# taz.de -- Gestrandete Migranten in Israel: Die Elenden vom Levinsky Park | |
> Jonas und Binyam wollten nie nach Tel Aviv. Die Eritreer sind nach | |
> Folterungen im Sinai zufällig in Israel gelandet. Jetzt sollen sie das | |
> Land verlassen. | |
Bild: Sackgasse Israel: Afrikanische Migranten im Tel Aviver Levinsky Park | |
TEL AVIV taz | Drei Finger und zwei Stümpfe. Das ist alles, was von Jonas | |
linker Hand noch übrig geblieben ist. Der Eritreer lächelt verlegen, zum | |
Gruß streckt er die gesunde Hand aus. Er trägt ein ärmelloses Hemd, auf | |
seinem Unterarm sind Spuren von Verbrennungen. „Das waren die Beduinen“, | |
sagt Jonas leise. Zwei Finger haben sie ihm abgeschnitten, heißes Öl auf | |
seinen nackten Körper gespritzt. Knapp sechs Jahre ist das jetzt her. | |
Der Achtunddreißigjährige sitzt auf einer Bank im Levinsky Park, mitten in | |
der israelischen Großstadt Tel Aviv. Menschen mit dunkler Hautfarbe | |
schlendern über den dürftigen Rasen, Asylsuchende aus Eritrea und dem | |
Sudan. Um sie herum tobt der Verkehr. | |
Männer quasseln in ostafrikanischen Sprachen in ihre Handys, Frauen mit | |
bunten Tüchern auf dem Kopf schieben Kinderwagen vor sich her. Nur die | |
glänzenden Fassaden der Wolkenkratzer in der Ferne erinnern daran, dass | |
dies eine israelische Metropole ist und es um die Ecke schicke Strandbars | |
und Cafés mit Sojacappuchino gibt. | |
„Sie haben mich gefoltert, weil sie Lösegeld von meinen Verwandten | |
wollten“, sagt Jonas. „Wenn du das Geld nicht zahlst, drohen sie, deine | |
Organe zu verkaufen.“ Der Eritreer ist einer von über 25.000 Migranten, die | |
auf der ägyptischen Halbinsel Sinai Opfer eines brutalen Geschäftsmodells | |
wurde: Menschenhandel durch Folter. Wie Jonas kommen die meisten von ihnen | |
aus Ostafrika. Was sie in der Wüste erlebt haben, klingt wie aus einem | |
schlechten Horrorfilm. | |
„Sie schlagen dich, hängen dich kopfüber an die Wand, verbrennen | |
Körperteile mit Benzin. Dann halten sie dir ein Telefon ans Ohr und zwingen | |
dich, deine Familie anzurufen.“ Jonas senkt den Blick. Er spricht nicht | |
gerne über das, was er in der Wüste erlebt hat. Nachts verfolgen ihn | |
Albträume, erzählt er. Er wacht manchmal auf und glaubt, wieder gefesselt | |
in dem Keller zu liegen, in dem er gefoltert wurde. „Einmal haben die | |
Beduinen jemandem, der neben mir saß, das Ohr abgeschnitten. Überall war | |
Blut. Ich kann das nicht vergessen.“ | |
## Israel war nicht das Ziel | |
Nach Israel wollte Jonas nie. Er ist ein schmächtiger Mann mit sauber | |
rasiertem Oberlippenbärtchen, die hageren Beine stecken in einer glatt | |
gebügelten Samthose. Vor sechs Jahren verließ der damals frischgebackene | |
Vater seine Heimat, um dem Militärdienst zu entgehen, in dem Männer und | |
Frauen oft lebenslang dienen müssen. Das „Nordkorea Afrikas“ wird Eritrea | |
auch genannt, die UN wirft dem Einparteienstaat Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit vor. | |
Wer das Land einmal verlässt, kann nicht zurück, weil ihm Verhaftung, | |
Folter oder Todesstrafe drohen. Jonas versucht, in den benachbarten Sudan | |
zu fliehen, wo ein Onkel von ihm lebt. Er will dort Asyl beantragen und | |
Arbeit finden, Frau und Tochter so schnell wie möglich nachholen. Doch es | |
sollte anders kommen. In der Nähe eines Flüchtlingscamps wird er von | |
Menschenhändlern überfallen. | |
„Die Männer hielten mir eine Waffe vors Gesicht und begannen, mich zu | |
schlagen“, erzählt Jonas, die verbliebenen Finger ineinander verschränkt. | |
Solange, bis er nicht mehr laufen kann. Dann werfen sie ihn in einen | |
Pick-up. | |
Die Männer sind Teil eines grenzübergreifend organisierten Netzwerks, das | |
sich zwischen Eritrea und Ägypten erstreckt. Die meisten gehören zur | |
ethnischen Gruppe der Rashaida, ein Normadenstamm mit Wurzeln in Saudi | |
Arabien. | |
## Vom Sudan in den Sinai – und weiter nach Israel | |
Sie bringen Jonas in einen stickigen Lagerraum in der sudanesischen | |
Hauptstadt Khartoum. „Zwei Tage habe ich dort ausgeharrt“, sagt der | |
Eritreer. Bis sie ihn in einen Laster voll mit Menschen bringen. Die lange | |
Fahrt nach Ägypten beginnt. Tag und Nacht durch die Wüste, vorbei an | |
Checkpoints, wo man den Wagen ungestört passieren lässt. „Manchmal war es | |
so heiß, dass ich Angst hatte, zu ersticken“, sagt Jonas. Sie erreichen das | |
Stück Niemandsland, das Ägypten von Israel trennt. Dort verkaufen ihn die | |
Rashaida-Männer an Beduinen, die auf der Sinai-Halbinsel leben. | |
Mit verbundenen Augen wird er in einen Keller gebracht, erinnert sich | |
Jonas. „Sieben Wochen lang haben sie mich gefoltert.“ Solange, bis die | |
Eltern das Lösegeld zahlen: 25.000 Dollar, überwiesen per Western Union an | |
einen Mittelsmann in Israel. Schließlich setzen die Beduinen ihn in der | |
Wüste aus. „Ich sah aus wie ein Skelett“, sagt Jonas. Mit letzter Kraft | |
habe er sich an die israelische Grenze geschleppt. Das war 2011, bevor die | |
israelische Regierung ein Jahr später eine Grenzschutzmauer zum Sinai | |
errichtete. Seitdem kommt fast niemand mehr über Ägypten ins Land. | |
Heute leben nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen schätzungsweise | |
4.000 Überlebende der Foltercamps in Israel. Andere haben sich nach Kairo | |
durchgeschlagen, wurden nach Ostafrika zurückgeschickt oder sind in der | |
Sinai-Wüste gestorben. Jonas wohnt im schäbigsten Viertel von Tel Aviv, | |
dort wo die Häuser grau-schmutzige Fassaden tragen und die Balkone vom | |
Einsturz bedroht sind. Das Apartment teilt er sich mit sechs Eriteern. Von | |
der Hauswand blättert die Farbe, bunte Wäsche baumelt vor den | |
verschlossenen Fensterläden. Um die Miete zu zahlen, arbeitet er sechs Tage | |
die Woche. | |
Fürs Putzen in einem Restaurant bekommt er nicht einmal den Mindestlohn von | |
umgerechnet knapp sieben Euro die Stunde, aber ohne Arbeitserlaubnis kann | |
er sich bei niemandem beschweren. Wie die meisten Asylsuchenden im Land hat | |
er keinen Zugang zu staatlichen Gesundheits- oder Sozialleistungen. Jonas | |
ist eigentlich nicht sein richtiger Name. Den behält er lieber für sich, | |
aus Angst, dass regierungsnahen Exileritreern nicht gefallen könnte, was er | |
über seine Heimat erzählt. | |
An der Wohnzimmerwand hängen Bilder von seiner Tochter, ein sechsjähriges | |
Mädchen mit Rasterlöckchen. Seit sie auf der Welt ist, hat Jonas sie nur | |
ein paar Mal im Arm gehabt. Längst ist die Kleine nicht mehr in Eritrea, | |
zusammen mit der Mutter hat sie die Heimat verlassen, kurz nachdem Jonas | |
verschwunden ist. Mittlerweile leben die beiden in der ägyptischen | |
Hauptstadt Kairo am Nil. | |
Einmal die Woche geht Jonas zur Gruppentherapie, die kostenlos von einer | |
spendenbasierten Flüchtlingsorganisation in Tel Aviv angeboten wird. Er | |
hofft, so seine Flashbacks loszuwerden, die ihn manchmal ganz plötzlich | |
zurück in die Folterkeller bringen. Verschwunden sind die bislang nicht. | |
## Angst vor dem Gefängnis in der Wüse | |
„Das Schlimmste“, sagt Jonas, „ist die Angst vor dem Gefängnis.“ Er kr… | |
einen Brief aus der Schublade, der vor ein paar Wochen vom israelischen | |
Ministerium kam. Ihm wird nahegelegt, nach Uganda auszureisen. Sonst müsse | |
er nach Holot, das israelische Internierungslager für afrikanische | |
MigrantInnen, mitten in der Negev-Wüste. „Eindringlinge“, wie Geflüchtete | |
aus Afrika in Israel offiziell heißen, werden willkürlich dort | |
hingeschickt, um sie zur freiwilligen Ausreise zu drängen. | |
Asyl bekommt von den rund 40.000 Ostafrikanern im Land so gut wie niemand. | |
Sie werden zwar nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, erhalten | |
aber nur temporäre Aufenthaltsgenehmigungen, die alle paar Monate erneuert | |
werden müssen. Sie können jederzeit ins Internierungslager geschickt | |
werden, wo es knappe Essensrationen und keine Beschäftigung gibt. Jonas ist | |
verzweifelt. „Noch einmal in der Wüste eingesperrt sein, ich glaube, das | |
überlebe ich nicht.“ | |
Dabei soll Holot eigentlich bis Ende Februar geschlossen werden, wenn es | |
nach den Plänen der israelischen Regierung geht. Die will Asylsuchende | |
zukünftig zwangsweise nach Uganda oder Ruanda schicken – bislang ist das | |
nur mit dem Einverständnis der MigrantInnen möglich. Wer sich weigert, soll | |
ab nächsten Monat nicht mehr ins offene Wüstenlager Holot geschickt werden, | |
das immerhin mehrmals am Tag verlassen werden darf, sondern ins ganz | |
normale Gefängnis – für unbestimmte Zeit. | |
## Die Fremden sollen gehen – nach Uganda oder Ruanda | |
Israelische Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Pläne der | |
Regierung. Die Ausreise nach Uganda oder Ruanda sei für Asylsuchende ein | |
hohes Risiko, sagt Sigal Rozen, Leiterin der Organisation Hotline for | |
Refugees and Migrants. Die Menschen erhalten dort keinen Rechtsstatus, | |
häufig nicht einmal offizielle Dokumente. Viele werden eingesperrt oder zur | |
Weiterreise gezwungen, womit ihre Odyssee von Neuem beginnt. Die | |
Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen UNHCR berichtet von über 80 Fällen, | |
in denen Eritreer oder Sudanesen verschleppt, ausgebeutet und gefoltert | |
wurden, nachdem man sie nach Afrika ausreisen ließ. | |
Jonas weiß, wie gefährlich es ist, Israel zu verlassen. Aber warten, bis er | |
abgeschoben wird? | |
In einem Internetcafé ein paar Straßen weiter arbeitet Binyam, der etwas | |
jünger ist als Jonas, auch er will seinen richtigen Namen nicht verraten | |
und sich nicht fotografieren lassen. Sein Geschäft liegt in einer belebten | |
Straße zwischen Afroshops und äthiopischen Restaurants. Der Duft nach | |
Sauerteigbrot und Bohnen hängt in der Luft. Auch Binyam wurde im Sinai | |
gefoltert, 72 Tage lang. Vor dem jungen Mann mit dichtem Lockenschopf | |
stapelt sich ein Haufen Papiere. Er hilft Eritreern, die kein Hebräisch | |
oder Englisch verstehen, mit offiziellen Briefen, die von der Regierung | |
kommen. Beide Sprachen spricht er fließend, außerdem etwas Arabisch. „Das | |
einzig Gute, was ich von den Beduinen gelernt habe“, sagt er bitter. | |
Auch Binyam fürchtet die neuen Abschiebepläne der israelischen Regierung. | |
Sein Leben hier sei nicht gut, aber erträglich, sagt er. Die Vorstellung, | |
noch einmal in ein fremdes Land gebracht zu werden, wo er weder Rechte noch | |
Sicherheit hat, versetzt ihn in Panik. | |
## Binyal wollte nur studieren – und landete bei Folterern | |
Dabei wollte auch Binyam nicht nach Israel, hatte überhaupt nie vor, seine | |
Heimat zu verlassen. In der eritreischen Hauptstadt Asmara studierte er | |
Psychologie, plante, sich für ein Stipendium in den USA bewerben. „Ich | |
wurde zu drei Bewerbungsgesprächen eingeladen. Aber die eritreische | |
Regierung erlaubte mir nicht, dass ich im Ausland studiere.“ Also machte | |
sich der Student auf in den Sudan, um die Gespräche dort zu führen. Doch an | |
der Grenze hielten ihn korrupte Soldaten auf, behaupteten, ihn in ein | |
sudanesisches Flüchtlingslager zu bringen. Und verkauften ihn an die | |
Rashaida-Menschenhändler. | |
Heute scheint das eine Ewigkeit her zu sein. Nachdenklich dreht Binyam an | |
dem Silberkettchen mit Kreuz, das um seinen Hals baumelt. Wie ein schlimmer | |
Albtraum sei der Sinai gewesen, sagt er. „In den Folterkellern ketteten sie | |
unsere Füße aneinander und schlugen uns. Mit Stöcken, Waffen, allem was sie | |
hatten.“ Verzweifelt verkauft sein Vater das Haus in Eritrea, ruft alle die | |
er kennt in den USA und in Europa an, um das Lösegeld aufzutreiben. | |
Binyam erinnert sich an den Klang der Schreie von Gefangenen, die gefoltert | |
werden. Und an den Hunger. „Manchmal bekamen wir zwei Tage nichts zu essen | |
und zu trinken. Wir durften nicht schlafen. Ich dachte, ich würde sterben.“ | |
Er nippt an seinem Tee, in dem ein Stück Kardamom schwimmt. „Manchmal | |
verliere ich die Geschichte“, sagt er. „Ich erzähle, was passiert ist, aber | |
ich erinnere mich nicht mehr an das Gefühl, wie es war, dort zu sein. Weil | |
es die Vorstellung übersteigt.“Wie Jonas landet der ehemalige | |
Psychologiestudent in Israel, als die Eltern das Lösegeld zahlen. Er wird | |
als „illegaler Eindringling“ festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Einen | |
Monat später darf er wieder gehen, bekommt ein Busticket nach Tel Aviv in | |
die Hand gedrückt. Am Levinsky Park, in der Nähe des Fernbusbahnhofs, wirft | |
ihn der Fahrer raus. | |
„Ich hatte kein Geld, kannte niemanden in Israel, verstand die Sprache | |
nicht.“ Ungläubig schüttelt Binyam den Kopf. „Nach allem, was ich erlebt | |
habe, saß ich einfach auf der Straße.“ | |
Ein Eritreer lässt ihn bei sich wohnen, versorgt ihn mit dem Nötigsten. | |
Binyam sucht sich einen Job und beginnt zu arbeiten, wie besessen. Tags im | |
Hotel, nachts in einem Waschsalon, später im Internetcafé und als | |
Übersetzer. Er will die Schulden abbezahlen, die seine Eltern aufgenommen | |
haben, um ihn aus dem Sinai freizukaufen. „Das Geld erinnert mich immer | |
wieder an die Zeit dort. Ich will endlich frei sein“, sagt er. | |
Dabei sind es nicht nur die eigenen Schulden, die Binyam zahlen muss. Er | |
kennt Menschen auf der Flucht, die in Libyen verschleppt wurden und jetzt | |
Lösegeld brauchen. Auf dem Sinai wurde der Folterhandel Ende 2014 zwar | |
eingedämmt – verstärkte Militäroperationen gegen Terroristen machten es | |
auch für die Menschenhändler dort immer schwerer, ihre kriminellen | |
Geschäfte zu betreiben. Aber: „Das Gleiche, was damals im Sinai passiert | |
ist, findet heute in Libyen statt“, sagt Binyam. „Fast jeder fünfte | |
Eritreer hier kennt jemanden, der dort festhängt.“ | |
Erst kürzlich bekam ein Freund von Binyam in Jerusalem einen Anruf von | |
Männern aus Libyen. Sie hatten seinen jüngeren Bruder entführt. Drohten, | |
ihn zu erschießen, wenn er nicht 5.000 Dollar zahlte. Binyam half seinem | |
Freund, klapperte mit ihm Kirchen und Gemeindefeiern ab. „Jeder gibt, so | |
viel er kann. So läuft das bei uns.“ Dass das Zahlen von Lösegeld das | |
Problem nicht löst, ist ihm natürlich klar. Aber was tun, wenn sonst | |
niemand hilft? | |
„Die Welt interessiert sich einfach nicht für das, was den Flüchtlingen aus | |
Afrika passiert“, sagt Azezet Kidane, eine kleine Frau mit weißer Haube auf | |
dem Kopf. Die Nonne aus Eritrea, auch bekannt als Schwester Aziza, hat über | |
tausend Interviews mit Überlebenden der Foltercamps geführt. Um auf die | |
Gräueltaten aufmerksam zu machen, sprach sie sogar beim Papst in Rom vor. | |
Nun sitzt sie in einer sonnigen Häkelwerkstatt, umgeben von bunten | |
Stoffresten und geflochtenen Körben. Vor acht Jahren hat sie das Projekt | |
„Kuchinate“ gegründet, ein Kollektiv für asylsuchende Frauen, die sich mit | |
Handarbeiten etwas Geld verdienen. Viele von ihnen wurden im Sinai | |
vergewaltigt und gefoltert. Ohne die regelmäßige Beschäftigung und die | |
Gespräche mit anderen Frauen würden sie vielleicht nie ihr Haus verlassen. | |
## Die Welt hat die Menschen von Levinsky vergessen | |
„Fernsehsender und Zeitungen haben damals über die Misshandlungen | |
berichtet. Aber es wurde nichts getan, um den Menschenhandel zu beenden“, | |
sagt die 60-Jährige. „Es waren eben mal wieder die armen Afrikaner, die da | |
starben.“ | |
Auch Aziza glaubt, dass heute in Libyen dasselbe passiert wie damals im | |
Sinai. Und wieder kümmere sich die EU bloß darum, dass keine Flüchtlinge | |
nach Europa kommen. | |
2012 bekam die gelernte Krankenschwester von Hillary Clinton persönlich | |
einen Ehrenpreis des US-Außenministeriums für ihren Einsatz gegen | |
Menschenhandel verliehen. Heute gibt es keine Preise mehr, obwohl sie sich | |
noch immer für die Folteropfer einsetzt. Aber die Welt scheint diese | |
Menschen vergessen zu haben. | |
„Die haben die Hölle durchgemacht und bekommen nicht einmal einen | |
Rechtsstatus. Sie sind verschuldet, viele können nicht arbeiten, weil sie | |
traumatisiert sind.“ Nun auch noch die akute Angst vor der Abschiebung. | |
Schwester Aziza zieht wütend die Augenbrauen zusammen. „Es ist sehr, sehr | |
frustrierend.“ | |
Die Frustration macht auch Jonas kaputt. Auf seinem Handybildschirm hat er | |
das Bild seiner Tochter abgespeichert. Über WhatsApp und Skype telefoniert | |
Jonas jeden Tag mit ihr. „Es macht mich verrückt, dass ich nicht weiß, wann | |
ich wieder bei ihnen sein kann“, sagt er. | |
Eine echte Perspektive gibt es für ihn nicht. Nur einen Plan. Jonas hat | |
jetzt das Flugticket nach Uganda. Von dort aus will er versuchen, sich nach | |
Ägypten schmuggeln zu lassen. Irgendwie. Dass er wieder in die Fänge von | |
Menschenhändlern kommen, wieder verschleppt und gefoltert werden könnte, | |
das weiß er alles. Aber alles scheint besser zu sein, als eingesperrt auf | |
seine Abschiebung zu warten. „Ich habe keine andere Hoffnung mehr“, sagt | |
er. „Ich muss versuchen, meine Tochter wieder zu sehen.“ | |
15 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Lucia Heisterkamp | |
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