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# taz.de -- Frauen-Handball-WM: Die letzte Chance für den großen Wurf
> Das deutsche Frauenhandballnationalteam zählt vor WM-Beginn wieder zu den
> Medaillenkandidaten. Das liegt auch an Trainer Michael Biegler.
Bild: Hofft auf Einsätze bei der WM: Emily Bölk
Leipzig taz | Wenn der Lehrer seine Schülerinnen beobachtet, nimmt er sich
einen Stuhl, stellt ihn an die Mittellinie, setzt sich verkehrt herum
darauf und verschränkt seine Arme über der Rückenlehne. Danach übertönt die
Stimme von Michael Biegler das Quietschen der Turnschuhe und das dumpfe
Geräusch, wenn die Körper der Handballnationalspielerinnen
ineinanderkrachen.
Mit kurzen und klaren Sätzen kommentiert der Bundestrainer die Übungen
seiner „Ladys“, wobei sich Lob und Tadel vermischen. Die Intensität, mit
der die Spielerinnen trainieren, ist atemberaubend, und die Art, wie sie
dabei von Biegler angeleitet werden, stringent.
Das Ziel, auf das Trainer und Mannschaft hinarbeiten, ist groß, denn bei
der Weltmeisterschaft im eigenen Land sollen und müssen die Frauen des
Deutschen Handballbundes (DHB) Werbung für ihre Sportart machen. Biegler
soll dafür sorgen, dass die Auftritte der Frauennationalmannschaft ab dem
Auftaktspiel am Freitag gegen Kamerun schön und erfolgreich sind.
Das Erreichen des Halbfinals und damit der Sprung in die Weltspitze sind
die Ziele. Dafür wurde er vor 20 Monaten als Trainer installiert. Jetzt
soll die Heim-WM als Zeugnis seines Tuns dienen und wird gleichzeitig seine
Abschiedsvorstellung sein.
## Die Zeit ist knapp
„Die Arbeit mit den Ladys war von Anfang an als Projekt über 20 Monate
geplant“, sagt Biegler in einer der Trainingspausen. Jetzt, in der direkten
Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft, ist er voll darauf fokussiert, die
wenigen Tage bis zum Beginn der Vorrunde optimal zu nutzen. Der
Handball-Lehrer weiß, dass die Zeit knapp ist. Gleichzeitig trägt er die
Überzeugung in sich, dass er seine Spielerinnen individuell und als Team
bis zum Auftaktmatch in der Arena in Leipzig auf ein Niveau heben kann, das
für eine erfolgreiche WM nötig sein wird.
Im April 2016 begann das Miteinander zwischen Biegler und dem DHB, die
Frauen hatten bei der Europameisterschaft 2014 den 10. und bei der WM 2015
den 13. Platz belegt – eine Fortentwicklung gab es nicht. Die Zeit bis zur
Weltmeisterschaft im eigenen Land wurde knapp und die Gefahr einer Blamage
groß. „Das ist die letzte Chance für den Frauenhandball. Wenn das nicht
funktioniert, dann kann man die Tür abschließen“, formulierte
DHB-Vizepräsident Bob Hanning mit Blick auf die WM die Ausgangssituation
plakativ, und deshalb verpflichtete der Verband Biegler.
Biegler sagte nach einiger Bedenkzeit zu und machte sich anschließend
daran, aus einem Team des Mittelmaßes eine Mannschaft zu formen, die eine
realistische Perspektive hat, die Verbandsvorgabe WM-Halbfinale zu
erfüllen. Die bisherige Wegstrecke dorthin war in der Rückschau einfach und
gleichzeitig ungewöhnlich: Biegler behandelt seine Spielerinnen nicht
anders, als er das bei den Männern machen würde. „Das ist ja keine andere
Sportart“, begründet der Trainer seine Herangehensweise, die nur ein paar
wenige kleinere Modifikationen im Vergleich zu seiner langjährigen
Tätigkeit im Männerbereich vorsah.
## Hundert Prozent Vertrauen
Biegler fordert seine Spielerinnen und förderte sie dadurch intensiv.
Daraus erwuchs ein Respekt für den nach außen hin oft schroff wirkenden
Trainer, hinter dessen Fassade Herzlichkeit, Empathie und viel rheinischer
Humor stecken. Weil die Europameisterschaft im vergangenen Dezember mit dem
6. Platz endete, die DHB-Frauen nur knapp das Halbfinale verpassten, und
die Arbeit des neuen Trainers mit guten Resultaten unterfüttert wurde,
glauben die Spielerinnen an die Sinnhaftigkeit der Arbeit von Biegler.
Dieses Vertrauen ist das größte Faustpfand. Wenn eine Mannschaft ihrem
Trainer aus Überzeugung folgt, hat der die bestmögliche Ausgangslage, um
erfolgreich zu arbeiten – und die Nationalspielerinnen vertrauen Biegler zu
hundert Prozent. Der 56-Jährige und die von ihm so genannten „Ladys“ sind
zu einer Einheit verschmolzen.
Der schwere Weg ins WM-Halbfinale wird dadurch gangbarer, wenngleich die
weltbesten Teams schwer zu bespielen sein werden. Besondere Hoffnungen
werden im deutschen Team mit der jüngsten Spielerin Emily Bölk verknüpft.
Die 19-jährige Rückraumspielerin, die bereits vielfach als
Jahrhunderttalent gepriesen wurde, debütierte im Juni 2016 im Nationalteam.
Für Biegler wird das letzte Spiel der WM gleichzeitig ein Abschied sein,
denn Biegler trainiert ab dem 1. Januar den Männer-Bundesligisten SC DHfK
Leipzig. Der Handball-Lehrer hat die Arbeit als Frauencoach von Anfang an
als zeitlich begrenztes Projekt betrachtet, daran ändert auch die
gewachsene gegenseitige Zuneigung nichts.
30 Nov 2017
## AUTOREN
Michael Wilkening
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