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# taz.de -- Ungesunde Armut: Keine Daten, keine Taten
> Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat ein Positionspapier über Armut als
> Gesundheitsrisiko veröffentlicht. Das Ergebnis: Es gibt nicht einmal
> aktuelle Daten
Bild: Kann nicht gesund sein: Armut in Bremen
Armut macht krank. Diese nicht neue Erkenntnis hat jetzt der Paritätische
Wohlfahrtsverband Bremen mit aktuellen Zahlen in ein Positionspapier
gegossen: Unter dem Titel „Der Preis der Ungleichheit. Armut als
Gesundheitsrisiko“ fasst es die Situation in Bremen zusammen und stellt
deutliche Forderungen. Wie und ob die umgesetzt werden können, soll auf der
dritten Bremer Armutskonferenz am 27. Februar thematisiert werden.
„Armut ist das größte Gesundheitsrisiko“, sagte Regine Geraedts vom
Verbandsrat des Paritätischen Bremen bei der Präsentation des Papiers.
Insbesondere das Robert-Koch-Institut stellt in seinen Gesundheitsstudien
regelmäßig fest: Das Risiko eines Herzinfarkts, Schlaganfalls, von Diabetes
und psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen ist bei
armen Menschen deutlich erhöht. „Und wir sind der Frage nachgegangen,
welche Spuren das hohe Armutsrisiko in Bremen bei der Gesundheit
hinterlässt“, sagte Geraedts.
Die Unterschiede zwischen Bremen und reicheren Bundesländern sind schon
einmal deutlich: BremerInnen sterben zweieinhalb Jahre früher als
Baden-WürttembergerInnen. Im Bundesländervergleich liegt Bremen bei der
Lebenserwartung auf Platz 14.
Und richtig alarmierend wird es, wenn man sich die kommunalen Unterschiede
anschaut: So ist die Lebenserwartung bei Männern mit 73,2 Jahren in
Gröpelingen am niedrigsten und mit 81 Jahren in Schwachhausen am höchsten.
Für Frauen ist sie mit 79,5 Jahren ebenfalls in Gröpelingen am niedrigsten
– und mit 85,2 Jahren in Schwachhausen am höchsten.
## Arbeitslosigkeit schadet der Gesundheit
„Die Zuschreibung ist immer“, sagte Geradts, „dass Arme ungesünder leben,
also schlechter essen, mehr trinken, mehr rauchen, weniger Sport treiben,
aber so einfach ist das nicht. Denn Gesundheit hat auch mit den sozialen
Verhältnissen zu tun, nicht nur mit dem individuellen Verhalten.“ Das
bedeute: Arbeitslosigkeit trage erheblich zu einer Verschlechterung der
Gesundheit bei, günstige Wohnungen gingen mit ungesunden Wohnverhältnissen
einher und schlechtere Bildung bedeute auch: wenig Wissen über Gesundheit.
Auf der Suche nach Maßnahmen in der kommunalen Gesundheitspolitik Bremens
sei man allerdings auf eine Leerstelle gestoßen, sagte Geraedts. Was das
konkret bedeutet, erläutert das Positionspapier: Demnach hat eine
sozialräumliche Analyse aus dem Jahr 2006, in der das Gesundheitsamt Daten
der Stadtregionen gegenüberstellte, die „Beschreibung konkreter
Problemlagen und Interventionsfelder“ für angekündigte Folgeberichte
vorgesehen.
Die gab es aber nicht. Und: „Der letzte Landesgesundheitsbericht ist im
Jahr 2010 erschienen.“ Die Hauptforderung des Paritätischen lautet deswegen
auch „Daten für Taten“ – also eine aktuelle Basis, auf der sinnvolle
kommunale Gesundheitspolitik stattfinden kann.
Denn die gibt es laut Positionspapier in Bremen ebenfalls nicht. Basierend
auf der Regionalstrategie der „gesunden Städte“, bei der
ressortübergreifend an gesunden Wohnumfeldern gearbeitet wird, ist in
Deutschland ein „Gesunde-Städte-Netzwerk“ entstanden, bestehend aus etwa 70
Kommunen. Bremen ist nicht dabei.
## Bremen kann von Hamburg lernen
„In den einzelnen Stadtteilen passiert viel, aber Bremen benötigt eine
Strategie, die das Ganze lenkt“, sagte Inge Danielzick, Sprecherin der
Bremer Armutskonferenz. In Hamburg beispielsweise gebe es seit 2010 den
„Pakt für Prävention“, in dem sich Wirtschaft, Politik und
zivilgesellschaftliche Gruppen für die gesundheitlichen Belange der
Bevölkerung engagieren.
„Eine solche Institution wäre für Bremen ebenfalls sinnvoll. Stattdessen
werden hier sechseinhalb Stellen geschaffen, die in ganz Bremen in die
Schulen gehen, um Vorträge zu halten oder Flyer zu verteilen.“
Die Gesundheitssenatorin sei selbstverständlich ebenso zur Armutskonferenz
eingeladen wie andere Akteure, „aber von ihr wissen wir bereits, dass sie
der Meinung ist, es gebe in Bremen bereits genug Runden, in denen über
kommunale Gesundheitsförderung geredet wird.“
20 Dec 2017
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Schwerpunkt Armut
Gesundheit
Prävention
Schwerpunkt Armut
Bedingungsloses Grundeinkommen
Ungleichheit
Schwerpunkt Armut
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