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# taz.de -- Turbulenter Hamburger taz-Salon zu G20: „Wir brauchen linke Orte�…
> Zum taz Salon kommt Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ins
> G20-gebeutelte Schanzenviertel – und räumt das teilweise Scheitern seiner
> Sicherheitsstrategie ein.
Bild: Hitzige Debatte über G20: Hamburgs Innensenator Andy Grote war dabei.
Hamburg taz | Um Punkt halb acht fängt das Hubschrauberdröhnen über dem
Hamburger Schanzenviertel an. Das kennen die Menschen hier nicht erst seit
dem G20-Gipfel gut. Ohrenbetäubend. Der taz Salon hat noch nicht
angefangen. Der Saal im Kulturhaus 73 ist brechend voll. Aber ein
Podiumsgast fehlt noch: Innensenator Andy Grote (SPD). Als er den Saal
betritt, geht das Dröhnen weiter, entfernt sich, kommt wieder näher. So
nervtötend wie in jenen Juli-Tagen, um die es an diesem Abend gehen soll.
Grote ist nicht mit dem Helikopter eingeflogen. Und auch jene, die eine
raffinierte Veranstaltungsregie hinter der Beschallung vermuten, liegen
falsch. Es sind die Nachbarn von der Roten Flora, die vom Dach aus ihren
nonverbalen, aber treffenden Kommentar zu den Ereignissen in der Stadt
abgeben.
Fenster zu, Jalousien runter – dann kann man sich halbwegs verständigen.
Darüber, was schief gelaufen ist, rund um das Mega-Politevent im Sommer.
Eine ganze Menge, das wird im Laufe des Abends auch der verantwortliche
Innensenator einräumen müssen. Das Naheliegendste: Die Randalenacht vom 6.
auf den 7. Juli, keinen Steinwurf entfernt, habe einen „gravierend anderen
Verlauf“ genommen als kalkuliert. „Da gab es eine Eskalation der Gewalt,
der wir nicht mehr mit den üblichen Einsatzkräften begegnen konnten.“
## Sind die Zuschauer schuld?
Warum? Der Grüne Kurt Edler versucht sich in einer Erklärung mit
Milieukritik: „Weil das Ziel Globalisierungskritik berechtigt erschien, gab
es eine breite Gewaltakzeptanz.“ Das habe die Randale erst möglich gemacht.
Altgediente Linke hätten sich aus dem Gewalt-Geschehen vornehm
zurückgehalten, aber 18-Jährige gleichsam „vorgeschickt“, die jetzt dafür
in Haft säßen. Im Saal kommt er damit nicht gut an, viele fühlen sich
direkt angesprochen.
Christiane Schneider, Linken-Abgeordnete, hat eine andere Lesart dieses
Abends: Sie hält die Randale in der Schanze, der die Polizei stundenlang
tatenlos zusah, für „Teil einer Planung“. Durch die Polizeiführung. Indiz
dafür sei, dass bereits um 19 Uhr, „als noch kaum etwas los war“, ein hoher
Polizeiführer zum Einsatzleiter der „Gesamtlage Schanze“ ernannt worden
sei. Offenbar in Erwartung späterer Auseinandersetzungen.
## „Die Flora hat die Gewalt befeuert, nicht gesteuert“
Inwieweit die auch von linker Seite geplant waren, will Grote noch nicht
bewerten. Klar sei jedoch: „Die Rote Flora hat die Gewalt befeuert, aber
nicht gesteuert. Das ist denen auch irgendwann über den Kopf gewachsen.“ In
bemerkenswerter Abgrenzung zu seinem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der
der Roten Flora direkt nach dem Gipfel unverblümt gedroht hatte, fügt Grote
hinzu: „Wir brauchen linke Orte in der Stadt, und die müssen nicht Freunde
des Senats sein. Die gehören zur pluralen Stadtgesellschaft.“ Aber ihr
Verhältnis zur Gewalt scheine ihm ungeklärt. „Das müssen wir klären.“
Das Publikum treibt andere Gewalt um: „Ich habe mich in der Gegenwart von
Polizisten immer eher wohl gefühlt“, sagt eine Frau aus dem Publikum. „Wenn
ich jetzt an Polizisten vorbeikomme, fühle ich mich in Gefahr.“ Auch
Christiane Schneider hat „vor allem friedliche Demos gesehen – und eine
unfriedliche Polizei“. Sie verlangt eine unabhängige Beschwerdestelle in
Sachen Polizei mit eigenen Ermittlungsbefugnissen – und die Kennzeichnung
von Polizisten im Einsatz, die Grote ablehnt. Den Gipfel sieht Schneider,
trotz aller erfolgreichen Proteste, eher als Niederlage: “‚Uns‘ erwarten
hunderte Jahre Gefängnis. Das bedrückt uns alle sehr.“
Lino Peters vom Republikanischen AnwältInnenverein bestätigt das. Während
des Gipfels habe es im Sondergefängnis GeSa folterähnliche Praktiken
gegeben. Nun, Monate später, stehe das Justizpersonal unter ungeheurem
Druck. Immer noch säßen Heranwachsende in U-Haft, Verteidiger kämen bei
Gericht mit rationalen Argumenten praktisch nicht durch. „Die Frage, ob das
politische Justiz ist, ob der Bürgermeister mit seiner Forderung nach
harten Strafen Einfluss genommen hat – die beantwortet sich von selbst.“
Andy Grote bellt zurück, als „Organ der Rechtspflege“ dürfe er die
Unabhängigkeit der Justiz nicht in Frage stellen. Die Behandlung von
Gefangenen war aus Grotes Sicht im Grunde rechtmäßig. Aber: „Ich bin auch
nicht mit Allem zufrieden, was in der GeSa gelaufen ist.“
Der Innensenator, selbst Anwohner auf St. Pauli, zieht ein
selbstkritisches, fast zerknirschtes Fazit: „Mir ist klar, dass das für
Viele im Stadtteil eine unglaubliche Zumutung war. Wir haben den Leuten
mehr zugemutet, als eigentlich möglich war.“ Worte, die eines
Bürgermeisters würdig wären.
22 Nov 2017
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
G20-Gipfel
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Hamburg Schanzenviertel
Andy Grote
Polizei
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