# taz.de -- Am Sonntag ist Dingpflegetag: Das ist doch ein Ding | |
> Vom röhrenden Hirschen bis zum Designklasssiker: Im Werkbundarchiv – | |
> Museum der Dinge findet sich alles, was die Produktkultur hergibt. Paten | |
> gesucht! | |
Bild: Salzstreuer in Form eines Fußballschuhs in Form eines Krokodils | |
Ein Dingpfleger zu werden ist gar nicht schwer. Man muss nicht über | |
technisches Geschick verfügen, um kleinere Reparaturen zu erledigen. Man | |
braucht keine besondere Leidenschaft fürs Putzen. Man braucht nur etwas | |
Geld. | |
Mindestens 40 Euro sind aufgerufen, um so ein Ding in Pflege zu nehmen. Es | |
kann und darf aber auch mehr sein bei dieser Patenschaft, mit der man als | |
Dingpfleger oder Dingpflegerin dem Werkbundarchiv – Museum der Dinge ein | |
wenig unter die Arme greift. Aus rund 200 Objekten aus dessen Sammlung kann | |
mit der Spende ein Ding gewählt werden, für das man ein Jahr lang eine | |
symbolische Pflegschaft übernimmt. Wer es noch genauer wissen will, findet | |
alle Information am Sonntag im Museum der Dinge beim diesjährigen | |
Dingpflegetag. | |
Seit 2006 gibt es in dem Haus in der Oranienstraße diese besondere Form der | |
Spendenakquise. Neben dem dabei gesammelten Geld, sagt die leitende | |
Kuratorin Renate Flagmeier, gehe es dabei auch um eine Besucherbindung. Der | |
Dingpflegetag, ein „Mittel der Öffentlichkeitsarbeit“. | |
Etwa 150 solcher Dingpflegschaften werden jährlich abgeschlossen, von | |
Einzelpersonen oder auch Firmen. Die Spendengelder – in etwa 6.000 Euro – | |
kommen zweckgebunden der Sammlung zugute. | |
## Eine Wunderkammer | |
Mit nach Hause nehmen darf ein Dingpfleger sein Ding, das er ja nur | |
symbolisch in Pflege genommen hat, natürlich nicht. Was durchaus ein | |
Vorteil sein kann, weil zum Beispiel die auch zur Auswahl bereitstehende | |
Fernseh-, Radio- und Phonokombination „Komet 60“ mit ihrer futuristischen | |
Zackigkeit recht ausladend ausfällt und wahrscheinlich eh nicht zur | |
sonstigen Einrichtung passen würde. | |
Mit dem Museum der Dinge aber hat man eben einen Ort für diese ganzen | |
Sachen, die man nicht unbedingt alle bei sich zu Hause haben möchte, die | |
man aber trotzdem gern mal in den Blick nimmt. | |
Und zu gucken gibt es in dem Haus eine ganze Menge. Ein | |
Kuriositätenkabinett. Eine Wunderkammer. Ein Sammelsurium in vollgestopften | |
Schaukästen, zu Dinggärten geordnet. Weckgläser, Vasen, | |
Waschpulverpackungen. Hier versammelt sich alles, was die Produktkultur des | |
20. und 21. Jahrhunderts so hergibt. Röhrende Hirsche und Gartenzwerge in | |
der Abteilung Kitsch. Und natürlich das gute Werkbund-Design – Möbel, | |
Geschirr –, mit dem man den Menschen schon auch irgendwie zu einem besseren | |
machen wollte. | |
Kern der Einrichtung in Kreuzberg ist nämlich das Archiv des Deutschen | |
Werkbundes, und diese 1907 von Künstlern, Industriellen und | |
Kulturpolitikern gegründete Vereinigung wollte durchaus ein Bollwerk gegen | |
den Schund sein. Geschmack wurde – lebensreformerischen Ideen folgend – als | |
eine moralische Angelegenheit betrachtet. | |
## Schund oder guter Geschmack? | |
Gewünscht dabei war die modern-sachliche Gestaltung, frühe Mitglieder des | |
Werkbundes waren zum Beispiel Peter Behrens (der nicht nur mit seiner | |
Architektur das Bild der AEG prägte), Hans Poelzig (das Kino Babylon am | |
Rosa-Luxemburg-Platz ist von ihm), Bruno Taut (beteiligt an der | |
Hufeisensiedlung und Onkel Toms Hütte) oder Henry van de Velde, den man – | |
in Form eines von ihm gestalteten Tellers – auch in Pflege nehmen kann. | |
Im Museum der Dinge steht das alles dicht beisammen. Schund oder guter | |
Geschmack, eine ordnende Polizei will man hier nicht sein. Nichts ist da | |
ehrenvoll als besonderes Prunkstück herausgehoben, selbst veritable | |
Designklassiker wie die Elektrogeräte der Firma Braun – etwa die | |
wunderbare, als Schneewittchensarg bekannte | |
Radio-Plattenspieler-Kombination von Dieter Rams – sind nur ein weiteres | |
Glied in dieser Dingwelt. Alles wimmelt durcheinander, überall lassen sich | |
Bezüge herstellen. | |
Was nun der Schund ist und was eine vorbildhafte Gestaltung, das muss man | |
schon für sich selber ausmachen. Und ob manches Designerstück nicht | |
vielleicht doch nur Plunder ist. | |
Etwas Zuwendung aber können alle diese vielen Dinge wirklich gut brauchen. | |
Weswegen man im Werkbundarchiv – Museum der Dinge den alljährlichen | |
Dingepflegetag natürlich mit Kalkül immer auf Anfang Dezember legt. Ist ja | |
eine Zeit der Entscheidungen. Und so eine Dingpflegeschaft, meint man im | |
Museum, sei ein durchaus geschmackvolles Geschenk zum Fest. | |
3 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
## TAGS | |
Verschwindende Dinge | |
Gegenstände | |
Alltagsleben | |
Bauhaus | |
taz.gazete | |
Verschwindende Dinge | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ausstellungsempfehlung für Berlin: Seltsame Dingwelt | |
Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge stellt mit seinem „Kabinett des | |
Unbekannten“ gewohnte Hierarchien der Wissensvermittlung infrage | |
taz-Serie Verschwindende Dinge (Ende): „Ein Gefühl von Vertrautheit“ | |
Souvenirkitsch und Durchsteckschlüssel: 40.000 Objekte lagern im Museum der | |
Dinge. Kuratorin Renate Flagmeier erzählt, was eine Gesellschaft von Dingen | |
lernen kann. | |
Patenprogramm im Museum der Dinge: Wie man Beziehungen zu einer Fischdose knüp… | |
Am Sonntag treffen sich erstmals die "Dingpfleger" der Objekte im Museum | |
der Dinge. |