# taz.de -- 20 Jahren Mestizo-Bewegung: Konzerte zum Jubiläum | |
> Mit Manu Chao und ihrer Band Amparanoia begründete die spanische Sängerin | |
> Amparo Sánchez vor 20 Jahren die Mestizo-Bewegung. Nun spielt sie in | |
> Deutschland. | |
Bild: Für das neue Album von Amparo Sánchez haben Weggefährten wie Sergent G… | |
taz: Frau Sánchez, 1997 wurde das erste Album Ihrer Band Amparanoia | |
veröffentlicht. Es hieß „El poder de machín“. Was bedeutet der Titel? | |
Amparo Sánchez: Die Leute haben mich damals gefragt, was für Musik wir | |
machen, und ich konnte das nur schwer beschreiben. Darum habe ich diesen | |
Titel „Die Macht der Machín“ erfunden. Er greift unter anderem den Namen | |
Antonio Machíns auf, der in den 1920er Jahren in Kuba als erster | |
Afrokubaner die Segregation durchbrach und in den großen Orchestern sang. | |
Zum anderen spielt er aber auch auf James Browns „Sex Machine“ an. | |
Ihr Debütalbum gilt als Geburtsstunde der Mestizo-Musik. | |
Hintergrund war, dass in den 1990er Jahren viele Latinos nach Spanien | |
auswanderten – darunter auch Musiker. Früher war es in Spanien so: Wenn man | |
eine Band gründen wollte, tat man sich meistens mit Freunden aus seinem | |
Viertel zusammen. Doch jetzt kamen auf einmal Argentinier und Mexikaner, | |
Kubaner und Venezolaner nach Madrid und Barcelona und brachten Stile wie | |
Bolero, Rumba, Son, Cumbia und Ranchera mit. Wir haben all das mit unseren | |
Einflüssen fusioniert, und aus dieser „mestizaje“, Verschmelzung, ist | |
Mestizo-Musik entstanden. Es gab aber Vorläufer – in Frankreich etwa Mano | |
Negra mit Manu Chao, Los Fabulosos Cadillacs in Argentinien und Café Tacuba | |
in Mexiko. | |
Sie sind in der Flamenco-Stadt Granada aufgewachsen – hat Sie da der | |
Flamenco künstlerisch geprägt? | |
Ja, selbstverständlich, aber mehr noch der Rumba Andalusiens, das ist eine | |
Art populäre Straßenform von Flamenco, in dem viel improvisiert wird. | |
Bambino ist zum Beispiel ein solcher Rumba-Sänger. | |
Die Mestizo-Musik wird immer mit Barcelona assoziiert, aber nicht nur Sie | |
lebten damals in Madrid, auch Manu Chao lebte dort. | |
Ungefähr zur Zeit, als ich nach Madrid kam, zog auch Manu Chao dorthin. Wir | |
lebten sogar im gleichen Viertel und wurden Freunde. Er hat mich geradezu | |
gedrängt, ein Album aufzunehmen, wovor ich irgendwie Angst hatte. | |
Gleichzeitig entstanden in Barcelona Bands wie Ojos de Brujo und Macaco. | |
Entscheidend war aber, dass Manu einen solch großen Erfolg mit dem Album | |
„Clandestino“ von 1998 hatte, nachdem er nach Barcelona gezogen war. So | |
entstand die Meinung, dass Mestizo-Musik aus Barcelona kommt, was so aber | |
nicht stimmt. | |
Auf „El poder de machín“ findet sich auch ein Lied, das in einer Version | |
Manu Chaos auf „Clandestino“ zu einer Hymne wurde: „Welcome to Tijuana“… | |
Manu kam von einer Reise aus Brasilien zurück und sagte mir, sein Freund | |
Paco hätte diese Zeilen getextet und wir müssten dazu ein Thema | |
komponieren. „Welcome to Tijuana, Tequila, Sex and Marihuana. Welcome to | |
Tijuana, con el coyote no hay aduana …“ (mit dem Coyoten, dem | |
Menschenschmuggler, gibt es keinen Zoll, Anm.). Wir haben dann jeweils | |
eigene Versionen daraus gemacht. Am schwierigsten war es am Ende, Paco | |
offiziell als Autor anerkennen zu lassen, denn Manu wusste nicht einmal | |
seinen Nachnamen. | |
Es scheint, dass Mestizo-Musik weiterhin Relevanz hat. So hat Manu Chao | |
sein Debütalbum etwa dem illegalen Migranten gewidmet – einer symbolischen | |
Figur unserer Zeit. | |
Nach wie vor sprechen mich Leute auf mein Debütalbum „El poder de machín“ | |
an und sagen, wie wichtig ihnen es sei. | |
Und nun legen Sie zum 20. Jubiläum ein Werk mit | |
Amparanoia-Interpretationen vor. | |
Zunächst wollte ich zu diesem Anlass unser Debüt noch einmal remastert neu | |
rausbringen. Doch die analogen Aufnahmen von damals waren unauffindbar. | |
Dann dachten wir, dass Freunde von uns, darunter Manu Chao und Sergent | |
Garcia, ihre Versionen einzelner Songs einspielen könnten. Die wollten zum | |
Teil aber lieber andere Amparanoia-Songs interpretieren – und so ist daraus | |
ein Album mit neuen Versionen von Liedern aus den gesamten 20 Jahren | |
geworden. | |
Einige der Musiker spielen die Songs ziemlich originalgetreu nach, andere | |
entfernen sich hingegen stark von den Vorlagen. | |
Das stimmt, Calexico spielen etwa „Illuminado“ Note für Note nach, während | |
Fito Cabrales’ Version von „La fiesta“ wie eine Folk-Country-Rock-Version | |
des Originals klingt und die Band Chambao mein Lied „Mar estrecho“ als | |
Flamenco und Tango interpretiert. | |
Mit „El coro de mi gente“ ist ein neues Stück von Ihnen enthalten … | |
Es geht darin um den Chor meiner Freunde, der von Frieden, Einheit und | |
Positivität singt – also vom Gegenteil dessen, was heute die Welt bewegt. | |
Es ist eine Hommage ebenso an Träumer wie an mutige Menschen. Und der Titel | |
passt auch gut zu dem, was ich musikalisch machen wollte: Meine | |
Weggefährten zusammentrommeln und unsere Musik von ihnen interpretieren | |
lassen. | |
Die Situation der Welt heute ist sicherlich nicht besser als in den 1990er | |
Jahren, und es gibt nahezu überall einen wachsenden Populismus. Was sagen | |
Sie da Ihren Kindern? | |
Ich glaube immer noch an eine Welt, in der wir friedlich miteinander leben | |
können. Zugleich habe ich aber den Glauben an die großen Ideen und Projekte | |
etwas verloren und ich denke, dass es darum umso wichtiger ist, dass wir | |
uns im Kleinen engagieren, jeder von uns. Ich zum Beispiel unterstütze eine | |
Organisation im Kongo, die sich um die Rechte von Frauen kümmert. Und ich | |
habe auch das Buch „La niña y el lobo“ („Das Mädchen und der Wolf“) | |
verfasst. | |
Es ist ein autobiografisches Buch, das sich um die sexuelle Gewalt dreht, | |
die Sie persönlich erlebt haben. | |
Es geht darum, was mir in meiner ersten richtigen Beziehung widerfahren | |
ist, wobei es mir wichtig war, zu zeigen, wie man einen Weg findet, mit | |
solchen Negativerfahrungen umzugehen, sie zu verarbeiten. Es ist also nicht | |
zuletzt eine Geschichte der Transformation und Überwindung. | |
Sie leben seit 13 Jahren in Barcelona. Was sagen Sie zu den derzeitigen | |
Auseinandersetzungen über die Frage einer Unabhängigkeit Kataloniens? | |
Das ist eine schwieriges und weitreichendes Thema. Um eine vernünftige | |
Lösung zu erreichen, müsste der erste Schritt sein, dass beide Seiten | |
wieder aufeinander zugehen und sich gegenseitig zuhören. | |
26 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Ole Schulz | |
## TAGS | |
Musik | |
Spanien | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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