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# taz.de -- Anwältin von entführtem Vietnamesen: „Wie ein Roman von Orwell�…
> Der Expolitiker Trinh Xuan Thanh wurde entführt und nach Vietnam
> gebracht. Seine Anwältin Schlagenhauf über erzwungene Aussagen und den
> Prozess.
Bild: Sitzt in Vietnam in Untersuchungshaft: Trinh Xuan Thanh
taz: Frau Schlagenhauf, Vietnam bestreitet bis heute, dass Ihr Mandant
[1][Trinh Xuan Thanh aus Berlin entführt] wurde. Das Innenministerium dort
behauptet, er sei freiwillig nach Vietnam zurückgekehrt und habe sich den
Ermittlern gestellt. Haben Sie selbst eigentlich manchmal Zweifel an der
Entführungsthese?
Petra Schlagenhauf: Zu keinem Zeitpunkt. Es gab unabhängige Zeugen für die
Entführung. Am Tatort im Tiergarten war sein Handy zu Boden gefallen. Dort
und im Entführungsfahrzeug stammen zahlreiche andere Spuren eindeutig von
ihm. Zudem kannte ich meinen Mandanten und war ganz sicher, dass er sich
niemals freiwillig stellt. Er hält die Tatvorwürfe für politisch
konstruiert. Er hat ja in Deutschland Asyl beantragt.
Es gab immerhin einen Fernsehauftritt Ihres Mandanten Anfang August. Da
sprach er mit eingefallenem Gesicht von einer freiwilligen Rückkehr.
Ich kenne meinen Mandanten, weiß, wie er denkt und argumentiert. So eine
erbärmliche Aussage von ihm und der schreckliche Zustand, wie er vor der
Kamera saß, das passt nicht zu ihm. Mich erinnerte das an eine Neuauflage
eines Romans von George Orwell. Mir war klar, dass das eine erzwungene
Aussage war, und ich möchte mir nicht vorstellen, wie er bearbeitet wurde,
um so etwas zu sagen. Da kommen Erinnerungen an Stalins Straflager auf.
Welche Beweise belegen denn, dass der vietnamesische Geheimdienst und die
vietnamesische Botschaft in Berlin für die Entführung verantwortlich sind?
Wer sonst bringt einen Mann unbemerkt von Berlin nach Hanoi? Dazu musste
ein Pass ausgestellt werden. Seinen eigenen Pass hatte mein Mandant nicht
bei sich. Diplomaten haben ein Entführungsflugzeug gechartert. Es ist
nachweisbar, dass das Entführungsauto unmittelbar vom Tiergarten in die
vietnamesische Botschaft in Berlin fuhr. Es waren am Entführungstag und
davor mindestens ein hoher Offiziere der Sicherheitspolizei in Berlin.
Einige nach meiner Kenntnis Tatbeteiligte sind bereits zwei Wochen zuvor
gemeinsam mit dem vietnamesischen Premierminister eingereist, der am
G20-Gipfel in Hamburg teilnahm. Die Herren hatten nachweisbar engen Kontakt
zu den beiden inzwischen ausgewiesenen Diplomaten. Der vietnamesische
KP-Chef, Herr Trong, hat zudem wiederholt öffentlich gefordert, meinen
Mandanten nach Vietnam zu holen, koste es, was es wolle. Das ist eine
Aufforderung zu einer Entführung.
Man hätte es auch auf diplomatischem Wege versuchen können. Es gab einen
internationalen Haftbefehl. Gab es jemals einen Auslieferungsantrag von
Vietnam an Deutschland?
Uns war bekannt, dass Vietnam einen Haftbefehl erlassen hatte, wegen des
Delikts „Vorsätzlicher Verstoß gegen Wirtschaftsrechtsvorschriften“. Das
ist juristisch so schwammig, dass ein erfolgreiches Auslieferungsverfahren
damit nicht möglich war, ganz abgesehen von dem eigentlichen politischen
Hintergrund, der Anlass zum Erlass des Haftbefehls war. Polizeilichen
Ermittlungen zufolge soll der Vizechef des vietnamesischen Geheimdienstes,
Duong Minh Hung, persönlich nach Berlin gereist sein, um die Entführung zu
managen.
Frau Schlagenhauf, Sie haben in den 1990er Jahren das Verfahren gegen
Chiles Diktator Augusto Pinochet gemeinsam mit spanischen Juristen in die
Wege geleitet, das zu einem internationalen Haftbefehl gegen den Diktator
führte. Wollen Sie jetzt einen internationalen Haftbefehl gegen Duong Minh
Hung und weitere Entführer erwirken?
Die Entscheidung darüber liegt bei der Ermittlungsbehörde, also beim
Generalbundesanwalt. Selbstverständlich begrüße ich es, wenn alle, die sich
an dieser schweren Straftat gegen meinen Mandanten beteiligten, vor Gericht
verantworten müssen.
Haben Sie Informationen darüber, wie es Ihrem Mandanten derzeit in Haft
geht?
Er sitzt in Untersuchungshaft in einer Zelle mit zwei Männern. Es wurde
Anklage erhoben. Seine Familie darf ihn nicht besuchen. Das ist in Vietnam
auch nicht üblich. Üblich wäre aber, dass die Familie Essen und Kleidung an
das Gefängnistor bringen dürfte, denn die Versorgung im Knast ist
scheußlich. Dieses Recht wurde bei meinem Mandanten zeitweise ausgesetzt.
Ihm wird sehr zugesetzt, die Ankläger wollen ein Geständnis.
Ihr Mandant hat in Hanoi vier Anwälte, die von seiner Familie beauftragt
wurden. Wie können sie ihn unterstützen?
Sie arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen. In einem Rechtsstaat sind
Anwälte nur ihren Mandanten verpflichtet und niemandem sonst. Das ist in
Vietnam leider anders. Hier müssen die Anwälte durch die Behörden für einen
Prozess zugelassen werden. Im Oktober hat lediglich einer der vier von der
Familie bestellten Anwälten diese Zulassung, diese Woche ein zweiter. Ein
Anwalt durfte ihn erstmals mehr als zwei Monate nach der Inhaftierung
sehen. Die Fragen an den Mandanten muss er vorher bei der Polizei
einreichen, und die Behörden sind bei den Anwaltsgesprächen immer dabei.
Die Anwälte haben bisher weder Einblick in die Prozessunterlagen noch in
die Anklageschrift. Ich fordere eine Verteidigung, die diesen Namen
verdient.
Vietnams Parteichef Nguyen Phu Trong hat einen Prozess noch vor dem
vietnamesischen Neujahrsfest Mitte Februar gefordert, und das Volksgericht
in Hanoi will dieser Forderung nachkommen. Was für ein Prozess erwartet
Ihren Mandanten?
Aus meiner Sicht steht das Urteil längst fest. Der Parteichef hat ja
öffentlich die Schuld meines Mandanten verkündet. Das ist eine
Vorverurteilung. Vietnam weiß aber auch, dass eine Todesstrafe den
diplomatischen Konflikt mit Deutschland verschärfen würde.
Was hat Ihr Mandant in Berlin zu den Tatvorwürfen gesagt?
Ihm wird unterstellt, für Verluste seines Unternehmens in dreistelliger
Millionenhöhe verantwortlich zu sein. Die Ankläger behaupten nicht, er
hätte das Geld in die eigene Tasche gesteckt. Dazu erklärte er in Berlin,
dass er als Chef eines staatseigenen Unternehmens gezwungen war,
hochriskante verlustreiche Unternehmen aus der Baubranche aufzukaufen. Er
konnte sich diesen Weisungen nicht entziehen. Die Ankläger wissen auch,
dass die Tatvorwürfe juristisch auf schwachen Füßen stehen. 2013 und 2015
wurde er in Vietnam wegen derselben Tatvorwürfe für unschuldig erklärt.
Darum bearbeiten sie ihn, dass er gesteht. Ich weiß, dass auch Männer aus
seinem früheren beruflichen Umfeld, die zum Teil in Haft sitzen, zu
belastenden Aussagen gedrängt werden. Weil die Anklage auf so wackeligen
Füßen steht, wurde vor wenigen Tagen ein Tatvorwurf hinzugefügt. Soweit ich
weiß, geht es dabei um Korruption. Details kenne ich nicht.
Hat das Auswärtige Amt Sie gefragt, ob Sie als internationale
Prozessbeobachterin nach Vietnam fahren?
Dazu möchte ich nichts sagen.
Ein Dementi klingt anders.
Das Auswärtige Amt fordert ein rechtsstaatliches Verfahren, und ich
unterstützte alles, was die deutsche Regierung getan hat und noch tun wird,
um die Situation meines Mandanten zu verbessern. Ich habe den Eindruck,
dass auch in Vietnam inzwischen angekommen ist, dass es besser ist, den
Konflikt mit Deutschland zu befrieden. Vielleicht sieht das nicht jeder
Politiker so, aber es gibt diese Einsicht. Vietnam hat erstens gehofft,
dass die Entführung unbemerkt bleibt und hat zweitens gehofft, dass die
Sache nach den Bundestagswahlen in Vergessenheit gerät. Beides ist nicht
eingetreten. Die Aussetzung der strategischen Partnerschaft durch die
Bundesregierung wurmt Hanoi schon.
17 Dec 2017
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[1] /Mutmassliche-Entfuehrung-in-Berlin/!5467467
## AUTOREN
Marina Mai
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