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# taz.de -- Kolumne Eierlikör: Josef von N., Super-Dad
> Biblische Männer sind fies. Nur Josef, der gesetzliche Papa von Jesus,
> ist dufte und akzeptiert, dass seine Frau nicht von ihm schwanger ist.
Bild: Maria, die selbstbestimmte Frau, und Josef der polyamore Papa?
Für uns Chorknaben waren die Predigten so etwas wie ein Pflichtteil, den
man durchstand bis wieder etwas Unterhaltsames passierte. Der übrige Teil
der katholischen Messe war für gewöhnlich voll von Weihrauch, Geläut und
Kerzenzauber – selbst nach Jahren der Chorsingerei wurde das nicht
langweilig. Während der monotonen Predigten hingegen saßen wir
heiliggeistesabwesend hinterm Altar und kauten an den Ecken unserer
Polyestergewänder – bis eines Weihnachtstages ein Priester auf die Idee
kam, seine Predigt über den Heiligen Josef als betrogenen Ehemann zu
halten.
Zwei Jahrzehnte später erinnert sich mein mittlerweile atheistisches (aber
weiterhin jeder Form von Magie zugeneigtes) Erwachsenen-Ich immer noch
daran, dass es diese Predigt gegeben hat. Nicht an die Einzelheiten, aber
einen bleibenden Eindruck hat sie bei mir hinterlassen. Maria, die
selbstbestimmte Frau, die Sex mit einem Engel hat – und Josef, der das ganz
polyamor in Ordnung findet? Könnte es etwa sein, dass der heilige Josef
ausnahmsweise mal eine vorbildhafte Männerfigur in der christlichen
Tradition ist?
Zur Erinnerung: Die übrigen biblischen Männer sind bereit, ihre Söhne zu
opfern (Abraham) und ihre Töchter Fremden zum vergewaltigen zu überlassen
(Lot). Sie meucheln Babys (Herodes) und sie verkaufen ihre Freunde für Geld
(Judas). Oder sie sind einfach opportunistische Volltrottel, die trotzdem
später wichtige Führungspositionen einnehmen (Petrus). Klar, Jesus war
ziemlich in Ordnung, aber der wiederum war ein schrecklicher Mansplainer.
Meine Meinung.
Dieser Josef scheint dagegen ganz dufte. Er hat in der Bibel kaum Text und
verschwindet nach der Weihnachtsgeschichte relativ schnell komplett aus der
Story. Ich stell ihn mir also als sanft und zurückhaltend vor. Aber als es
drauf ankam, war er da. Und das, obwohl der Zimmermann aus Nazareth sich
tierisch hätte echauffieren können, dass seine Verlobte auf einmal
schwanger ist ohne dass er sie, ähm, nun, „erkannt“ hat. Stattdessen
schleppt er sich mit ihr zusammen nach Bethlehem, macht unter alles anderem
als hygienischen Bedingungen den Geburtshelfer, und flieht dann auch noch
mit Frau und Kind vor einem babymordenden König nach Ägypten. Respekt.
Kurz: Josef springt einfach mal so als gesetzlicher Vater von Jesus ein,
weil dessen biologischer Erzeuger nunmal leider kein Rechtssubjekt im
engeren Sinne ist. Wer von Ihnen würde das ohne zu zögern tun?
## Zerstörte Träumerei
Ich muss zugeben, dass ich mich an die Predigt von damals inhaltlich nicht
erinnere. Ich nehme an, dass der Priester mit seiner These vom gehörnten
Josef auf was ähnliches hinauswollte: Dass es bei der Weihnachtsgeschichte
eben auch darum geht, Verantwortung zu übernehmen, jenseits von männlichem
Ehrgefühl. Dass man sich, egal wer wen „erkannt“ hat, der verdammten
heiligen Regenbogenfamilie anschließt, die einen gerade braucht.
Hochaktuell, oder?
Meine Freundin D. reißt mich aus meiner Träumerei, als ich ihr meine These
vom feministischen Josef unterbreite. D. weist darauf hin, dass Josef nicht
aus eigenem Antrieb zu Maria gestanden hat, sondern weil eine
übernatürliche männliche Autorität das so von ihm wollte.
Das stimmt leider, ich hab's nachgeschlagen. Matthäus 1,19: Maria ist
schwanger – und Josef, dieser Feigling, beschließt, sie heimlich zu
verlassen, weil er „fromm war und sie nicht in Schande bringen wollte“. Das
sagen sie immer. Dann aber erscheint ihm ein Engel im Traum und sagt: Das
Kind ist vom Heiligen Geist, komm klar! Und Josef gehorcht.
Es wäre ja auch zu schön gewesen.
Eigentlich hätte ich es wissen müssen, dass dieser Josef nix taugt. Neulich
noch hab ich das Weihnachtslied „Josef, lieber Josef mein“ vor mich
hingesummt. Darin sagt Maria: „Hilf mir wiegen mein Kindelein – Gott, der
wird dein Lohner sein.“ Ich nehme an, wenn Maria schon für so eine simple
Betreuungsaufgabe göttlichen Lohn in Aussicht stellen muss, dann braucht
man nicht davon ausgehen, dass Josef jemals freiwillig die Windeln
gewechselt hat.
24 Dec 2017
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Weihnachten
Eier
Witze
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Geburt
Populismus
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