Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Sexroboter und mehr: Servus 2018!
> Die Wahrheit ist ihrer Zeit stets voraus – im Folgenden ein detaillierter
> und global packender Abgesang auf die kommenden 363 Tage.
Obwohl für kaum möglich gehalten, entwickelte sich das just verblichene
Jahr 2018 im Gegensatz zu seinem schlaffen, ja schläfrigen Vorgänger 2017
zu einem echten Überraschungsjahr. Schon jetzt wird es in einem Atemzug mit
2001, 1989 und 1933 gehandelt.
Dabei begann es zunächst so schleppend und öde wie eine Neujahrsansprache
von Angela Merkel. Am 2. Januar, dem hundertsten Tag ohne neue Regierung
seit der Bundestagswahl, mahnte Bundesfrühstücksdirektor Steinmeier
abermals zu mehr Verantwortung, Demokratie und Intimhygiene. Desgleichen
tat er am 150. und am 200. Tag. Dann aber, nach gefühlt 2.000
Mitgliederbefragungen, Klausurtagungen und Sondersondierungen, war sich die
SPD weitgehend einig, eventuell vielleicht lieber doch nicht in einen
Vorsondierungsprozess zur optional angedachten Regierungsbildung
einzutreten. Weshalb die Kanzlerin das Heft des Handelns entschlossen in
die fleischigen Hände nahm und abermals zu Koalitionsverhandlungen lud –
diesmal aber nicht die FDP, sondern die inzwischen zu konstruktiver
Sachpolitik bereit seiende AfD und die nach wie vor hochmotivierten Grünen.
Nach nur drei Verhandlungstagen bildeten Kanzlerin Merkel, Gauleiter
Gauland und das Traumbedenkenträgerpaar Özdemir/Göring-Eckardt die
„Tanzania-Koalition“. Staatsform blieb weiterhin und eher pro forma die
parlamentarische Demokratie, benamst wurde das wenigversprechende Projekt
in der Regierungserklärung als „liberaler Faschismus mit menschlichem
Antlitz und atmendem Exekutionsrahmen an allen deutschen Obergrenzen“.
Diese Berliner Initiative rettete bei den bayerischen Landtagswahlen im
Herbst dem freudig strahlenden Neu-Ministerpräsidenten Markus Söder dann
den Frankenhals. Denn ohne das beherzte Vorpreschen der ewig siegenden
Kanzlerin wäre Söders CSU-Koalition mit der neuen zweitstärksten Kraft
Bayerns, der AfD, sicher nicht möglich gewesen.
Aufsehen erregte Anfang April die persönliche Ankündigung des nicht minder
triumphalen Türken-Hitlers Recep Erdoğan an das deutsche Volk, den zu
Unrecht eingekerkerten Journalisten Deniz Yücel endlich freilassen zu
wollen. Als Erdoğan am 2. April dann herzlich lachend mitteilte, dass es
sich dabei nur um einen Aprilscherz gehandelt habe, und zwar einen sehr
guten, hatte der rotzbremsenbewehrte Paranoiker mal wieder die Lacher nicht
auf seiner Seite.
Unschöne Überraschungen auch im Sport: Mit ungläubigem Staunen und dem
Hashtag #germanloser reagierten deutsche Fußballfans auf das vorzeitige
Ausscheiden des glücklosen Weltmeisters bei der Fifa-WM in Russland. Nach
verlorenen Spielen gegen die traditionellen Angstgegner Schweden und
Südkorea reichte auch das 1:1 (0:0) gegen den Gruppenersten Mexiko nicht
für einen Einzug ins Achtelfinale. Bundestrainer Joachim Löw kündigte noch
vor der Heimreise seinen Rücktritt an sowie die völlige Umgestaltung seiner
Frisur.
Auch für beliebte Weltreligionen wurde 2018 zum schwarzen Jahr: Nach dem
überraschenden Doppelrücktritt der populären Religionsführer Papst
Franziskus Nr. 1 und Dalai Lama Nr. 14 herrschte tiefe Verunsicherung in
weltreligiösen Kreisen. Vor allem, als die beiden rüstigen Sinnstifter
bekanntgaben, in Zukunft zusammenleben und in – wo sonst? – San Francisco
eine kuschlige Bar mit dem Namen „Happy San Fran and his smiling Lama“
eröffnen zu wollen. Und im Mai kam es am Rande des Gipfeltreffens der
Organisation Islamischer Staaten (OIC) im Gambia zu zahlreichen und
unerwartet heftigen Detonationen, nachdem bekanntgegeben wurde, dass das
Internationale Olympische Komitee (IOC) Selbstmordattentate nicht als
olympische Disziplin zu den Sommerspielen 2020 in Tokio zulassen werde.
Für Aufregung nicht nur unter Geschlechtern von Cisgender bis LGBTQ* sorgte
die Entdeckung eines weiteren, bislang unbekannten Geschlechts – und zwar
direkt unter dem Rock von Beatrix von Storch. Während die stockkonservative
Ausländerhasserin jedoch beteuerte, dies sei nur ihr uraltes
Adelsgeschlecht, behaupteten Experten von der Bundesprüfstelle für
Geschlechterfragen das exakte Gegenteil und erklärten die frischgebackene
Grenzverteidigungs- und Familienministerin kurzerhand zur asexuellen
Cis-Transgenderoma mit Sternchen und Eichellaub. Von Storch indes prüft
noch und will ihr neues Geschlecht vorerst nicht anerkennen.
Als neuester Retro-Hype etablierte sich nach der triumphalen Wiederkehr von
Rübenbart, Turnbeutel und Tropfenformbrille, die Wiederbelebung
totgeglaubter Vintage-Mailadressen mit stylishen Endungen wie aol.com,
compuserve.com oder telefunken.com. Allerdings musste schon wenige Tage
nach Freischaltung die Domain reichsregierung.de als neue Webadresse der
Bundesregierung wieder vom Netz genommen werden, da Xavier Naidoo die
Rechte daran nicht freigeben wollte.
Zum Unwort des Jahres 2018 wurde, noch knapp vor Achtsamkeit und
Storytelling, der oder das „Narrativ“ erklärt, obwohl sofort nach
Bekanntgabe sowohl Richard David Precht als auch Jakob Augstein gegen die
Entscheidung protestierten, da es ihnen ohne Narrativ nicht möglich sei,
ihren Beruf als Arschgeredeproduzenten weiterhin sinnlos auszuüben.
Zum versöhnlichen Abschluss des hauptstädtischen Streits um die
„Institution Volksbühne“ kam es Mitte September, als zum Auftakt seiner
dritten Spielzeit Neu-Intendant Chris Dercon die umstrittene Immobilie
kurzerhand sprengen ließ und den Bauplatz an niederländische Investoren
verkaufte (95 Prozent) sowie an Jürgen Kuttner (5 Prozent).
Weltweites Aufatmen dann Ende November: Als POTUS Donald Trump am 22.
November in einem offenen Wagen durch Dallas fuhr, um die 55. Wiederkehr
des Kennedy-Attentats zu feiern, erbarmte sich einer, spannte den Hahn und
drückte den Abzug. Trump war sofort tot, Volltreffer, versenkt. Er
hinterließ einen autistischen Sohn, eine autistische Gattin und ein
autistisches Land.
Zum Jahresende hin verdichtete sich noch einmal der Skandalhagel, als
Günther Jauch, Moderator der Sendung „Menschen, Bilder, Emotionen 2018“
(RTL) in der von Markus Lanz moderierten ZDF-Sendung „Menschen 2018“
auftrat, um dem völlig verblüfften Publikum zu erklären, dass er, Jauch,
2019 zum letzten Mal „Menschen 2019“ moderieren werde. Vielleicht aber auch
2020 oder 21, eigentlich scheißegal. Dafür wurde wenigstens die „Helene
Fischer Show 2018“ noch um schmerzvolle Längen besser, bunter und versauter
als die Schauen des sibirischen Sexroboters in den Jahren 1996 (Schätzwert)
bis 2017. Bei so viel guten Nachrichten – wer braucht da noch ein Jahr
2019?
2 Jan 2018
## AUTOREN
Oliver Maria Schmitt
## TAGS
Zukunft
Prognosen
Schwerpunkt Grundgesetz
Sahra Wagenknecht
Mesut Özil
Jan Böhmermann
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Präambelschaltung ohne Angriffskrieg
Allen wochenlangen Feierlichkeiten auf deutschem Boden zum Trotze: Siebzig
Jahre altes Grundgesetz sind jetzt aber doch mal genug!
Die Wahrheit: Miss Verstanden im Sammelbecken
Die Wahrheit zu Gast bei Sahra Wagenknecht und ihrem Hausdiener. Die
Initiatorin von „Aufstehen“ ist in linker Hochform.
Die Wahrheit: Unter Kriechern
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Diesmal darf sich die
Leserschaft an einem Poem über Fußsoldaten des Sultans erfreuen.
Die Wahrheit: Mit Lach und Krach
Humorpolitik einfach erklärt: Was aus der lustigen Satirestaatsaffäre zu
lernen ist und welche neuen Power-Pointen-Paare auf uns zukommen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.