# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: In Ein Gedi, Israel | |
> Gundi Shachal und die Perlen des Toten Meeres: Wegen des sinkenden | |
> Wasserspiegels musste der öffentliche Strand von Ein Gedi schließen. | |
Bild: Die israelische Touristenführerin Gundi Shachal | |
Das ganze Ufer ist voller Salzkörner. Umweltschützerin Gundi Shachal hockt | |
auf der israelischen Seite des Toten Meeres und streicht mit den Fingern | |
durch die glasigen Kiesel. „Wir nennen sie die Perlen vom Toten Meer“, sagt | |
Gundi. Seit Jahrhunderten ist der See, der zehnmal so salzig ist wie der | |
Atlantik, als Heilquelle bekannt. Schon antike Herrscher wie König Salomon | |
und Königin Kleopatra badeten sich in dem mineralhaltigen Wasser gesund. | |
Wenn nicht schnell etwas geschieht, könnte damit bald Schluss sein. Das | |
Tote Meer trocknet langsam aus. | |
„Der Wasserspiegel sinkt schon seit etwa 30 Jahren“, sagt Gundi, eine | |
hagere Frau mit dunklen, kurz geschnittenen Haaren. Wegen der | |
Mineralindustrie und durch intensive Landwirtschaft im Jordantal hat der | |
See in 50 Jahren ein Drittel seiner Fläche verloren. Ein Meter pro Jahr | |
sinkt der Wasserstand. „Als ich 1979 ins Kibbuz Ein Gedi kam, ging das | |
Wasser bis zur Hauptstraße. Heute kann man schon einen Kilometer weit | |
laufen.“ | |
Der Kibbuz Ein Gedi liegt auf einem Abhang oberhalb des Toten Meeres – eine | |
mit Palmen und Akazien bepflanzte Oase. In den Gründungsjahren war Ein Gedi | |
so etwas wie ein sozialistischer Stadtstaat. Die Einwohner verdienten als | |
Landwirte den Lebensunterhalt, alle Einkünfte gingen an den Kibbuz. | |
Seit den 80er Jahren hat sich das Leben hier verändert. Viele | |
Einfamilienhäuser wurden privatisiert. Die Einwohner leben vom Tourismus. | |
Wegen des sinkenden Wasserspiegels im Toten Meer musste der öffentliche | |
Strand von Ein Gedi vor ein paar Jahren schließen. Da sich die stützende | |
Salzschicht im Boden löst, bilden sich Senklöcher. 4.000 solcher Löcher | |
seien allein am westlichen Ufer entstanden, erzählt Gundi. 300 kommen jedes | |
Jahr dazu. | |
Gleich hinter dem Salzstrand beginnt eine dunkle Kraterlandschaft, die sich | |
längs des Ufers zieht. Ein falscher Schritt und man fällt hinein. Die | |
Senklöcher bilden sich ganz plötzlich. Einmal wurde ein Forscher von der | |
Erde verschluckt, sagt Gundi. „Er wartete 14 Stunden lang in dem Graben auf | |
Hilfe.“ Auch Dattelplantagen, Campingplätze und Straßen sind schon | |
zusammengebrochen. Doch Gundi weiß, wie man sich durch das Gebiet bewegt. | |
Sie bietet regelmäßig Ökotouren zu den Senklöchern an. | |
Sollte es so weitergehen, befürchtet Gundi ernste Folgen: „Der öffentliche | |
Strand hat früher Tausende Urlauber hierher gebracht.“ Mittlerweile fahren | |
die Familien lieber ans Mittelmeer. „Es fühlt sich so an, als würde uns die | |
Lebensgrundlage genommen.“ | |
2018 will Jordanien mit dem Bau einer 180 Kilometer langen Pipeline vom | |
Golf von Akaba ins Tote Meer beginnen. Meerwasser wird entsalzt, um die | |
Landwirte zu entlasten – und das Tote Meer wieder aufzufüllen. Gundi bleibt | |
nur zu warten. | |
26 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Philipp Eins | |
## TAGS | |
Reiseland Israel | |
Wasser | |
Wüste | |
Reiseland Australien | |
Übersetzer | |
Israel | |
Israel | |
Erdgas | |
Mittelmeer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Unter Leuten: Traumjob im australischen Gladstone | |
Natur pur. Und immer an der frischen Luft. So stellt man sich das Leben als | |
australischer Ranger vor. Die Realität sieht ganz anders aus. | |
Kolumne Unter Leuten: Übersetzer gesucht auf Ellis Island | |
Es war nur ein kurzer Traum: Im Immigrationmuseum auf Ellis Island wurde | |
ein Übersetzer gesucht. Doch Geld sollte es für den Job nicht geben. | |
Asyl- und Migrationspolitik in Israel: 5.000 Dollar für jeden Geflüchteten | |
Um die Zahl der Einwanderer in Israel zu verringern, will Netanjahu | |
Beziehungen zu Afrika vertiefen. Abkommen dazu sind nach wie vor geheim. | |
Nachruf auf den linken Israeli Jossi Sarid: Eloquent, direkt und zielstrebig | |
Er war Umweltminister, Radiomoderator und Kolumnist. Freunde und Gegner | |
schätzten ihn wegen seiner feinen Sprache und profunden Kenntnisse. | |
Erdgasfeld im Mittelmeer entdeckt: Ein neuer Schatz | |
Der Fund des Feldes vor Ägypten könnte sich als eines der größten Vorkommen | |
weltweit erweisen. Doch das Feld liegt in einer Krisenregion. | |
Historiker über das Mittelmeer: Eine Utopie der Vielfalt | |
Das Mittelmeer zeigt, wie Unterschiede uns voranbringen und uns Grenzen | |
überwinden lassen. Auf lange Sicht muss Europa also die Vielfalt fördern | |
und zulassen. |