Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Saudi-Arabien zahlt für Fußballer: Kaderplätze gegen Kohle
> Die spanische Liga heuert neun Profis aus Saudi-Arabien an. Die waren
> bisher kaum gefragt. Doch nun kassiert, wer einen Saudi anheuert.
Bild: Die Mannschaft von Villareal bekommt einen Mitspieler aus Saudi-Arabien
Barcelona taz | Erst kam Levante mit Fahad Al-Mullawad, dann Leganés mit
Yahia Al-Shehri, und als am selben Abend auch noch Salem Al-Dawsari als
Neuzugang bei Villarreal verkündet wurde, war klar: Da ist etwas im Busch.
Inzwischen steht die Zahl saudi-arabischer Winterzugänge in den spanischen
Fußball bei neun. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass bislang nicht mal
eine Handvoll Profis aus dem wahhabitischen Ölstaat je in Europa gekickt
hatten.
Bemerkenswert sind auch die geschäftlichen Kennziffern der Transferwelle,
die einem Abkommen zwischen der spanischen Liga (LFP) sowie
Sportministerium und Fußballverband von Saudi-Arabien folgt. Entgegen allen
Branchenpraktiken zahlen die Vereine weder Ablöse noch Gehalt für ihre
neuen Profis, im Gegenteil: Sie bekommen sogar Geld.
Bis zu fünf Millionen Euro laut Presseberichten etwa
Europa-League-Teilnehmer Villarreal im Gegenzug für zwei Stellplätze (neben
Al-Dawasari noch ein Jungtalent für die zweite Mannschaft). Letztlich
verbrieft der Deal ein im unterklassigen Fußball schon länger praktiziertes
Modell der Vermietung von Kaderplätzen. Wer zahlt, ist dabei – ähnlich wie
bei Cockpits in der Formel 1.
Nicht nur die Spielergewerkschaft AFE fühlt sich davon überrumpelt. „Die
Welt des Fußballs müsste mal innehalten und nachdenken: Es kann nicht sein,
dass es immer nur ums Geld geht“, sagte ihr Vorsitzender David Aganzo. Und
bei Erstligist Leganés ist der Trainer Asier Garitano verstimmt, weil er
auf den letzten freien Kaderplatz einen Spielmacher hingesetzt bekommen
hat, wo er sich dringend mit einem Sechser verstärken wollte.
Die Profis kommen leihweise für ein halbes Jahr. In Riad verspricht man
sich Lernerfolge im Vorfeld der WM in Russland. Vier der neun Profis sind
Stammspieler der Nationalelf. Dennoch soll keine Pflicht bestehen, sie
einzusetzen – den Profit garantieren saudische Sponsoren.
Die monetären Prioritäten verdeutlicht eine Anekdote aus Gijón, wo
Zweitligist Sporting seinen Neuzugang als Abdullah Al-Shabab vorstellte,
was ungefähr so ähnlich ist, als hätte der FC Bayern vorige Woche einen
gewissen Leon Schalke präsentiert. Denn der Spieler heißt Al-Hamdan,
Al-Shabab ist sein Ex-Klub. Ein Twitterer entdeckte den Irrtum, aber was
soll’s – spielen wird er wohl eh nicht viel.
Angesichts der Begeisterung am Golf über den Exportdeal stützt dieser
letztlich eine der härtesten Diktaturen der Welt. Unter Anleitung
westlicher Beratungsagenturen ist Kronprinz Mohammed bin Salman gerade
dabei, die Wirtschaft zu modernisieren und ein neues Image von
gesellschaftlicher Öffnung zu verkaufen. Ab Juni will Saudi-Arabien als
letztes Land der Welt die Frauen ans Steuer lassen, kürzlich durften sie –
zu einer ausgewählten Partie und in einem gesonderten Block – erstmals ins
Fußballstadion.
Ob es sich dabei um mehr als Symbolpolitik handelt, ist lange nicht
ausgemacht. Noch haben etwa die öffentlichen Hinrichtungen nicht
abgenommen. Laut Amnesty International liegt Saudi-Arabien weltweit mit 158
Exekutionen pro Jahr auf Rang vier der Schreckensliste hinter China, Iran
und Pakistan. Im Fußball wurde zuletzt trotz WM-Qualifikation der
Niederländer Bert van Marwijk entlassen: Er wollte sich partout nicht mehr
als nötig im Land aufhalten. Derweil die Nationalmannschaft ein PR-Desaster
hinlegte, als sie sich im Juni bei einem Spiel in Australien während der
Schweigeminute für die Londoner Terroropfer nicht beim Aufwärmen
unterbrechen ließ.
Dass das Geld aus Riad bei LFP und Vereinen dennoch mit offenen Armen
empfangen wird, fügt sich in die aus anderen Bereichen bekannte Praxis,
trotz aller Informationen über die saudische Staatsideologie dem Gaul nicht
aufs Maul zu schauen. Und kaum etwas kann Spanien so ausschlachten wie
seinen Fußball. Sieben der letzten acht Europapokalen gingen auf die
Halbinsel, spanische Trainer und Spielweise gelten weltweit als State of
the Art. Der Transfer von Spielern soll daher nur der Anfang einer
lukrativen Entwicklungshilfe sein. Weil er selber komplett übergangen
wurde, droht der spanische Fußballverband jedoch mit einer Anzeige bei der
Fifa.
Zum Abschied aus Riad stellten sich die künftigen Spanien-Profis mit ihren
neuen Trikots für ein Gruppenfoto zu den eigens eingeflogenen
Vereinspräsidenten. Von Leganés war allerdings nur der Vizepräsident
gekommen. Der Grund wird offiziell dementiert, aber er erschließt sich auch
so. Dem Madrider Vorortverein steht Victoria Pavón vor. Eine Frau.
23 Jan 2018
## AUTOREN
Florian Haupt
## TAGS
Primera Division
Spanien
Saudi-Arabien
Fußball
Rüstungsexporte
Jemen
Saudi-Arabien
Mohammed bin Salman
## ARTIKEL ZUM THEMA
Große Koalition zur Rüstungspolitik: Der Exportstopp gilt unverzüglich
Das Sondierungsergebnis zu Waffenexporten wird kaum beachtet. Dabei hat es
enorme Folgen: Konzerne könnten auf halbfertigen Waffen sitzenbleiben.
Humanitäre Krise im Jemen: Hilfswerke schlagen Alarm
Im Jemen läuft eine Frist ab, während der die Blockade des wichtigsten
Hafens gelockert wurde. Seine Schließung würde eine Katastrophe auslösen.
Frauen beim Fußball in Saudi-Arabien: Eine kleine Revolution
Den saudi-arabischen Frauen werden schrittweise Rechte eingeräumt:
Sportunterricht, Autofahren, Kino. Und nun der Besuch von Fußballspielen.
Nach Protesten gegen Sparpolitik: Elf saudische Prinzen festgenommen
Mitglieder der Königsfamilie sollen Wasser und Strom jetzt selbst bezahlen.
Dagegen demonstrierten sie. Ihre Verhaftung ist aber auch ein Machtspiel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.