# taz.de -- Die Wahrheit: Balloneske Fürstin | |
> Bei einer majestätischen Fahrt mit einem Freiluftballon fühlt sich die | |
> märchenhaft Reisende über der kleinen Welt dort unten wie eine | |
> Seifenblase. | |
Glück ab und gut Land“, jauchzte ich, als der wunderschöne grünsilberne | |
Heißluftballon den Erdboden verließ und gen Himmel fuhr. Um uns herum | |
stiegen tausende Ballons in den vergnüglichsten Formen und Farben auf, und | |
ich wusste plötzlich, wie sich Seifenblasen fühlen. Da gab es Clowns, | |
Eistüten, Seepferdchen, eine ganze Arche Noah, Katzen, und sogar ein | |
Maulwurf war dabei. | |
Ein leicht andächtiger Gedanke – im Angesicht des sehr wahrscheinlich bald | |
nahenden Todes – trieb mich kurz um: „Immerhin sterbe ich nicht allein, | |
wenn wir abstürzen.“ Denn wir waren zu viert im Korb. Und mit vier Leuten | |
stürzt es sich bekanntlich schöner ab als allein. | |
Wir waren schon hundert Meter hoch, und ich musste mich langsam | |
entscheiden, ob ich aus dem Korb herausspringen und ein paar harmlose | |
Verletzungen riskieren sollte, oder ob ich einfach drinbleiben und den | |
beiden sehr schicken Piloten mein Leben anvertrauen sollte. Ich wählte dann | |
lieber die zweite Möglichkeit, denn während meiner Überlegung waren wir | |
schon weitere 500 Meter gestiegen. | |
Pilot Harry, ein gar stattlicher Bär von einem Mann, hatte die beruhigende | |
Ausstrahlung eines verrückten 64-jährigen französischen Grafen, dem kein | |
Risiko zu wagemutig und kein Experiment zu tollkühn ist, und Copilot Klaus | |
hatte einen unfassbar schönen circa 63-jährigen | |
Kaiser-Wilhelm-Zwo-Schnurrbart – was konnte da also schon passieren? | |
„Brrwwuuuuuuuuuuusch!“, machte der heiße Atem des Flammenwerfers neben mir | |
und beförderte damit den majestätischen D-OMSB – so lautete der | |
märchenhafte Name unseres malerischen Luftgefährts – weiter in die Höhe, | |
bis all die Schafe und Kühe und Häuser und Bäume nur noch wie winzig kleine | |
Eisberge aussahen. Es war so himmlisch und schön, wir fuhren friedlich | |
dahin, die Zeit verging wie nichts, die Sonne wurde rötlich, ich wollte | |
gerade ein sanftes Abendlied anstimmen, als Harry rief: „Festhalten! Wir | |
landen!“ | |
Damit senkte er den Korb in einen Baumwipfel. Rapolter! Rapolter! Zack! | |
Wusch! Wir wurden hin und her gewirbelt, kopfüber, kopfunter, so fühlte es | |
sich an. Rampampampam! Ich krallte mich hier fest, ich krallte mich dort | |
fest! Ich musste lachen und fiel tatsächlich nicht raus. Es war wirklich | |
geile Scheiße! Kein Karussell der ganzen weiten Welt kann so ein | |
sagenhaftes Erlebnis imitieren! | |
Als wir heile wieder unten waren, setzte Harry nach einem Vortrag über | |
meine künftigen Rechte und Pflichten als Adelige zuerst mein Haar in Brand | |
mit den Worten: „Wow, du brennst echt gut.“ Dann goss er Sekt über die | |
Flammen und taufte mich „Fürstin Corinna, furchtlose Windreisende, gewogen | |
zu lauen Lüften vom Massenstart zu Pforzheim“. Und so möchte ich bitte | |
fürderhin auch angeredet werden. | |
Und übrigens: Ich besitze ab jetzt jeden Quadratmeter des Gebietes, das ich | |
im Ballon überfuhr und darf Steuern erheben – vorausgesetzt, ich treibe sie | |
aus dem Korb heraus ein. | |
17 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
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