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# taz.de -- Weltspitze beginnt in der Kita: Mini-Athleten mit Schläger
> Wer es an der Tischtennisplatte mit den Chinesen aufnehmen will, muss
> früh anfangen. Niedersachsens Tischtennisverband testet die Förderung im
> Kindergarten.
Bild: Früh übt sich: Niedersachsens Tischtennisverband will schon Kindergarte…
HANNOVER taz | Plötzlich ist da dieser Hai. Von der Nasenspitze bis zur
Schwanzflosse misst er gut einen Meter. Sein Maul ist weit aufgerissen, die
Zähne blitzen. Doch die Eisbären, Löwen, Katzen und Igel, die juchzend
umherwuseln, schreckt das nicht. Sie haben ja auch etwas in der Hand, einen
kleinen Tischtennisschläger – und sie besitzen den unbedingten Willen, dem
Hai ordentlich Futter zu geben.
In der Hannoveraner Kita geht es kurz nach dem Morgenkreis hoch her im
Bewegungsraum. Voller Eifer feuern die Kinder dem Hai aus Pappmaché, der an
einer Wand angebracht ist, Tischtennisbälle in den Schlund. Nina Tschimpke
hilft den Vier- und Fünfjährigen bei der richtigen Schlägerhaltung, gibt
Tipps, lächelt oft. „Da ist dann schon ordentlich Action. Manchmal ist es
auch ein bisschen chaotisch, aber es macht viel Spaß“, sagt die 34-Jährige,
die mit Oliver Stamler und Christiane Praedel das Mini-Athleten-Projekt
entwickelt hat.
Natürlich gehe es grundsätzlich darum, bei den Kindern eine Verbesserung im
allgemein-motorischen Bereich zu erzielen, sagt Tschimpke, die als
Ergotherapeutin mit verhaltensauffälligen Kindern arbeitet. Das
Mini-Athleten-Projekt hat auch eine andere Dimension und verfolgt einen
leistungssport-orientierten Ansatz.
## Weltklassespieler fangen mit 5,8 Jahren an
Studien haben ergeben, dass Weltklassespieler durchschnittlich im Alter von
5,8 Jahren mit dem Sport angefangen haben. Aufgrund dieser Statistik hat
die Stiftung Compass Konzepte für die Förderung junger Tischtennisspieler
entwickelt. Vor allem das Kindergartenprojekt des Tischtennis-Verbandes
Niedersachsen (TTVN), das Tschimpke als Landestrainerin betreut, wird viel
beachtet.
„Wir müssen früher anfangen. Irgendwie sind wir zu spät dran. Und deshalb
gehen wir in die Kindergärten“, sagt Tschimpke, die im Jahr 2000 mit dem
TTFC Burgwedel den Aufstieg in die Bundesliga geschafft hat. Jeden
Donnerstag besucht sie zusammen mit jemanden, der gerade ein Freiwilliges
Soziales Jahr absolviert, eine Kindertagesstätte im Raum Hannover. Dann
geht es vor allem um Auge-Hand-Koordination und die Vermittlung der
richtigen Technik. An der Platte wird in den Kitas – bis auf eine Ausnahme
– nicht gespielt, das findet bei Besuchen in den Sporthallen statt. Die
Einheiten in den Bewegungsräumen der Kita dauern 45 Minuten. „Wir wollen
dann Begeisterung schaffen“, sagt Tschimpke.
So sehr der Wunsch dahinter steht, es in Zukunft auf dem allerhöchsten
Tischtennis-Niveau weiterhin mit den Chinesen – den besten der Welt in dem
Sport – aufnehmen zu können, so weit sind die Übungen von jenen
Trainingsmethoden entfernt, die in China oft eingesetzt werden. Statt Drill
und Disziplin geht es in den Hannoveraner Kindertagesstätten um Spiel und
Spaß.
## 150 Tischtennisbälle springen durch den Raum
„Wir bauen zunächst einen Bewegungsparcours auf, es geht viel um visuelle
Wahrnehmungen“, sagt Tschimpke. Sie legt Wert darauf, dass Übungen in
„Geschichten eingepackt“ werden, wie sie es formuliert. „Dann geht es zum
Beispiel darum, dass ganz viele Fische aus dem Aquarium ausgebüxt sind. In
jenem Moment springen 150 Tischtennisbälle durch den Raum. Es gilt dann,
diese Fische zurück ins Aquarium zu tippen. Oder die Bälle sind Quallen,
die im Wasser schweben. Dies wird simuliert, indem die Kinder mit dem
Schläger den Ball hochhalten.“
Das Mini-Athleten-Projekt hat über Deutschland hinaus Beachtung gefunden.
In Schweden, das so große Spieler wie Jan-Ove Waldner und Jörgen Persson
hervorgebracht hat, zeigte sich der nationale Verband sehr interessiert.
Die Hannoveranerin wurde nach Stockholm eingeladen, um dort an einer
Grundschule in einer Übungsstunde mit Erstklässlern ihr Projekt
vorzustellen. Im kommenden Jahr steht ein weiteres Treffen mit den Schweden
an. „Das wird für uns interessant werden, welche Erfahrungen sie dort
gemacht haben“, Tschimpke.
Möglicherweise hängt ja auch in einer Stockholmer Kita im Bewegungsraum ein
Hai an der Wand, der ab und an mit Tischtennisbällen gefüttert wird.
4 Dec 2017
## AUTOREN
Christian Görtzen
## TAGS
Tischtennis
Leistungssport
Förderung
Leistungssport
Dimitrij Ovtcharov
Tischtennis
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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