| # taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: You're still in? Wir sind schon raus! | |
| > Der Bund schafft den Kohleausstieg nicht. Wie wäre es mit einem Auftritt | |
| > von Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz, wo keine Kohlemeiler mehr | |
| > rauchen. | |
| Bild: Mit vegetarischen Tofu-Nuggets natürlich! | |
| „Haben wir jetzt eine Regierung?“, fragt unser jüngster Sohn beim | |
| Abendessen. Ich glaube, er will sich nur vom Tofu-Gemüse-Curry auf seinem | |
| Teller ablenken. Seit seit großer Bruder überfallartig vermeldet hat, er | |
| sei jetzt Vegetarier, ist es für den bekennenden Karnivoren nicht so | |
| einfach. „Also regiert Merkel jetzt, oder was?“ Er guckt, wie er guckt, | |
| wenn wir Eltern ankündigen, wir seien über Nacht nicht da. „Sturm“, sagen | |
| unsere Kinder dazu: kein Extremwetterereignis, sondern freier Zugang zu | |
| Kühlschrank und WLAN und das Versagen der Aufsichtsbehörden beim | |
| Zubettgehen. Also quasi Anarchie. So wie es derzeit in Deutschland zugeht. | |
| Mutti ist nicht zu Hause. | |
| Das nutzen die kleinen Strolche natürlich sofort aus. Öko-Babsi zum | |
| Beispiel will einfach mit dem Kohleausstieg anfangen. Die Zentrale | |
| schwächelt, die Kleinen drängen nach. Wie auf der Klimakonferenz in Bonn. | |
| Weil sich die USA offiziell zurückziehen, war das gute Amerika laut und | |
| stark. Die Wir-sind-noch-dabei-Bewegung von 14 US-Staaten, hunderten | |
| Städten und Unternehmen und allem, was klar denken kann, versammelte sich | |
| unter dem Motto „We’re still in!“ Die offizielle Delegation dagegen war | |
| kaum zu hören: „We’re still.“ | |
| Davon können wir lernen. Der Bund schafft den Kohleausstieg nicht – schlimm | |
| genug. Aber wie wäre es mit einem großen Auftritt von Bayern, Thüringen und | |
| Rheinland-Pfalz, wo keine Kohlemeiler mehr rauchen: „We’re already out!“ | |
| Horst Seehofer erscheint auf einer internationalen Konferenz und | |
| widerspricht Angela Merkel. Würde ihm das nicht gefallen? | |
| Überhaupt: Was hindert „subnationale Einheiten“ (UN-Jargon) daran, sich von | |
| der Hauptstadt oder von der Nachbarprovinz zu distanzieren? Riesige | |
| Tierquälanlagen für Billigfleisch? „Nicht bei uns!“, könnten alle | |
| Bundesländer sagen, die nicht Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder | |
| Brandenburg heißen. Autokonzerne, die Gesetze brechen? Gibt’s in | |
| Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Alle anderen: „Nicht | |
| in unserem Namen!“ Und Atomstrom? Gibt’s nicht im grünen Gürtel zwischen | |
| Saarland, Rheinland, Thüringen und Brandenburg. Und wenn eine steife Brise | |
| weht, kann sich Schleswig-Holstein bald mit 100 Prozent Ökostrom feiern: | |
| „Wir sind schon sauber!“ | |
| Genial auch „The Promise of Provinz“: von Todesfelde im Norden bis | |
| Gammelshausen im Süden, von Drogen in Thüringen, Kotzen in Brandenburg bis | |
| Katzenhirn in Bayern und Hundeluft in Sachsen-Anhalt. Auf dem Land gibt es | |
| bestimmt Probleme, aber Feinstaub und Stickoxide in Straßenschluchten | |
| gehören nicht dazu. Slogan: „Kein Verkehr – keine Fahrverbote!“ | |
| Zurückhalten müsste sich nur ein Ort in MeckPomm: Benzin. | |
| 26 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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