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# taz.de -- Alternative Plots auf Netflix: Die gespaltenen User
> Netflix will seinen Usern alternative Plots anbieten. Das kann für mehr
> Vielfalt sorgen – trennt die Zuschauer aber auch voneinander.
Bild: Vereinsamen die Netflix-User bald in ihrer eigenen Blase? Szene aus der S…
Es ist das Small-Talk-Thema unserer Zeit: „Und, welche Serie guckst du
gerade?“ Serien sind ein gemeinsamer Nenner, nach dem Wetter, Fußball und
Ikea. Das Problem ist: Seit dem Serien-Boom Ende der 2000er-Jahre und den
zahlreichen Video-On-Demand-Angeboten schaut jeder bis zu 20 Serien
parallel. Gespräche über Lieblingsserien führt man deshalb im Stakkato. Man
zählt eine Reihe von Serien auf, gefolgt von kurzen Inhaltsangaben und
einem abschließenden „Find ich gut“ oder „Find ich schlecht“. In die T…
geht das kaum.
Die Zahl der verschiedenen Plots könnte nun weiter steigen. Der
Streaminganbieter Netflix will die Personalisierung seiner User auf die
Spitze treiben. Der Algorithmus soll dem Nutzer nicht nur passende Serien,
sondern auch mehrere Versionen einer Serie vorschlagen. Der Zuschauer hat
die Wahl: Küsst sich das glückliche Paar am Ende auf der Golden Gate
Bridge? Oder nimmt die Protagonistin lieber das verlockende Jobangebot an
und zieht in eine andere Stadt?
Getestet wurden die alternativen Serienplots bisher im Kinderprogramm von
Netflix. Das Ergebnis ist, dass sich User länger mit einer Sendung
beschäftigen. Netflix gefällt es natürlich, wenn der Nutzer möglichst lange
an einem Produkt festhält. Nun will man schauen, wie Erwachsene mit
interaktiven Storys umgehen, erklärt Netflix-Produktchef Greg Peters. Aber
– tut das der Serie gut?
Schon in den 2000er-Jahren gab es solche Experimente, damals noch im
analogen TV. Per SMS konnten Zuschauer entscheiden, wie der Plot
weitergeht. Wegen der Linearität und des Eventcharakters – alle schauten
gleichzeitig – war das spannend. Allerdings scheiterten diese Experimente
oft: Die Plotversatzstücke fügten sich nicht gut zusammen. Außerdem: Zwar
können die Alternativen die Storyenden emanzipatorischer, diverser, klüger
machen – zugleich landet jeder Netflix-User in der eigenen Plot-Blase. Er
sucht sich das Ende, das ihm am angenehmsten ist.
## Nerdig und identitätsstiftend
Auch der Austausch über Serien wird weiter erschwert. Ohne nach „Früher war
alles besser“ klingen zu wollen: Ende der 1990er- und Anfang der
2000er-Jahre liefen maximal zwei guckbare Serien am Abend und man konnte
sich am nächsten Tag in Ruhe darüber austauschen. Man konnte ausgiebig über
Charaktere diskutieren, den Plot mögen oder blöd finden. Das war nicht nur
schön nerdig, sondern auch identitätsstiftend.
Laut Medienforschung können durch Gespräche die Gemeinsamkeiten zwischen
Medienrealität und eigener Wirklichkeit eingeordnet werden. Die
Serienmacher konfrontieren die Zuschauer bewusst mit sozialen, politischen
und gesellschaftlichen Statements. Mangels Auswahl haben sich Zuschauer
damals stärker (gemeinsam) mit Serien auseinandergesetzt. Oder eben ein
Buch gelesen.
Noch steht nicht fest, ob der Plot bei Netflix frei wählbar ist oder
automatisch, an den User angepasst, von alleine abläuft. Auch davon hängt
ab, ob das neue Konzept für die Story und die Zuschauer aufgeht. Ob User
miteinander sprechen oder von den vielen Plots überfordert sind. Sicher ist
nur, dass eine neue Small-Talk-Frage hinzukommt: „Und, welchen Plot guckst
du gerade?“
11 Dec 2017
## AUTOREN
Christine Stöckel
## TAGS
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