| # taz.de -- Vorwürfe gegen Harvey Weinstein: Netz der Vertuschung | |
| > Ein Jahr lang soll der Filmproduzent versucht haben, Missbrauchsvorwürfe | |
| > gegen sich zu unterdrücken. Seine Rechnung ist nicht aufgegangen. | |
| Bild: Ist raus – und das ist auch gut so: Filmproduzent Harvey Weinstein | |
| Am Ende hat es nichts genützt. Ein Jahr lang soll Harvey Weinstein versucht | |
| haben, seine Anklägerinnen ausfindig zu machen und ruhig zu stellen. Seit | |
| Herbst 2016 soll der Filmproduzent [1][Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs | |
| und der Vergewaltigung gegen ihn] unterdrückt und Journalisten, die über | |
| ihn recherchierten, unter Druck gesetzt haben. Und trotzdem konnte er die | |
| Veröffentlichungen nicht aufhalten. | |
| Anhand etlicher Zeugenaussagen und ihm vorliegenden Dokumenten verdeutlicht | |
| der [2][Journalist Ronan Farrow im New Yorker], wie viel Einfluss Weinstein | |
| anscheinend auf die einzelnen Betroffenen genommen hat. Offenbar dachte er | |
| bis zuletzt, dass er die Geschichten seiner vielfachen Belästigungen und | |
| körperlichen Gewalt unterdrücken könnte. Stunden bevor die New York Times | |
| [3][ihren Artikel am 5. Oktober veröffentlichte], sei Weinstein in Panik | |
| ausgebrochen, berichtet seine ehemalige Angestellte Pamela Lubell. | |
| Nach der Veröffentlichung soll sein Team über Fotos gehangen haben, die den | |
| fortwährenden Kontakt Weinsteins mit den betroffenen Frauen bewiesen, so | |
| Lubell. „Schickt die an die Vorstandsmitglieder“, soll Weinstein geschrien | |
| haben. Der nie abgebrochene Kontakt mit den Frauen sollte demnach der | |
| Beweis dafür sein, dass die Anschuldigen gegen ihn nicht stimmen. | |
| Schon ein Jahr zuvor soll Weinstein private Sicherheitsagenturen damit | |
| beauftragt haben, Informationen über die Frauen und Journalisten zu | |
| sammeln, die die Vorwürfe öffentlich machen könnten. Ronan Farrow hat | |
| dutzende Dokumente ausgewertet und mit sieben Menschen gesprochen, die | |
| direkt in die Vertuschungsoffensive involviert waren. Zu den Firmen, die | |
| Weinstein angestellt hat, gehören laut Farrow die Sicherheitsberatungsfirma | |
| Kroll Inc. und das Unternehmen Black Cube, bei dem viele ehemalige Agenten | |
| des Mossad und anderer israelischer Geheimdienste arbeiten. | |
| ## Treffen verdeckt mitgeschnitten | |
| Zwei Black-Cube-Angestellte nutzten offenbar gefälschte Identitäten, um | |
| näher an die Schauspielerin Rose McGowan zu kommen und ihr Informationen zu | |
| entlocken. Eine der beiden soll sich als Frauenrechtlerin mit dem Namen | |
| Diana Filip ausgegeben haben. Sie soll sich des Öfteren mit McGowan | |
| getroffen haben. Filip sei „sehr liebenswürdig“ gewesen, sagt McGowan | |
| später. Laut Farrow schnitt Filip mindestens vier der Treffen versteckt | |
| mit. | |
| Filip hatte unter anderem Namen offenbar auch Kontakt mit dem Journalisten | |
| Benjamin Wallace, der für das New York-Magazin auch zum Fall Harvey | |
| Weinstein recherchierte. Nach zwei Treffen sei er misstrauisch geworden, | |
| sagt Wallace. Filip habe viel über seine Recherchen wissen wollen, ohne ihm | |
| selbst hilfreiche Hinweise geben zu können. Die Black-Cube-Angestellte soll | |
| auch versucht haben, andere Journalisten zu kontaktieren – darunter auch | |
| Ronan Farrow selbst. | |
| Das klar gesteckte Ziel des Einsatzes: die Veröffentlichung der | |
| Missbrauchsvorwürfe aufzuhalten. So soll es auch in einem Vertrag mit Black | |
| Cube gestanden haben, schreibt Ronan Farrow. Weinstein soll die Firmen | |
| angewiesen haben, Informationen über dutzende Einzelpersonen zu sammeln und | |
| psychologische Profile zu erstellen, die ihm später helfen sollten. Farrow | |
| zufolge hat Weinstein den Fortschritt der Operation selbst überwacht. | |
| ## Ohne Einverständnis aufgezeichnete Gespräche | |
| Auch Weinsteins Anwälte sollen in die Nachforschungen verwickelt gewesen | |
| sein. So zum Beispiel David Boies: Am 28. Oktober 2016 soll Boies | |
| Anwaltsfirma 300.000 Dollar an Black Cube überwiesen haben, schreibt Farrow | |
| nach Auswertung der ihm offenbar vorliegenden Dokumente. Die beiden Firmen | |
| sollen verschiedene Verträge unterzeichnet haben. | |
| In einem von Boies unterschriebenen Vertrag vom 7. Juli 2017 sei das | |
| Hauptziel der Operation festgelegt worden: die Veröffentlichungen | |
| aufzuhalten. Für die erfolgreiche Erfüllung dieses Ziels sollten laut | |
| Vertrag zusätzliche Gelder fließen. Black Cube würde weitere 300.000 Dollar | |
| erhalten, wenn es „Informationen liefert, die direkt dazu beitragen, dass | |
| die Veröffentlichung des Artikels in jedweder Art und Weise komplett | |
| verhindert wird“, so Farrow. | |
| Das Unternehmen bekäme zudem zusätzlich 50.000 Dollar, wenn es die zweite | |
| Hälfte von Rose McGowans Buch in lesbarer und legaler Weise für ihn | |
| zugänglich mache. Dabei ging es wohl um McGowans Autobiografie „Brave“, die | |
| im Januar erscheinen soll. | |
| ## Unter Druck gesetzt oder diskreditiert | |
| Er habe Weinstein von Anfang an gesagt, dass „die Geschichte nicht durch | |
| Drohungen oder Beeinflussung gestoppt“ werden könne, sagte Boies zu Farrow. | |
| „Der einzige Weg sie zu stoppen, ist die Times davon zu überzeugen, dass es | |
| keine Vergewaltigung gab.“ Boies will selbst keine Journalisten unter Druck | |
| gesetzt haben. Er gibt gegenüber Farrow aber zu, dass auch er sich nicht | |
| richtig verhalten hat: „Rückblickend wusste ich schon 2015 genug, um ein | |
| Problem zu erkennen und etwas dagegen zu tun.“ Boies wisse nicht, ob es | |
| nach 2015 noch weitere Missbrauchsfälle gab. Aber falls etwas geschehen | |
| sei, sei auch er dafür mitverantwortlich. | |
| Das von Ronan Farrow aufgedeckte Netz enthält viele weitere Versuche | |
| Weinsteins, die von ihm belästigten und angegriffenen Frauen zum Schweigen | |
| zu bringen. Es beinhaltet persönliche Details und ohne Einverständnis | |
| aufgezeichnete Gespräche. Für den Fall, dass sie sich nicht unter Druck | |
| setzen ließen, sollten die Frauen bestmöglich diskreditiert werden, damit | |
| man ihnen keinen Glauben schenkt. So hätte Harvey Weinstein weiter Frauen | |
| unterdrücken und missbrauchen können. Seine Rechnung ist nicht aufgegangen. | |
| 7 Nov 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Harvey-Weinstein-und-die-US-Demokraten/!5454182 | |
| [2] https://www.newyorker.com/news/news-desk/harvey-weinsteins-army-of-spies | |
| [3] https://www.nytimes.com/2017/10/05/us/harvey-weinstein-harassment-allegatio… | |
| ## AUTOREN | |
| Belinda Grasnick | |
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