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# taz.de -- Beatrix von Storch zeigt Kunstprojekt an: Den Provokationsköder ge…
> Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch zeigt das „Märtyrermuseum“ an. Das
> Kunstprojekt stellt 20 verschiedene Märtyrer vor.
Bild: Installationsansicht „Märtyrermuseum“ im Kunstraum Kreuzberg/Bethani…
Im Internet tost der Empörungssturm, an dem Ort, auf den sich zahlreiche
Hass-Posts beziehen, ist es ruhig. Nur fünf Menschen haben sich am
Sonntagnachmittag für die auf maximal sieben Personen ausgelegte
einstündige Session im „Märtyrermuseum“ der dänischen Künstlergruppe TO…
– The Other Eye of The Tiger eingefunden. Das Museumsprojekt ist Teil des
Berliner Festivals „Nordwind“.
Es ist gegenwärtig in vieler Munde, weil Beatrix von Storch Anzeige wegen
Verherrlichung und Legitimierung von islamischem Terrorismus gestellt hat.
Die AfD-Politikerin hat sich, so versichert Kuratorin Ricarda Ciontos der
taz, das Museum gar nicht angesehen. Die Anzeige basiert auf Mutmaßung.
Meinungsbildend ist sie dennoch. Über „linksgrünes nichtsnutziges
Kulturgesindel“ wird im Blog unter der Meldung der Anzeige hergezogen. In
einem anderen Blog ähnlicher Güte wird dem „linksextremistischen
Establishment“ vorgeworfen, den Islamischen Staat zu den „unterdrückten
Völkern dieser Welt“ zu zählen. Staat gleich Volk – auf diese Analogie mu…
man auch erst mal kommen.
Was genau ist im „Märtyrermuseum“ zu sehen? Es ist ein Kunstprojekt, das
mit der Typologie Museum spielt. Die dort präsentierten Artefakte – ein
Kreuz des von der SS 1941 im KZ Auschwitz ermordeten christlichen Märtyrers
Maximilian Kolbe, eine zerschmolzene Computertastatur aus dem beim Anschlag
von 9/11 eingestürzten New Yorker World Trade Center und der
Gesichtsabdruck der Moskauer U-Bahn-Attentäterin Dschennet Abdurachmanowa –
sind allesamt keine Originale, sondern kunsthandwerklich hergestellte
Objekte.
Ihnen werden per Kurzbiografie 20 Märtyrer beziehungsweise Märtyrergruppen
aus unterschiedlichen Epochen und Kulturkreisen zugeordnet, historisch
beginnend beim antiken Philosophen Sokrates und über den von den Schiiten
verehrten Iman Hussein, Jeanne d’Arc und den buddhistischen Mönch Thich
Quang Duc beim Bataclan-Attentäter Omar Ismael Mustafa endend.
## Stille und Dunkelheit
Einzelne Biografiefragmente werden akustisch inszeniert. Beim
Bataclan-Attentäter geht eine Lichtorgel an, die wohl das Pariser Konzert
nachempfinden will. Über diese künstlerische Setzung darf man streiten.
Danach herrschen Stille und Dunkelheit. Von einer Feier oder gar
Verherrlichung des Attentäters kann jedoch keine Rede sein. Frau von Storch
irrt aus der Distanz.
Sie hat dankbar den von den Künstlern ausgelegten Provokationsköder
geschluckt. Natürlich ist es irritierend, wenn Märtyrer sehr
unterschiedlicher Provenienz in einem Raum vereint werden. Frühchristliche
Märtyrer wurden ihres Glaubens wegen getötet, sie rissen dabei aber niemand
anderen mit in den Tod. Spätere Märtyrer, der Tscheche Jan Palach etwa oder
Thich Quang Duc, zündeten sich selbst an, um auf schreiendes Unrecht in
ihren Gesellschaften hinzuweisen. Islamistische Märtyrer unserer Zeit töten
bei Selbstmordattentaten viele andere Menschen. Dies ist ihr Ziel. Es gibt
Rechtssprüche islamischer Gelehrter, die dies billigen, und Rechtssprüche
anderer islamischer Gelehrter, die dies verurteilen und
Selbstmordattentäter in der Hölle sehen.
Märtyrer als duldende Leidende versus Märtyrer, die selbst wahrscheinlich
auch an den Zuständen leiden, dann aber zur Mordtat schreiten – das ist ein
beträchtlicher Unterschied. Die Empörung darüber, all diese Figuren in
einem Raum zu sehen, ist so nachvollziehbar, wie die Provokationsstrategie
der Künstler durchsichtig ist.
Einen interessanten Aspekt gibt es aber doch. Mit einem Zitat des
britischen Historikers Paul Middleton wird betont, dass die Instanzen, die
einen Tod mit dem Märtyrerstatus adeln, größeres Gewicht haben als die
Toten selbst. Der Narrator hat mehr Macht als der Protagonist – eine
erzähltechnische Banalität, die in diesem Kontext aber bedenkenswert ist.
Man sollte daher eher über die Anmaßung streiten, die in den
Märtyrererklärungen von Terrorgruppen wie IS und al-Qaida liegt – und,
besser noch, Attentate überhaupt verhindern helfen –, anstatt die Kanonen
der Justiz und das verunglimpfende Social-Media-Sperrfeuer auf Personen zu
richten, die Fragen nach den Martyriums-Instanzen stellen.
5 Dec 2017
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Beatrix von Storch
Kunst
Junge Alternative (AfD)
Schwerpunkt AfD in Berlin
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