: Nämlich wie ein Polizeiwagen sich den Tätern nähert. Dann geht
ein Täter zum Polizeiwagen, dessen Nummernschild auf den Filmaufnahmen zu
erkennen ist und unterhält sich. Schließlich fährt die Polizei wieder weg.
Anschließend beginnen die Täter zu sprühen.
Das Video, das dies zeigen soll, konnte die taz zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung dieses Textes noch nicht einsehen. Allerdings: Tag24, ein
Boulevardmagazin mit Lokalredaktion in Chemnitz, hat die Videos eingesehen.
Ihr Autor Bernd Rippert beschreibt [1][an dieser Stelle] wie „eine
Polizeistreife die Sprayer störte, auch kurz mit einem Täter sprach“. Und
weiter: „Danach fuhr der Polizeiwagen weg und die jungen Männer machten
munter weiter.“ Die Äußerungen zum Hergang decken sich. Zwar ist auf dem
Video, das auch die Polizisten zeigt, kein Graffiti zu sehen. Aus den
Aufnahmen der weiteren fünf Überwachungskameras soll allerdings
hervorgehen, dass das Gebäude zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes schon
beschmiert war.
## Die Polizei ermittelt gegen sich selbst
Was Yavuz Kaya und Bernd Rippert schon wissen, will die Chemnitzer Polizei,
die über die Videoaufnahmen ebenfalls verfügt, noch nicht kommentieren.
Eine Polizeisprecherin teilte auf taz-Anfrage am Donnerstagmittag lediglich
mit, dass die Auswertung mehrerer Kameras derzeit noch laufe. „Diese
Aufnahmen müssen in eine Chronologie gebracht werden. Erst danach kann eine
Aussage dazu getroffen werden, zu welchem Zeitpunkt des Geschehens unsere
Streife vor Ort gewesen ist. Darüber hinaus werden selbstverständlich die
Polizisten zum Geschehen in jener Nacht befragt“, so Polizeisprecherin Jana
Kindt.
Übersetzt: Dass die Polizei vor Ort war, bestreitet sie nicht. Sagen will
sie bislang jedoch nicht, wann die Polizei da gewesen ist. Zur Anfrage der
taz, ob es nicht ein Einsatzprotokoll gebe, aus dem diese Information
hervor gehe, wollte sich die Sprecherin nicht äußern.
Interessant auch: Offenbar ermittelt in der Sache die Polizei noch gegen
sich selbst. Die Staatsanwaltschaft in Chemnitz war laut einer Sprecherin
am Donnerstagmorgen noch nicht über die Vorgänge informiert.
Am Mittwochmorgen hatte die Polizei zunächst noch [2][eine
Medieninformation] herausgegeben, die zur Präsenz der Beamten vor Ort kein
Wort verlor. Stattdessen rief die Polizei darin Zeugen, „die in den
genannten Straßenzügen Beobachtungen gemacht haben könnten“, dazu auf sich
zu melden.
Update: Am 11. Januar teilte die Polizei Chemnitz in einer
Medieninformation mit, die Auswertung der Aufzeichnungen der Kameras habe
ergeben, „dass unsere Streife knapp eine Viertelstunde vor Tatbeginn vor
Ort gewesen ist“. In der Mitteilung heißt es: „Zu diesem Zeitpunkt konnten
die Polizisten keine Straftat feststellen. Um die Identität des vor Ort
bemerkten späteren mutmaßlichen Sprayers feststellen zu können, bedurfte es
einer Rechtsgrundlage. Nach dem Sächsischen Polizeigesetz lag in dieser
Situation die Voraussetzung für eine Identitätsfeststellung nicht vor.“ Aus
diesem Grund habe es für die Polizisten keine Handhabe für weitere
Maßnahmen gegeben. In einer weiteren Mitteilung vom 2. Februar teilte die
Polizei mit, dass inzwischen zwei Tatbeteiligte des Tätertrios ermittelt
werden konnten. Einer der Tatverdächtigen habe den Ermittlern bestätigt,
„dass das Trio in der betreffenden Nacht vor der Tat von einer
Polizeistreife angesprochen worden war und erst danach die Tat beging“. Das
Nachrichtenportal Tag24 [3][veröffentlichte inzwischen ein Video], das
zeigt, mit welcher Ruhe die Täter anschließend vorgingen. In dem Text weist
das Portal auch darauf hin, dass die Uhrzeiten auf den entsprechenden
Überwachungsvideos nicht stimmten. Demnach hätten manche Videos die
Sommer-, andere die Winterzeit angezeigt. So sei die Deutung entstanden,
die Sprayer hätten bereits vor dem Eintreffen der Polizei gesprüht und
nicht erst danach.
11 Jan 2018
## LINKS
[1] https://www.tag24.de/nachrichten/chemnitz-sachsen-sonnenberg-sonnenstrasse-…
[2] https://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2017_54425.htm
[3] https://www.tag24.de/nachrichten/chemnitz-video-ueberwachungskamera-kurdisc…
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Polizei Sachsen
Polizei
Hakenkreuz
Graffiti
Rechtsextremismus
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Identitäre Bewegung
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