Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ankaras Anti-Gülen-Kampagne: Erdogans langer Arm am Hindukusch
> In Kabul werden der Gülen-Bewegung nahestehende türkische Lehrer
> festgenommen. Zeitnah zum Türkei-Besuch des afghanischen Präsidenten.
Bild: Plötzlich sind Lehrer weg – während einer Pause in einer türkisch-af…
BERLIN taz | Die Anti-Gülen-Kampagne des türkischen Präsidenten Tayyip
Recep Erdoğan hat jetzt auch erste Folgen in der afghanischen Hauptstadt
Kabul. Am Dienstagmorgen wurden dort nach Berichten lokaler Medien vier
Lehrer – ein Afghane und drei Türken – vom Geheimdienst festgenommen.
Sie waren in einer der türkisch-afghanischen Schulen tätig, die wegen ihrer
Unterrichtsqualität beliebt sind. Außerdem wurde im Stadtteil Taimani ein
Mädchengymnasium durchsucht, was zu Protesten führte. Was den
Festgenommenen vorgeworfen wird, teilte die afghanische Regierung bisher
nicht mit.
Die Festnahmen erfolgten direkt vor dem Türkei-Besuch des afghanischen
Präsidenten Aschraf Ghani. Er nimmt dort am Gipfel der Organisation
Islamische Konferenz teil.
Die türkische Regierung hatte sich afghanischen Medien zufolge seit 2016
bemüht, die Schulen der afghanisch-türkischen Nichtregierungsorganisation
Afghan Turk CAG Educational NGO (ATCE) zu schließen oder der Kontrolle
einer türkischen regierungsnahen Hilfsorganisation zu unterstellen.
## Kabul in der Zwickmühle
Damals erklärte der afghanische Erziehungsminister, dass die Regierung
keine Schließung beabsichtige. Im Februar aber berichtete der größte
afghanische Sender, Tolo-TV, die Regierung habe unter türkischem Druck
einer Ausweisung der Lehrer zugestimmt. Darauf folgten Elternproteste, und
Kabul hielt erst einmal still.
ATCE richtete seit 1995 Schulen für Jungen wie Mädchen in den afghanischen
Städten Masar-i-Scharif, Scheberghan, Kabul, Herat, Dschalalabad und
Kandahar ein. Die rund 8000 Schülerinnen und Schüler werden von 150
türkischen Lehrern betreut.
Die Betreiberorganisation, deren türkische Seite tatsächlich der
Gülen-Bewegung nahesteht und bis Mitte 2016 sichtbar von Erdoğans Regierung
unterstützt wurde, verwies darauf, dass nach afghanischem Lehrplan
unterrichtet werde.
Erdoğan macht den früher mit ihm verbündeten islamischen Geistlichen und
heutigen Erzfeind Fethullah Gülen für den Putschversuch in der Türkei vom
Juli 2016 verantwortlich.
## Turksprachige Afghanen im Fokus Ankaras
Afghanistan hat eine usbekische Bevölkerungsgruppe sowie kleinere Gruppen
von Turkmenen und Kirgisen, die alle turksprachig sind. Damit befindet sich
das Land schon lange vor Erdoğan im außenpolitischen Blick Ankaras.
Die ersten ATCE-Schulen in Afghanistan wurden in den turksprachigen
Gebieten eingerichtet. Die Türkei hat in Afghanistan auch 650 Soldaten als
Teil der US- und Nato-geführten Militärmission Resolute Support
stationiert.
Beobachter in Kabul gehen davon aus und afghanische Medien haben das
berichtet, dass Erdoğan als Gegenleistung für das afghanische Vorgehen
gegen die ATCE-Schulen Ghanis ersten Vizepräsidenten, den
afghanisch-usbekischen Warlord Abdul Raschid Dostum, in der Türkei
beherbergt.
## Ankara beherbergt afghanischen Warlord
Dostum hält sich nach Vorwürfen eines Ex-Verbündeten, die Leibwächter des
Warlords hätten ihn nach einem Streit mit Dostum vergewaltigt, in Ankara
auf. Dort gehört ihm eine Luxusvilla. Dostum bestreitet eine Beteiligung an
dem Vorfall (obwohl es zuvor mindestens zwei ähnliche Fälle gab) und ist
offiziell zur medizinischen Behandlung in der Türkei.
Dostum nutzte die Zeit in Ankara, um eine Anti-Ghani-Allianz für die
Präsidentenwahl 2019 zu schmieden. Die türkische Hauptstadt wurde seither
zur Drehscheibe für Gespräche afghanischer Oppositioneller. Aber Ghani ist
es wohl lieber, Dostum intrigiert von Ankara aus als direkt in Afghanistan.
Auch in Kabul meldeten sich Oppositionspolitiker zu Wort und beschuldigten
Ghani des Ausverkaufs nationaler Interessen.
13 Dec 2017
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Türkei
Aschraf Ghani
Recep Tayyip Erdoğan
Fethullah Gülen
Ditib
taz.gazete
Schwerpunkt Türkei
Putschversuch Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Spionagevorwürfe gegen Ditib-Imame: Ermittlungen eingestellt
Den Geistlichen wurde vorgeworfen, sie hätten Gülen-Anhänger ausspioniert.
Nun beendet die Bundesanwaltschaft die Untersuchung.
Transnationales Korruptionsnetz: Der Kronzeuge, vor dem sich die AKP fürchtet
Reza Zarrab gesteht vor US-Gericht, einen türkischen Minister bestochen zu
haben, um Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Auch der Erdoğan-Clan muss
mit Korruptionsvorwürfen rechnen.
Kommentar US-türkische Verwicklungen: Neue Eskalationsstufe erreicht
Recep Tayyip Erdoğan lässt es krachen: Die diplomatischen Beziehungen
zwischen der Türkei und der EU haben gelitten. Nun sind die USA dran.
Debatte Asyl für Gülen-nahe Funktionäre: Wo Erdoğan Recht hat
Angesichts des autokratischen türkischen Präsidenten neigen viele Deutsche
zu Vereinfachungen – etwa bei der Wahrnehmung der Gülen-Sekte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.