# taz.de -- Anschlag auf Moschee in Ägypten: Opferzahl steigt auf 305 | |
> Wahrscheinlich steht der IS hinter der blutigen Attacke auf eine Moschee | |
> in Nord-Sinai. Die ägyptische Armee will hart zurückschlagen. | |
Bild: Zwei Dutzend Angreifer sollen durch Fenster auf die Betenden geschossen h… | |
KAIRO taz | Es ist nicht klar, wie viele der Einwohner des 3.000 Einwohner | |
zählenden Dorfes Rawda im Nord-Sinai überhaupt den Eiffelturm kennen, und | |
wenn dann nur über das Fernsehen. Wahrscheinlich haben sie auch gar nicht | |
mitbekommen, dass der Eiffelturm Freitagnacht in Solidarität mit ihrer | |
Trauer um mindestens 305 Toten, darunter 27 Kinder, kurzzeitig seine | |
Beleuchtung ausgeschaltet hatte. | |
Die Bewohner hatten auch anderes zu tun. Sie begruben ihre Toten in einem | |
kollektiven Massengrab. Fern aller Öffentlichkeit. Denn Journalisten ist | |
der Zugang zum Nord-Sinai untersagt. Der ägyptische Präsident Abdel Fatah | |
El-Sisi hat angekündigt, an der Moschee ein Mausoleum für die Toten | |
errichten zu lassen. | |
Der oberste ägyptische Staatsanwalt hat inzwischen mehr Details über den | |
Anschlag bekannt gegeben. Danach soll es sich um 25 bis 30 Angreifer | |
gehandelt haben, die bei sich eine schwarze IS-Flagge getragen haben | |
sollen. Die Attentäter hätten durch zwölf Fenster das Feuer auf die in der | |
Moschee Betenden eröffnet. | |
Offensichtlich gab es im Vorfeld eine Warnung gegen die Moschee. Das | |
berichten die Einwohner des Dorfes Rawda, in dem sich die Moschee befindet. | |
Die Dorfbewohner seien von den militanten Islamisten gewarnt worden, keine | |
sufistischen Rituale in der Moschee mehr abzuhalten. Sufis folgen einer | |
spirituellen mystischen Lesart des Islams. Die militanten Islamisten, die | |
einer rigideren Interpretation des Islam folgen, betrachten die Sufis als | |
Abtrünnige und gerade in ihrem spirituellen friedlichen Sufi-Ansatz als | |
eine Konkurrenz zu ihrer militanten Dschihad-Ideologie a la „Islamischer | |
Staat“. | |
## IS-Hinweise verdichten sich | |
Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass der IS hinter dem Anschlag | |
steht, nicht nur wegen der Berichte über die IS-Flagge. Im Internet | |
kursiert ein Bekennerschreiben eines IS-Ablegers im Sinai, dessen | |
Authentizität bisher aber noch nicht bestätigt wurde. Darin kündigt die | |
Gruppe an, in Kürze ein Video über den Anschlag zu veröffentlichen. | |
Der [1][Anschlag hatte eine für Ägypten neue Qualität], da jetzt erstmals | |
eine Moschee voller Betender während Freitagsgebet angegriffen wurde. Die | |
meisten Aktivitäten der militanten Islamisten im Nordsinai richten sich | |
gegen Sicherheitskräfte, also Polizei und Armee. Mehrere hundert Angehörige | |
der Sicherheitskräfte sind in den letzten Jahren im Nord-Sinai umgekommen. | |
Anfang des Jahres hat der IS dann auch eine Mordserie gegen dort lebende | |
Christen begonnen. Das hatte zu einem Exodus der Christen aus dem Nordsinai | |
geführt. | |
Die Strategie, eine Moschee anzugreifen, ist für die militanten Islamisten | |
ambivalent. Einerseits ist es einfach, eine Moschee in einem entlegenen | |
Dorf im Nordsinai anzugreifen und auf diese Weise eine Schwäche des Staates | |
und der Sicherheitskräfte offenzulegen. Es ist in Ägypten schon schwierig, | |
christliche Kirchen während der Gottesdienste zu schützen. Für die | |
hunderttausende Moscheen im Land ist das unmöglich. Doch andererseits führt | |
ein solcher Angriff auf eine Moschee, genauso wie zuvor die Anschläge gegen | |
Kirchen, zu einem Schulterschluss der ägyptischen Bevölkerung gegen die | |
militanten Islamisten. | |
## Brutale Antwort erwartet | |
Der ägyptische Präsident Abdel Fatah El-Sisi hatte noch am Freitagabend in | |
einer Fernsehansprache angekündigt, den Terroristen brutal zu antworten. | |
Aber die Frage steht im Raum, was der Staat überhaupt noch im Nordsinai | |
machen kann? Die Bombardierungen der ägyptischen Luftwaffe im Nordsinai | |
waren wohl eher eine verzweifelte Machtdemonstration für die ägyptische | |
Öffentlichkeit. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass die ägyptischen | |
Luftwaffe Gebiete im Nord-Sinai bombardiert, der de facto von der Außenwelt | |
abgeschnitten ist. Auch die angekündigten Ausgangssperren sind dort nichts | |
Neues. | |
Das einzige Neue, das im Moment in Sicherheitskreisen diskutiert wird, ist, | |
den Nordsinai vollkommen zu evakuieren. Damit würde man aber Gefahr laufen, | |
den Konflikt in den Rest Sinais oder möglicherweise sogar in das Niltal zu | |
importieren. Die Armee hat es jahrelang nicht geschafft, die Lage im | |
Nordsinai unter Kontrolle zu bringen, in einem Konflikt, der nun schon seit | |
den Zeiten des 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak andauert. Der | |
Kleinkrieg zwischen Sicherheitskräften war in letzten Jahren immer weiter | |
eskaliert, ohne dass die Regierung in Kairo entscheidende Erfolge erzielen | |
konnte. Für den ägyptischen Präsidenten El-Sisi steht auch sein | |
internationales Image als effektiver Antiterrorkämpfer auf dem Spiel. | |
Das Problem ist, dass die ägyptischen Regime von Mubarak bis zu El-Sisi den | |
Nord Sinai allein nur unter Sicherheitsaspekten betrachten und die Region | |
ansonsten vollkommen vernachlässigt haben. Das harte Vorgehen der | |
Sicherheitskräfte hatte zu Beginn Teile der lokalen Bevölkerung in die Arme | |
der Militanten getrieben. Und je stärker die wurden, umso mehr hatte die | |
lokale Bevölkerung Angst, mit den Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten. | |
25 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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