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# taz.de -- Bremer Bunker wird umfunktioniert: Westend wird Silicon Walle
> In einem ehemaligen Atomschutzbunker in Bremen-Walle ist ein gigantisches
> Rechenzentrum entstanden – mit vierfacher Datensicherung.
Bild: Im Erdgeschoss des Bunkers befinden sich die Überwachungsräume für die…
BREMEN taz | Wenn die ersten Bomben fallen, einstürzende Häuser Menschen
unter sich begraben und Bremen in Schutt und Asche liegt, werden immerhin
sie überleben: die Daten nationaler Unternehmen. Im ehemaligen
Atomschutzbunker im Waller Westend hat die Firma Consultix vergangene Woche
das Rechenzentrum „ColocationIX“ eröffnet. „Mehr Sicherheit geht nicht�…
sagt Geschäftsführer Andres Dickehut.
Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Die weltweite Datenmenge wird bis
ins Jahr 2025 auf 163 Zettabyte wachsen. Das ist eine 163 mit 21 Nullen
dran. Aktuell gibt es 16 Zettabyte Daten. Schon das entspricht der Menge
aller Sandkörner – von 23 Erden.
## Die Server laufen immer
Das digitale Öl ist begehrt: Hacker attackieren regelmäßig Firmenserver, um
gestohlene Daten zu verkaufen. Außerdem verbreiten sie seit Jahren
„Ransomware“ – zu deutsch: Lösegeld-Trojaner, also Viren, die Daten auf …
Festplatte verschlüsseln. Für den passenden Key, also das Lösungswort, um
die Daten wieder zu befreien, verlangen Hacker mehrere hundert Euro. Am
bekanntesten wurde der Virus „WannaCry“: Er attackierte im Mai gezielt
große Unternehmen. Auch Krankenhäuser und die Bahn waren betroffen.
Die „Datenfestung“ in Walle soll vor solchen Attacken schützen. Unternehmen
können hier Hardware mieten oder Server unterbringen. Für den virtuellen
Schutz sind sie dann selbst zuständig. Dickehut verspricht allen
Unternehmen eine „hundertprozentige Ausfallsicherheit“ – die Server laufen
immer.
Auch optisch wirkt das Gebäude sicher: Zwei Meter dicke Wände ragen acht
Stockwerke in die Höhe. Auf dem Dach stehen Generatoren, die Notstrom für
mehrere Tage produzieren können. Wer das Rechenzentrum betritt, muss am
Wachpersonal vorbei und durch eine massive Tresortür. Dann geht es ein paar
Treppenstufen nach oben. Hochwasser erreicht die Hardware nicht, das Handy
meldet: kein Empfang. Hier dringt nichts unerlaubt ein.
## Niedrige Decken
Laut Verfassungsschutz ist auch Wirtschaftsspionage eine echte Gefahr.
Kleinen und mittleren Firmen fehlten oft gute Sicherheitskonzepte. Denn
Datensicherheit kostet: IT-Riese IBM berechnet jeden Quadratmeter eines
Rechenzentrums mit 20.000 Dollar. Multipliziert mit den 2.500 Quadratmetern
des Bunkers ergibt das 50 Millionen Dollar. Consultix selbst investierte
seit 2011 eine „siebenstellige“ Summe, um den Waller Bunker in ein
Rechenzentrum umzubauen.
So teuer sieht der allerdings gar nicht aus. Die Decken sind niedrig, die
Wände kahl und selbst das grelle Licht kann die Flure kaum erhellen. Im
kalten Erdgeschoss befinden sich die Überwachungsräume.
Diagramme auf großen Bildschirmen zeigen, dass die Sicherheitssysteme
permanent arbeiten. „Netzwerke mit bis zu 30.000 Computern versuchen
ständig, Systeme abstürzen zu lassen“, sagt Dickehut.
Unternehmen zeigen Interesse am Bunker: „Ich kenne kein Rechenzentrum, das
so sicher ist“, sagt Kai Schykowski aus Düsseldorf, Chef der deutschen
Zweigstelle der Firma Komatsu. Das japanische Unternehmen speichert in
Bremen bald Konstruktionspläne von Baggern. Die Server des Bremer
Entsorgungsunternehmens Nehlsen laufen hier bereits.
## 28 Grad trotz Kühlung
Das ist im fünften Stock zu spüren: Die Hardware erzeugt so viel Wärme,
dass die Temperatur trotz Kühlung bei 28 Grad liegt. Gleichzeitig ist es
schwierig zu atmen – die Luft fühlt sich an wie in 3.000 Meter Höhe. Das
ist gewollt: Ein reduzierter Sauerstoffgehalt von 15 Prozent soll vor
Bränden schützen.
Die Daten sind auch virtuell geschützt. Denn gebaut wurde nach dem
US-amerikanischen Standard „Tier 4“, alle Daten sind demnach vierfach
gesichert. Zusätzlich läuft der Bunker nach dem „ISO 27001“-Standard: „…
ich das Zertifikat sehe, kann ich grob davon ausgehen, dass meine Daten
sicher sind“, sagt Haye Hösel vom Freien Institut für IT-Sicherheit.
Die dicken Wände des Bunkers schließen nicht nur Gefahren, sondern auch
Wärme aus. Dass die Hardware mit Grundwasser gekühlt wird, spart zusätzlich
Abgase. Für Sarah Göttges von der Bremer Klimaschutzagentur
„Energiekonsens“ ist das „vorbildlich“.
## Nichts über die Geschichte
Nicht vorbildlich ist allerdings, dass niemand bei der Eröffnung die
Geschichte des Bunkers erwähnt. Denn viele der Bremer Bunker wurden im
Zweiten Weltkrieg von Zwangsarbeitern gebaut. Zivilbauten sind zwar in der
Regel nicht mit dem riesigen Militärbunker „Valentin“ in Farge zu
vergleichen: „Ganz ausschließen kann man Zwangsarbeit aber trotzdem nicht“,
sagt der Bremer Denkmalpfleger Georg Skalecki.
Das weiß auch Dickehut, allerdings: „Ein Wasserschaden hat die Dokumente
zerstört“, sagt er. Consultix werde sich aber die Zeit nehmen, mehr
herauszufinden. Eine Gedenktafel sei möglich. „Aber erst müssen wir die
Fakten kennen.“
19 Nov 2017
## AUTOREN
Lukas Thöle
## TAGS
Bremen
Bunker
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WannaCry
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WannaCry
WannaCry
Cyberattacke
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