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# taz.de -- Putins große Fernsehshow: Die mediale Offenbarung
> Bei seiner Jahrespressekonferenz stellt sich Putin als Kandidat für die
> Präsidentenwahl vor. Konkurrenz oder Probleme gibt es nicht.
Bild: Der „lupenreine Demokrat“ (G.Schröder) will sechs weitere Jahre Prä…
Moskau taz | Russland inszeniert die Jahresendpressekonferenz in jedem Jahr
wie eine Offenbarung. Für drei bis vier Stunden ist Präsident Wladimir
Putin alleiniger Darsteller. Ein gewöhnlicher Medientermin wird zu einem
medialen Großereignis. In der Regie der staatlichen TV-Sender kann daraus
unversehens auch noch ein Event von Weltgeltung werden.
Zum 13. Mal fand die Pressekonferenz seit Putins Amtsantritt 2000 statt.
Die Moderatoren auf dem Ersten Kanal gerieten ohne den Kremlchef schon in
Wallung. Bereits die Akkreditierungen in- und ausländischer Korrespondenten
überschritt den Vorjahresrekord mit 1640 Anträgen. Was war die längste PK
und wie lange wird der Präsident diesmal aushalten? Fragten sie
hochmotiviert. Vorgetragen in einem hektisch engagierten Ton, der Zuschauer
unter Strom setzt.
Als Wladimir Putin dann mit geringer Verspätung einläuft, setzt ein
Spannungsabfall ein, wo das aufgepeitschte Auditorium eigentlich den Marsch
des „Einzugs der Gladiatoren“ erwartet hätte.
Stattdessen kommt der 65-Jährige etwas linkisch herein. Vor der Wahl am 18.
März ist es der erste Anlass, an dem er sich als Kandidat vorstellt.
Wladimir Putin geht nicht als Frontfigur der Kremlpartei ER ( Einiges
Russland) ins Rennen. Stattdessen als Person, die sich aus eigenen Stücken
zur Wahl stellt. Aber er hoffe, dass möglichst viele Parteien und
Bewegungen ihn unterstützen mögen, sagte Putin. Besonderheiten
byzantinischen Erbes in der russischen Politik.
## Mitbewerber sind keine Konkurrenz
Schon am Vorabend hatte Putins Pressesprecher klar gemacht: Es gebe zwar
andere Mitbewerber, als Konkurrenten könnten sie dem Kremlchef jedoch nicht
das Wasser reichen. Sie seien zwar würdige Persönlichkeiten, ihnen fehle
aber die „notwendige Reife“. Das ist zu einer feststehenden Formel für die
Wahl ohne ernsthafte Konkurrenz geworden. Wer Putin herausfordern will,
müsse sich 20 Jahre warm laufen, meinten amüsierte Beobachter.
Eine Gegenkandidatin saß auch in der Konferenz. [1][Das ehemalige
Glamourgirl Xenia Sobtschak]. Sie war die Tochter des früheren Petersburger
Bürgermeisters Anatoli Sobtschak, der ein Gönner Wladimir Putins Anfang der
90er war. Sie tritt als Kandidatin „gegen alle“ an. Noch immer zweifelt die
Öffentlichkeit, ob ihre Kandidatur nicht eine Initiative des Kremls sei.
Die Wahlbeteiligung gilt es anzukurbeln, da alles vorher festzustehen
scheint, sind die Bürger nicht sonderlich wählfreudig.
Die Showmasterin war als Korrespondentin des oppositionellen Senders
„Doschd“ erschienen. Sie hätte das machen müssen, weil sich Putin sonst
allen Debatten im Fernsehen verweigere, sagte Sobtschak. Putin schlug
zurück. Mit Kritik kann er nicht recht umgehen. Wie die Opposition hätte
auch sie „kein positives Programm“, auch sie trete ja nur als Kandidatin
„gegen alle“ an. Nun ist es aber so, dass auch das Programm des Präsidenten
noch nicht endgültig steht, wie er freimütig einräumte. Auch wenn es
zwischen Kreml und Sobtschak ein abgekartetes Spiel sein sollte, es bringt
etwas Leben in die autoritäre Tristesse.
[2][Den Herausforderer Alexei Nawalny], der wegen einer Bewährungsstrafe
nicht zugelassen wurde, erwähnte Putin nicht mit Namen. Er verglich ihn mit
Georgiens Expräsident Michail Saakaschwili. Der sorgt zurzeit in der
Ukraine für Unruhe. „Das ist Saakaschwili, nur in russischer Ausführung“,
sagte Putin verächtlich.
Im Mittelpunkt der Pressekonferenz stand die heimische Wirtschaft. Wie
immer malte Wladimir Putin ein positives Bild. Dass die Auswirkungen der
Krise nach drei Jahren allmählich in der Gesellschaft ankommen, war kein
Thema. Ein bisschen Sticheln gegen die USA gehörte auch noch zum Programm,
wobei US-Präsident Donald Trump davon ausgenommen blieb. Es sei die
US-Opposition, die die Beziehungen zu Russland torpediere. Russland und die
USA müssten endlich aufhören, einander wie Tiere zu bekämpfen, sagte
Dressurleiter Wladimir Putin.
Moskau träfe keine Schuld an den schlechten Beziehungen zu Washington, so
der Tenor. Zum Doping-Kronzeugen Grigori Rodschenkow, der in die USA
geflohen ist, mutmaßte der Kremlchef zur Erheiterung der Versammlung: Was
machen sie dort mit ihm? Geben sie ihm irgendwelche Substanzen, damit er
sagt, was verlangt wird?“
14 Dec 2017
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## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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