# taz.de -- Maischberger-Talk zu sexueller Nötigung: Fast nie schuldig gesproc… | |
> Beim ARD-Themenabend ging es um sexuelle Nötigung, Lügen und Vorurteile. | |
> Der Fokus auf mögliche Falschaussagen war schwer erträglich. | |
Bild: Freispruch: Wenn sie vor Gericht landen, werden Sexualstraftäter nur sel… | |
Die Zahlen sprechen für sich. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sind | |
allgegenwärtig in Deutschland, fast jede siebte Frau hat schon einmal | |
sexuelle Gewalt erlebt. Angezeigt werden aber nur zehn Prozent der Fälle. | |
Und nur acht Prozent der Angeklagten werden schuldig gesprochen. Diese | |
Zahlen der Bundesregierung, des Landeskriminalamts Niedersachsen und des | |
Kriminologischen Instituts Niedersachsen wurden bei [1][Maischberger zum | |
ARD-Themenabend „Sexuelle Nötigung, Lügen und Vorurteile“] am Mittwochabe… | |
präsentiert. Dennoch drehte sich die Diskussion in großen Teilen um Männer, | |
die zu Unrecht der Vergewaltigung bezichtigt werden. | |
Der Diskussionsrunde ging [2][der Fim „Meine fremde Freundin“] voraus, in | |
dem ein sexistischer Macho von einer Kollegin beschuldigt wird, sie | |
vergewaltigt zu haben. Im Laufe des Films stellt sich heraus, dass die | |
Kollegin gelogen hat, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Schauspieler | |
Hannes Jaenicke, der die Hauptrolle im Film spielt, sagt bei Maischberger, | |
er hoffe, dass der Film nicht dazu führt, dass man Frauen nicht mehr | |
glaubt. | |
In der Diskussion geht es trotzdem auch sehr deutlich um die | |
Glaubwürdigkeit von Frauen. Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen meint, | |
die Sexualstrafrechtsreform aus dem Jahr 2016 führe zu größerer Verwirrung: | |
„Dieses ‚Nein heißt Nein‘… Es gibt auch Frauen, die machen etwas und s… | |
nachher: ‚Nee, so wollte ich das aber eigentlich nicht‘.“ Sie erntet einen | |
ungläubigen Blick von Hannes Jaenicke. Einige der Aussagen Friedrichsens | |
sind schwer erträglich. Sie zeigen, wie tief verwurzelt weiterhin das | |
Denken ist, Frauen seien selbst daran schuld, wenn Männer übergriffig | |
werden. | |
In einem großen Teil der Diskussion geht es um den Fall Horst Arnold – ein | |
Lehrer, der nach einer falschen Vergewaltigungsverurteilung fünf Jahre im | |
Gefängnis saß. „Wir sehen an diesem Fall, wie viel zusammenkommt und wie | |
rar es ist, dass eine Frau falsch beschuldigt“, sagt Journalistin Teresa | |
Bücker, die sich in ihrer Arbeit intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt | |
hat. Die Erfahrung vieler Frauen sei es, dass ihnen nicht geglaubt werde. | |
Deswegen gebe es so wenig Anzeigen. | |
„Es reicht nicht aus, dass eine einzelne Frau eine Aussage macht. Es müssen | |
mittlerweile ungefähr dreißig sein, damit ihnen überhaupt geglaubt wird“, | |
sagt Bücker in Bezug auf die Missbrauchsvorwürfe gegen [3][Harvey | |
Weinstein] und [4][Bill Cosby]. | |
## Warum zeigen Frauen nicht an? | |
„Jetzt sind wir wieder bei einem Fall, in dem es um eine behauptete | |
Vergewaltigung geht“, muss Jaenicke zwischendurch anmerken, als es um den | |
[5][Fall Jörg Kachelmann] geht. „Eigentlich reden wir über das Thema: Warum | |
zeigen Frauen nicht an?“ | |
Jaenicke, Bücker und die TV-Moderatorin Marlene Lufen bilden in der Debatte | |
den Gegenpol zu Friedrichsen und der ehemaligen Frauenbeauftragten Anja | |
Keinath, die sich für die Richtigstellung im Fall Horst Arnold eingesetzt | |
hat. Friedrichsen und Keinath vertrauen in die Institutionen, die es zur | |
Aufklärung von sexueller Gewalt gibt. Gerichte und | |
Gleichstellungsbeauftragte trügen dazu bei, dass sich Frauen sicherer | |
fühlen könnten und dass ihnen Recht gegeben werde. „In den letzten zehn | |
Jahren ist unsere Gesellschaft viel aufgeklärter geworden“, sagt Keinath. | |
Vergewaltigung sei nach wie vor ein „strafloses Verbrechen“, sagt Marlene | |
Lufen, die selbst einen sexuellen Übergriff erfahren hat und später eine | |
Reportage über vergewaltigte Frauen drehte. Dass oft Aussage gegen Aussage | |
stehe, sei ein großes Problem. Deshalb sei die Zahl der Fälle, die nicht | |
angezeigt werden, und auch der Prozesse, in denen für den Angeklagten | |
entschieden werde, weil sich nicht alle Zweifel ausräumen ließen, sehr | |
groß. „Wir tun so, als ob wir als Außenstehende die Wahrheit herausfinden | |
können. Wir müssen so ehrlich sein, dass wir das nicht können“, so Lufen. | |
Der ARD-Themenabend hat sich ein schwieriges Thema vorgenommen. Der Film | |
war schon lange vor den Enthüllungen der sexuellen Übergriffe Harvey | |
Weinsteins geplant. Mit der Veröffentlichung hat der öffentlich-rechtliche | |
Sender einen problematischen Akzent gesetzt. Die anschließende Diskussion | |
bei Maischberger war dennoch sehenswert. | |
Das Wissen und die Erfahrungen der beiden Journalistinnen Bücker und Lufen | |
überzeugten in der Diskussion. Die empathische Herangehensweise Jaenickes – | |
als einzigem Mann in der Runde – war erfrischend. Alle drei zeigten | |
letztendlich, dass das dumpfe Gefühl, Frauen würden häufig böswillige | |
Vergewaltigungsbehauptungen für ihre eigenen Zwecke aufstellen, eben genau | |
das ist: ein Gefühl. Sexuelle Belästigung, schwierige Situationen für | |
Frauen in Machtgefügen und tätliche Angriffe bleiben das größere Problem. | |
9 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.daserste.de/information/talk/maischberger/sendung/sexuelle-noeti… | |
[2] /ARD-Themenabend-ueber-Sexismus/!5457977 | |
[3] /Vorwuerfe-gegen-Harvey-Weinstein/!5460479 | |
[4] /Praeventionstipps-fuer-Maenner/!5266786 | |
[5] /Joerg-Kachelmann-zur-Causa-Diekmann/!5372455 | |
## AUTOREN | |
Belinda Grasnick | |
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