# taz.de -- Studierendenprotest in Braunschweig: Wie viel Raum braucht die Kuns… | |
> Braunschweiger Studierende besetzen ihre Hochschule, weil sie dort nicht | |
> mehr nachts arbeiten dürfen. Die Präsidentin hat Strafanzeige gestellt. | |
Bild: Kommuniziert werden muss auch bei einer Besetzung | |
BRAUNSCHWEIG taz | Es begann im Sitzen. Mit einer Blockade im | |
Verwaltungstrakt der Hochschule Bildende Künste in Braunschweig (HBK) vor | |
zwei Wochen. Dann ging alles recht schnell: Vollversammlung aller | |
Studierenden am folgenden Tag, Besetzung der Atelierräume in der | |
Blumenstraße am Abend. Auch 14 Tage später sind die Studierenden immer noch | |
dort – trotz der Strafanzeige, den die Hochschulleitung gegen sie gestellt | |
hat. Trotz der Polizeiwagen, die vor dem Universitätsgebäude in der | |
Blumenstraße auf und ab fahren und an die drohende Räumung erinnern. | |
„Wir haben viel Mut“, sagt Malte-Levin Behrens. Die Stimmung bei den | |
Besetzern sei sehr angenehm. Behrens ist Sprecher der Improvisierten | |
Pressestelle, die nicht müde wird zu erklären, warum die Kunststudierenden | |
die Ateliers okkupiert halten. Warum die Hochschulleitung in dem | |
vergangenen Jahr selbst dazu beigetragen habe, die Unzufriedenheit bei den | |
Studierenden zu befeuern. | |
Es begann vergangenen Oktober, als die Hochschule erstmals die | |
Nutzungsmöglichkeiten der Ateliers eingeschränkte. Bis dahin hatten die | |
Studierenden ständigen Zugang zu den Räumen. Doch dann führte die | |
Hochschulleitung plötzlich Öffnungszeiten ein – ohne mit den Betroffenen | |
Rücksprache zu halten. Auf einmal wurden die Ateliers um 24 Uhr | |
verschlossen. Und das haben viele Studierende nicht verstanden: „Viele von | |
uns haben Nebenjobs“, sagt Philip Nürnberger, der an der HBK freie Kunst | |
studiert. „Die haben nur nachts und abends Zeit, um in die Ateliers zu | |
gehen.“ Außerdem müssten Ausstellungen vorbereitet werden, und das sei | |
anstrengend, sagt der 25-Jährige. „Da arbeitet man häufig die Nacht durch. | |
Dafür braucht es unbedingt die uneingeschränkte Nutzung.“ | |
Damals begründete die Hochschulleitung ihre Entscheidung mit dem | |
Fehlverhalten der Studierenden: Nicht angemeldete Partys, Lärmbelästigung, | |
voll beklebte Toiletten. Die Studierenden sagen dazu: Kleinerer | |
Vandalismus, stimmt, aber redet doch mit uns und wir klären das gemeinsam | |
im Gespräch. Stattdessen die Maßregelung der Hochschulleitung, die | |
Studierenden empfanden sie als übergriffig und unkommunikativ. Seitdem | |
suchen sie das Gespräch, doch ihrer Forderung, die Ateliers wieder rund um | |
die Uhr zu öffnen, wollte Präsidentin Vanessa Ohlraun nicht nachkommen. Im | |
Gegenteil: Sie schränkte die Nutzungsmöglichkeiten sogar noch weiter ein. | |
## Ob es eine Lösung gibt, ist unklar | |
Mit der E-Mail vom 13. Oktober eskaliert der Konflikt. Darin schreibt | |
Ohlraun: „Angesichts der Sachbeschädigung und unzulässigen Gebäudenutzung | |
im letzten Semester, die sich auch in der vorlesungsfreien Zeit des | |
Sommersemesters 2017 fortgesetzt haben“, reduziert sich die Nutzung der | |
Atelierräume auf 40 Prozent. Das heißt: Neuerdings werden sie am Wochenende | |
ganz verschlossen, unter der Woche kann dort höchstens bis 21 Uhr | |
gearbeitet werden. Auch bei dieser Entscheidung, ärgern sich die | |
Studierenden, gab es weder Gespräche mit dem AStA noch mit dem | |
Studierendenparlament. „Das ist autoritär“, sagt Malte-Levin Behrens, „d… | |
wollen wir nicht akzeptieren.“ Vier Tage nach der Mail begann die | |
Besetzung. Sie soll erst enden, wenn die Hochschulleitungen auf die | |
Forderungen eingeht. | |
Und die sind: Arbeitsräume 24/7 für alle Räume der HBK, nicht nur für den | |
Standort Blumenstraße. „Manche arbeiten tagsüber besser, andere nachts. Die | |
Hochschulleitung kann nicht einfach vorschreiben, wann am besten gearbeitet | |
wird“, meint Philip Nürnberger. Darüber hinaus fordern die Studierenden | |
einen runden Tisch mit der Hochschulleitung, was Niedersachsens | |
Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne) begrüßt hat. Den | |
ersten Termin dazu soll es noch in diesem Jahr geben. Ob es eine Lösung | |
gibt, ist unklar. | |
## Vielleicht bleibt Ohlraun keine andere Möglichkeit | |
„Vanessa Ohlraun lässt sich auf keine Aussage festnageln“, glaubt Behrens. | |
Letztes Wochenende gab es ein erstes informelles Gespräch zwischen | |
Präsidentin und Besetzer_innen. Dort bot Ohlraun den Studierenden eine | |
vorübergehende Lösung an: Benutzung der Räume in der Blumenstraße nach der | |
Hausordnung von 2016, also bis 24 Uhr. Dann würde sie die Strafanzeigen | |
zurückziehen. Die Studierenden empfinden das als Erpressung. Sie bleiben in | |
den Räumen und gestalten sie. „Es ist schöner hier geworden seit Beginn der | |
Besetzung. Man ist zusammengerückt. Man hat das Gefühl man schafft etwas, | |
ist aktiv, diskutiert, entwirft Konzepte“, sagt Nürnberger. | |
Dabei allerdings bleibt es nicht. Für Mittwoch ist eine Demonstration | |
angesetzt. Die Besetzer_innen hoffen auf 600 bis 700 Teilnehmer_innen. Das, | |
so hoffen sie, zeige der Hochschulleitung, wie breit die Unterstützung für | |
den Protest ist. Ende der Woche sollen die Gespräche mit der | |
Hochschulleitung weitergehen. Die Studierenden warten auf ein neues Angebot | |
der Präsidentin. Dass sie geräumt werden, falls die Gespräche scheitern, | |
glaubt Behrens jedoch nicht. „Das wäre eine Katastrophe für alle. Wir | |
wollen das hier ja auch nicht ewig machen. Nur bis auf unsere Forderungen | |
eingegangen wird.“ | |
Nur: Wenn die Besetzer nicht zu Kompromissen bereit sind, bleibt Rektorin | |
Ohlraun letztlich vielleicht gar keine andere Möglichkeit. | |
1 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Kücking | |
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