# taz.de -- Nachruf auf Sängerin France Gall: Sie war eine Große | |
> Vorbild für mindestens eine halbe Frauengeneration, für Jungs ein | |
> Anbetungsobjekt. Jetzt ist die französische Schlagersängerin gestorben. | |
Bild: Sie stand musikalisch lange für „das neue Frankreich“ | |
Sie war eine der Ikonen der französischen Yéyé-Bewegung – eine, die sich | |
dem neuen, amerikanisierten Lebensstil verschrieb, aber eben en français. | |
Anfang der sechziger Jahre hatte die Jugend Frankreichs, jedenfalls die | |
nicht gymnasial orientierte, einerseits die Lieder der Chansons-Auteurs wie | |
Georges Brassens oder Jacques Brel mittelprächtig satt, andererseits mochte | |
man von den Pariser Geschichten der Édith Piaf auch nichts mehr hören. | |
Yéyé – das war das Neue, das moderne Frankreich. Männer wie Johnny Halliday | |
oder Claude François. Oder Frauen wie Françoise Hardy und Sheila. Die | |
populärste der neuen Beatgenerationistinnen aber war France Gall, Kind aus | |
bürgerlichem Elternhaus – und von Serge Gainsbourg „entdeckt“ als | |
Teenageridol. Ein bisschen Lolita, eine Spur belesene Ernsthaftigkeit. Gall | |
– das war in Frankreich die Figur, die für mindestens eine halbe | |
Frauengeneration idolisch war und für viele (heterosexuelle) Jungs ein | |
Anbetungsobjekt. | |
1965 wurde sie europäisch berühmt. Beim Grand Prix Eurovision de la Chanson | |
sang sie für Luxemburg die Gainsbourg-Nummer [1][„Poupée de cire, poupée de | |
son“] – und gewann haushoch. Seit der Siegespräsentation in Neapel hat sie | |
ihr Lied freilich, nach eigenem Bekunden, gehasst: Es sei schlüpfrig in | |
textlicher Hinsicht, weil es sie zur Puppe degradiere, die zum Gefallen der | |
Männer sich selbst als Puppe veräppele. | |
Obendrein flüsterte ihr eine missgünstige Seele unmittelbar nach der | |
Punkteauszählung des ESC ins Ohr, ihr Freund habe Sex mit einer anderen … | |
Gall verlegte kurz darauf ihre Karriere nach Deutschland, hierzulande waren | |
Sängerinnen gefragt, die ein wenig exotisch wirkten, ein wenig mit | |
erotischem Appeal spielen konnten – auf jeden Fall ästhetisch keine | |
Fantasien an eher provinziell, gar naziangeschlackt wirkende Frauen | |
aufkommen ließen. | |
Ende der Sechziger bis Anfang der Siebziger hatte sie auf dem deutschen | |
Popmarkt etliche Hits, „Der Computer Nr. 3“ (eine frühe Auseinandersetzung | |
mit Datingplattformen), „[2][Ein bisschen Goethe, ein bisschen Bonaparte]“ | |
(ihr Beitrag zur Dekonstruktion bildungsbürgerlicher Allüren bei | |
gemischtgeschlechtlichen Anbahnungen oder das Astrud-Gilberto-Cover von „A | |
Banda“, „[3][Zwei Apfelsinen im Haar]“ – Schlager der Achtundsechziger�… | |
die sie mitprägte. | |
Bis in die Achtziger zog sie sich zurück, ihre Platten verkauften sich | |
mäßig – aber mit „[4][Ella, elle l’a]“ gelang ihr 1987 eine der cools… | |
Tanznummern jener Jahre, eine Femmage an die US-Sängerin Ella Fitzgerald, | |
verfasst von ihrem Mann, Michel Berger. 1993, ein Jahr nach dem Tod ihres | |
Mannes, musste sie erstmals bitter eine Krebserkrankung bewältigen, vier | |
Jahre später den Tod ihrer Tochter Pauline. Die Sängerin ist am Sonntag im | |
Alter von 70 Jahren in Neuilly-sur-Seine an den Folgen einer weiteren | |
Krebserkrankung gestorben. Sie war eine Große. | |
7 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=7cv9NIzGmSI | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=p9g4Md_huII | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=NWF3VcXJUA4 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=lgHGU8gqz9U | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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