# taz.de -- Ron Hubbards Lockruf: Das Sekten-Stipendium | |
> Die Scientology-Church versucht Menschen mit ihrem großen Traum zu ködern | |
> – zum Beispiel Nachwuchs-Footballer mit einem US-Stipendium. | |
Bild: In den USA mitspielen dürfen – den Traum von Nachwuchsfootballern nutz… | |
HAMBURG taz | Es war ruhig geworden um die Scientology-Church in Hamburg. | |
Warb die US-amerikanische Sekte, deren prominentestes Mitglied der | |
Schauspieler Tom Cruise ist, in den Neunzigerjahren rund um ihre ehemalige | |
Norddeutschland-Zentrale am Steindamm täglich um neue Mitglieder, so sind | |
die Scientologen heute aus dem Straßenbild verschwunden. | |
Dafür geht die „Church“ des Sektengründers L. Ron Hubbard nun mit einer | |
neuen Methode auf Menschenfang. Sie bietet deutschen | |
American-Football-Spielern die Möglichkeit, in einer US-amerikanischen | |
Highschool Football zu spielen – Stipendium inbegriffen. Doch der Weg führt | |
nach Clearwater – der Hochburg und dem Sitz der Zentrale der Scientologen. | |
Nach [1][Recherchen] des NDR kontaktierten die Scientologen in den | |
vergangenen Monaten rund 100 deutsche Football-Spieler, darunter fünf des | |
Hamburger [2][Nachwuchsteams] „Young Huskies“, über verschiedene soziale | |
Netzwerke, um ihnen ein interessantes Angebot zu unterbreiten. Sie könnten | |
ein Sprachstipendium erhalten und in einem ambitionierten Highschool-Team | |
im Mutterland des Footballs spielen. | |
Auch der 18-jährige Hambuger Jan W., Quarterback der Huskies, erhielt per | |
Instagram so eine Offerte – von einem US-amerikanischen Headhunter, dessen | |
Scientologen-Mitgliedschaft für Jan W. nicht ersichtlich war. Für ihn | |
schien sein sehnlichster Wunsch: eine Sportkarriere in den USA, | |
Wirklichkeit zu werden. Seine Eltern wollten ihm diesen Traum erfüllen, | |
belasteten sogar ihr Haus, um ihm die verlangte Selbstbeteiligung an dem | |
Stipendium zu finanzieren. | |
Die Vorbereitungen für den USA-Trip liefen bereits auf vollen Touren, als | |
die Eltern durch Zufall in eine Reportage über Clearwater hineinzappten, in | |
der die Verbindung der Stadt zu Scientology thematisiert wurde. In der | |
100.000-Einwohner-Metropole an der Tampa Bay in Florida steht die Zentrale | |
der Sekte. Jeder zehnte Einwohner von Clearwater soll den Scientologen | |
angehören. | |
## Stadt in Scientologen-Hand | |
Und auch die „Clearwater Academy International“, jene Highschool, die Jan | |
W. aufnehmen wollte, ist fest in der Hand der Scientologen. Auf der | |
Internetseite finden sich – wenn auch versteckt – Hinweise auf | |
Sektengründer L. Ron Hubbard, und auch die von seinen Glaubenssätzen | |
abgeleiteten School Rules lassen keinen Zweifel daran, dass es sich bei der | |
Clearwater Academy um keine normale Highschool handelt. | |
Der Football-Trainer der Academy, Jesse Chinar, gibt schließlich zu, | |
Scientologe zu sein. Er bestreitet zwar jeden religiösen Hintergrund der | |
Highschool, räumt aber ein, dass die „Technologien“ von Hubbard an der | |
Academy Anwendung fänden. Jan W. und seine Eltern wissen nun genug – sie | |
canceln den USA-Trip und wenden sich an den Verfassungsschutz, der | |
Scientology seit Jahrzehnten beobachtet. | |
„Es ist schon perfide, über ein Stipendium eine vermeintlich große | |
Sportlerkarriere vorzugaukeln, um dann junge Leute nach Clearwater zu | |
locken und sie dort in die Fänge der Scientology-Organisation zu bringen“, | |
sagt der Sprecher des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz, Marco | |
Haase. Die Methode sei aber nicht neu. | |
## Viele Methoden führen in Ron Hubbards Schoß | |
Schon seit Jahren versucht Scientology in den sozialen Netzwerken und über | |
Tarnorganisationen, meist im Bereich der Lebenshilfe, neue, | |
zahlungskräftige Mitglieder zu gewinnen. So betrieb eine | |
Tochtergesellschaft der Sekte namens „Narconon“ jahrelang nahe Itzehoe | |
eine „Drogenhilfeeinrichtung“, über die sie suchtkranke Menschen für die | |
Sekte rekrutierte. | |
18 Jahre lang, von 1992 bis 2010, gab es in der Hamburger Innenbehörde | |
sogar eine „Arbeitsgruppe Scientology“ unter Leitung der ehemaligen | |
SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ursula Caberta, die sich intensiv um die | |
Aktivitäten der Sekte kümmerte. Die Öffentlichkeitsarbeit trug Früchte: | |
Laut Verfassungsschutz hat sich die Zahl der in Hamburg lebenden | |
Sektenmitglieder in den vergangenen zehn Jahren mehr als halbiert – von 750 | |
auf 350 Personen. | |
In den 1980er- und 90er-Jahren hatten Sektenmitglieder versucht, über | |
Maklerfirmen die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum voranzutreiben | |
und so Geld für sich und die „Church“ zu beschaffen. Auch diese Firmen sind | |
inzwischen nahezu verschwunden. Die Methode, über Football-Stipendien um | |
neue Anhänger zu werben, sieht Verfassungsschutzsprecher Haase deshalb als | |
deutliches Anzeichen dafür, „dass Scientology gehörig unter Druck steht“. | |
15 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ndr.de/sport/mehr_sport/Wie-Scientology-deutsche-Sportler-anwir… | |
[2] http://www.gohuskies.de/teams/hamburg-young-huskies1 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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