# taz.de -- Prozess gegen Rechtsterroristen: Der „Lasermann“ fühlt sich al… | |
> Seine Anschlagsserie in Schweden gilt als Blaupause des | |
> rechtsterroristischen NSU. Jetzt steht John Ausonius in Frankfurt vor | |
> Gericht. | |
Bild: Rechtsanwalt Joachim Bremer und der Angeklagte Alexander Ausonius (v.l.) … | |
FRANKFURT AM MAIN taz | „Ich hoffe, dass ich hier nicht als Sündenbock | |
geopfert werde“ – vor dem Frankfurter Landgericht gibt sich der in Schweden | |
bereits wegen Mordes verurteilte Angeklagte John Wolfgang Alexander | |
Ausonius, der „Lasermann“, als Opfer, mitnichten als Täter. | |
Elfmal hat er in den Jahren 1991 und 1992 aus dem Hinterhalt in Schweden | |
gezielt auf Männer mit Migrationshintergrund geschossen. Eines seiner | |
Opfer, der damals 34-jährige Iraner Jimmy Rajbar, erlag seinen | |
Verletzungen, andere leiden bis heute an den Folgen. | |
Damals war in Schweden nach Ausonius als dem „Lasermannen“ gefahndet | |
worden. Der Grund für die Namensgebung: Der Täter hatte bei seinen | |
fremdenfeindlichen Anschlägen ein Gewehr mit Laserzieleinrichtung benutzt. | |
Kurz vor seiner Verhaftung im Jahr 1992 soll Ausonius auch in Frankfurt am | |
Main zugeschlagen haben. Vor dem Haus Kettenhofweg 29 habe der Angeklagte | |
die Garderobenfrau Blanka Zmigrod „von hinten erschossen, aus Habgier und | |
heimtückisch“, so klagt ihn Staatsanwältin Naja Böttinger vor der 22. | |
Strafkammer an. | |
Sollte dieser Prozess mit einer Verurteilung zu lebenslanger Haft enden, | |
wird es wohl nichts mit der vorzeitigen Haftentlassung, mit der Ausonius | |
seit Jahren rechnet. Schließlich sitzt er seit 25 Jahren im Gefängnis. | |
Als er am Mittwoch um kurz nach neun in Handschellen Gerichtssaal II | |
betritt, wirkt er gelassen. Vor allem, weil seine Anschlagsserie in | |
Deutschland als mögliche Blaupause der Mordserie des rechtsterroristischen | |
NSU gilt, sind mehr Fotografen und Kameraleute gekommen als | |
Prozessbeteiligte. | |
Stehend lässt sich der Angeklagte ablichten, im Smalltalk mit seinem | |
Verteidiger. Mittlerweile 64 Jahre alt, sind seine Haare ergraut, ebenso | |
wie das einst jungenhafte Gesicht, das nach seiner ersten Verurteilung vor | |
mehr als 20 Jahren das Bild vom „Lasermann“ prägte. Wie damals trägt | |
Ausonius vor Gericht stets Schlips und Kragen. Er ist ordentlich frisiert, | |
tritt höflich und zuvorkommend auf. | |
Auf ihn wartet in Frankfurt ein reiner Indizienprozess. Ausonius kannte | |
das Opfer und war zur Tatzeit in Frankfurt. Fünf Tage vor dem Mord war er | |
mit der Garderobenfrau in Streit geraten. Er hatte ihr vorgeworfen, einen | |
Rechner gestohlen zu haben, auf dem er für ihn wichtige Daten über seine | |
zusammengeraubten Gelddepots gespeichert hatte. Ausonius hat der Frau | |
nachts vor ihrer Wohnung aufgelauert, sie erschossen und ist mit ihrem | |
Fahrrad geflohen, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. | |
Auf Mord steht lebenslange Haft. Bei Vernehmungen hat der von Schweden | |
ausgelieferte Angeklagte versichert, für diesen Mord nicht verantwortlich | |
zu sein. Vor Gericht will er zum „hiesigen Fall“ erst einmal nichts sagen. | |
Es liegt ihm aber offenbar daran, das in seinen Augen „falsche“ Bild | |
zurechtzurücken, das von ihm in der Öffentlichkeit entstanden sei. Deshalb | |
hat der schwedische Staatsbürger, Sohn einer deutschen Mutter und eines | |
Schweizers, seine „Erlebnisgeschichte“ aufgeschrieben. | |
Sein Deutsch ist klar und verständlich, manchmal klingt es etwas | |
bürokratisch. „Ich ziehe die deutsche Sprache vor“, sagt er und verzichtet | |
auf die Simultanübersetzung. Fast eine Stunde lang lässt er sein Leben | |
Revue passieren: von der Scheidung der Eltern und dem Scheitern im | |
Gymnasium bis zu seiner teuren Spielsucht. | |
Er landete, so beschreibt es Ausonius selbst, im „bösen Kreislauf“ von | |
Banküberfällen, um seine Schulden bezahlen zu können, und der Sucht, alles | |
Bargeld gleich zu verspielen. „Ich war doch überzeugt, das sichere | |
Spielsystem gefunden zu haben“, sagt er. Immer wieder neu habe er Hoffnung | |
geschöpft und „am Ende habe ich alles verloren“. | |
Bei der Suche nach den Schuldigen für sein „ökonomisches Elend“ habe er d… | |
Fremden, vor allem die außereuropäischen Zuwanderer, für sich entdeckt. „Es | |
ist besser, wenn die Leute dort von Löwen gefressen werden, als dass sie zu | |
uns kommen“, habe damals ein schwedischer Politiker gesagt. Ihn selbst habe | |
Hass umgetrieben: „Dann bin ich auf Einwanderer los“, so beschreibt | |
Ausonius seine Anschlagsserie, die er selbst „xenophob“ nennt. | |
## Frustration, weil erst das fünfte Opfer starb | |
Nach dem ersten gezielten Schuss auf einen Migranten sei er frustriert | |
gewesen. Denn er habe das Opfer „nur“ in die Hüfte getroffen, so Ausonius | |
am Mittwoch vor Gericht. Erst den fünften Anschlag nennt er „erfolgreich“, | |
weil das Opfer an seinen Schussverletzungen starb. | |
Sein Hass habe sich inzwischen in Scham und Reue verwandelt, versichert | |
Ausonius. Doch kein Wort des Mitleids mit den Opfern und ihren Angehörigen | |
kommt ihm über die Lippen. Stattdessen sinniert er über eine vermeintliche | |
Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren sei. Als er sich entschlossen habe, | |
„zur Ablenkung von seinen Banküberfällen“ auf Männer mit | |
Migrationshintergrund zu schießen, sei man in Schweden bei einer | |
Verurteilung zu lebenslanger Haft bereits nach neun Jahren wieder | |
freigekommen. Inzwischen hätten sich die gesetzlichen Bestimmungen und die | |
Praxis gewandelt: „Hätte ich gewusst, dass man nicht nur neun Jahre, | |
sondern viel länger einsitzen muss, wäre ich das Risiko nicht eingegangen“, | |
gibt der scheinbar reuige Täter in Frankfurt zu Protokoll. | |
Die ProzessbeobachterInnen wirken nach seinen Ausführungen eher ratlos. | |
„Ein netter Mörder halt“, sagt einer auf der Zuschauertribüne und schütt… | |
den Kopf. Der erste Prozesstag endet mit einem formalen Antrag. Verteidiger | |
Joachim Bremer verlangt die Einstellung des Verfahrens. Die „rechtswidrige | |
Verzögerung“ der Ermittlungen verstößt nach seiner Überzeugung gegen die | |
Europäische Menschenrechtskonvention. | |
Seit 1996 lägen die Indizien, die Grundlage des Prozesses, unverändert auf | |
dem Tisch. Weil sie offenbar nicht ausgereicht hätten, habe die | |
Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zunächst eingestellt. Erst als der | |
Linken-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi 2014 die Bundesregierung nach den | |
Ermittlungen im Fall Zmigrod gefragt und mögliche Parallelen zu der | |
NSU-Mordserie thematisiert habe, sei der Fall erneut aufgegriffen worden, | |
„auf Druck aus Berlin“. | |
Für Bremer ist maßgeblich: „Man hätte früher für Klarheit sorgen können… | |
Am kommenden Dienstag wird die Strafkammer nun bekannt geben, ob der | |
Prozess bereits am Ende ist, bevor er richtig begonnen hat. | |
13 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
Schweden | |
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Landgericht Frankfurt | |
Frankfurt | |
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