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# taz.de -- Aktion gegen Primark in Stuttgart: Konsumkritik durch Konsum
> Ein Kaufhaus in Stuttgart fordert dazu auf, gekaufte Kleidung vom neu
> eröffneten Primark in die Tonne zu werfen. Ein sinnloser Einsatz.
Bild: So geht echter Protest: Indem man über Missstände informiert
Berlin taz | In der Königstraße in Stuttgart eröffnete am Dienstagvormittag
eine neue Filiale des Kleidungsdiscounters Primark. Dem direkt daneben
ansässigen Kaufhaus Mitte gefällt das – verständlicherweise – nicht.
Herstellung und Qualität der Primark-Produkte sind fragwürdig. Viele Läden
können zudem mit den Ramschpreisen des Discounters nicht mithalten. Deshalb
startete das Kaufhaus gemeinsam mit einem Café pünktlich zur Neueröffnung
[1][eine Aktion gegen Primark].
Das sieht dann so aus: Kund*innen sind dazu aufgefordert, ihre bei Primark
erworbenen Waren gleich in eine Tonne zu werfen, die strategisch günstig
vor dem Kaufhaus Mitte platziert ist. Die so weggeworfenen Kleidungsstücke
sollen dann an „Bedürftige“ gegeben werden – außerdem werde der
Verkaufswert gespendet, so das Kaufhaus.
Im Klartext: Als Boykott gegen Primark sollen die Stuttgarter*innen
zunächst einmal dort shoppen. Das könnte man zumindest so interpretieren,
der Inhaber des Kaufhauses Mitte sieht das anders: „Wir rufen nicht dazu
auf bei Primark einzukaufen, sondern wollen mit der Aktion Leute
ansprechen, die dort sowieso einkaufen“, sagte Daniel Brunner der taz. Dass
die Kund*innen damit für Umsatz am Eröffnungstag sorgen – das scheint in
seiner Argumentation völlig irrelevant.
Statt das Gekaufte selbst zu behalten, sollen die Shopper*innen es
anschließend lieber direkt wegschmeißen. Denn die Kleidung ist ja ohnehin
für die Tonne gemacht, so die Logik.
## Politisch motiviert oder Werbegag?
Als Konsumkritik eignet sich die Aktion nicht. Um ihr Konsumverhalten zu
hinterfragen, sollen die Stuttgarter*innen einkaufen gehen? Ein Ziel der
Aktion ist außerdem sicherlich auch, auf die bessere Qualität der Produkte
im Kaufhaus Mitte hinzuweisen. „Unser Konzept ist es unter anderem, vielen
lokalen, regionalen und kleinen Labels eine Plattform zu bieten“, so
Brunner. „Und das direkt in der Haupteinkaufsstraße, in der es sonst fast
nur noch große Ketten gibt.“ Eine scheinbar politisch motivierte Aktion als
Werbegag.
Ein weiteres großes Fragezeichen: Warum sollen die Kleidungsstücke an
„Bedürftige“ gespendet werden? „Wenn wir einen Käufer zur Einsicht bewe…
und er ein gerade gekauftes Teil in die Tonne wirft, sollten wir dieses
wiederverwerten“, meint Brunner dazu. Frei nach dem Motto: Was für uns
Kaufkräftige zu schlecht ist, ist für andere noch gut genug.
Direkt vor der neuen Primark-Filiale protestierten am Dienstagvormittag
knapp zehn Menschen mehrerer Gruppierungen für bessere Arbeitsbedingungen
bei der Textilproduktion. „Wir haben die gleichen Ziele wie die Protestler
und können sie nur auffordern, sich mit uns zusammen zu setzen“, sagte ein
Unternehmenssprecher der deutschen Presseagentur. Primark bedauere einen
fehlenden Dialog zwischen Aktivist*innen und Unternehmen. Die Vorwürfe der
Kinderarbeit und Wegwerfmode seien „nicht haltbar und falsch“, so der
Primark-Sprecher.
Wie die Demonstrant*innen auf Probleme mit Primark-Produkten hinzuweisen
und potenzielle Kund*innen umfassend zu informieren, ist wesentlich
nachhaltiger als der Einsatz des Kaufhauses Mitte. Konsumkritik durch das
Wegschmeißen der gekauften Produkte – das funktioniert einfach nicht.
5 Dec 2017
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/events/1764872590481171/
## AUTOREN
Belinda Grasnick
## TAGS
Primark
Textilindustrie
Textil-Discounter
Arbeitsbedingungen
Konsum
Fairer Handel
Gisela Burckhardt
Textilarbeiter
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