# taz.de -- Spielbetrug mittels Jod-125: Strahlendes Spielerglück | |
> Mit radioaktiv markierten Spielkarten versuchen auch in Berlin | |
> Falschspieler zu täuschen. Das gezinkte Glück geht aber auf Kosten der | |
> Gesundheit. | |
Bild: Welche der Spielkarten ist gezinkt? Hoffentlich keine! | |
Radioaktiv verseuchte Spielkarten? Gibt es nicht! Gibt es doch: Vergangene | |
Woche fand die Polizei 13 mit radioaktivem Jod-125 verseuchte | |
Kleinteilchen, die in Spielkarten gestanzt waren, in einem Restaurant in | |
einem Asiamarkt in Hohenschönhausen. Restaurant und eine daran grenzende | |
Treppe wurden zunächst durch eine Fachfirma versiegelt. | |
Inzwischen sind die Räume gereinigt und wieder zugänglichDie Polizei | |
ermittelt gegen die 41-jährige Vietnamesin, in deren Restaurant mit den | |
kontaminierten Karten gespielt worden sein soll, wegen der Freisetzung | |
ionisierender Strahlen und illegalem Glücksspiel. Die Frau ist auf freiem | |
Fuß. Die Tat konnte ihr nicht eindeutig zugeordnet werden. Nach | |
taz-Recherchen läuft das Restaurant zwar auf ihren Namen, die Fäden zieht | |
allerdings ein männlicher Vietnamese. | |
Durch einjährige akribische Polizeiarbeit waren die Ermittler auf die Spur | |
des Restaurants gekommen. Vor einem Jahr war bei einer Routinekontrolle in | |
einer Abfallbehandlungsanlage in Rüdersdorf östlich von Berlin im November | |
radioaktive Strahlung in einem Müllauto aufgefallen. Ermittler fanden in | |
dem Fahrzeug ausgestanzte Teile von Spielkarten, die mit Jod-125 belastet | |
waren. Nachforschungen zum Tourenplan des Müllfahrzeugs, die Untersuchungen | |
des Abfalls, das es transportiert hatte, und weitere Hinweise führten zu | |
dem Asiamarkt in Hohenschönhausen. | |
Polizeisprecherin Konstanze Dassler beschreibt den Spielbetrug wie folgt: | |
Durch einen verdeckt am Körper getragenen Detektor kann der betrügende | |
Spieler erkennen, welche Karten markiert sind, und sich so beim Glücksspiel | |
einen Vorteil verschaffen. Glück im Spiel kann dann aber gesundheitliches | |
Pech zur Folge haben: Der unmittelbare Kontakt mit der verseuchten Karte | |
ohne Schutzkleidung könne zu Kontaminierungen führen, so die | |
Polizeisprecherin. Jod-125 ist ein Nuklid, das in der Medizin verwendet | |
wird, etwa bei Schilddrüsenuntersuchungen. | |
## Schwindel und Bewusstlosigkeit – und Krebs | |
Laut Dassler ist ein solcher Fall ihrer Behörde zum ersten Mal begegnet. Er | |
habe großes Erstaunen bei allen Kollegen ausgelöst. In fernöstlichen | |
Ländern dagegen ist die Manipulation mit radioaktiv verseuchten Spielkarten | |
seit mindestens 2014 bekannt. Detektoren und die radioaktiven | |
Spielkartenteile, die wegen der geringen Halbwertzeit öfter erneuert werden | |
müssen, werden im Internet offen angeboten. Vietnamesische Wissenschaftler | |
warnen vor Gesundheitsrisiken. | |
2014 schrieb der Nuklearwissenschaftler Luu Hanh Dung aus | |
Ho-Chi-Minh-Stadt: „Bei direktem Hautkontakt können bei infizierten | |
Personen Krebs, Schwindel und Bewusstlosigkeit auftreten.“ Atmeten | |
Schwangere radioaktive Substanzen ein, könnten Geburtsfehler auftreten. Bei | |
empfindlichen Menschen könne das Einatmen zu Übelkeit, Müdigkeit und | |
Hautproblemen führen. | |
Ein Fall aus Polen aus dem Jahr 2014 wird im Lichte der Manipulation in | |
Berlin neu bewertet werden müssen: Damals hatte die Polizei in Warschau im | |
Gepäck eines aus Vietnam eingereisten Mannes kleine radioaktive | |
Metallteilchen gefunden, in einer Zigarettenschachtel versteckt und mit | |
jenem Jod-125 verunreinigt, das jetzt hier in den Spielkarten auftauchte, | |
zudem mit Strontium-90. | |
Die polnische Polizei ging damals von einem geplanten Anschlag aus, weil | |
die Substanz beim Rauchen zu schweren Gesundheitsschäden hätte führen | |
können. Wegen der deutschsprachigen Aufschrift auf der Zigarettenschachtel | |
schlossen die Ermittler in Warschau nicht aus, dass die Ware für den | |
deutschen Markt bestimmt gewesen sein könnte. Vielleicht ging es ja gar | |
nicht ums Rauchen, sondern um Spielbetrug? | |
4 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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