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# taz.de -- Parlamentswahl in Tschechien: Alles dreht sich nur um Andrej Babiš
> Er hat gute Chancen, die Wahl in Tschechien zu gewinnen: ein mächtiger
> Oligarch mit Geheimdienstvergangenheit und einer Anzeige wegen Betruges.
Bild: Im Rampenlicht: Andrej Babiš
Prag taz | Nein, der Endspurt des tschechischen Wahlkampfs war nicht
einfach für Andrej Babiš. Der tschechoslowakische Oligarch gilt mit seiner
Bewegung ANO zwar als haushoher Favorit bei der Wahl am Freitag und
Samstag. Nur tut er sich offensichtlich schwer damit, sich einzugestehen,
dass eben doch nicht alles käuflich ist, wie er immer so gerne behauptet.
Zum Beispiel Julius Šuman. Nicht der echte, der einst der Führungsoffizier
von Andrej Babiš war, als der noch als IM Bureš der tschechoslowakischen
Staatssicherheit (StB) diente. Sondern der Twitter-Account, der sich mit
dessen Namen schmückt und seit Mai äußerst pikante Informationen
veröffentlicht.
Das sind oft geheim aufgenommene Gesprächsmitschnitte, in denen Babiš sich
selbst demaskiert. Zum Beispiel, wenn er als Finanzminister erklärt,
„unsere Leute werden auf ihnen knien“, und kurz darauf die Steuerfahndung
eine Firma liquidiert, die Babiš ein Dorn im Auge ist.
Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte Julius Šuman, über dessen
Hintermänner bislang nur spekuliert wird, Dokumente, die, falls echt,
belegen, dass Babiš bei der Finanzierung seinem Luxusanwesen „Storchennest“
EU-Subventionen in Höhe von 1,8 Millionen ergaunert hat.
## Post von der Polizei
Zu allem Übel flatterte Babiš kurz nach der neuesten Šuman-Veröffentlichung
ein Brief der tschechischen Polizei ins Haus, in dem er offiziell des
Betrugs angeklagt wird. Kurz darauf erinnerte das slowakische
Verfassungsgericht Babiš an den wahren Julius Šuman, als es urteilte, dass
Babiš zu Recht als StB-Mitarbeiter geführt wird.
Und als ob all das nicht reicht, behauptete das Magazin Forbes, das
Privatvermögen von Babiš habe sich in seinen vier Jahren in der Politik von
44 auf 88 Milliarden Kronen verdoppelt. Im Frühjahr hatte er seine Holding
Agrofert offiziell einer Treuhand übergeben musste, der seine Ehefrau
Monika vorsteht.
„Diese Wahlen haben nur ein Thema, und das heißt Andrej Babiš“, meint der
politische Kommentator Jindřich Šídlo. Die allgegenwärtige Diskussion um
die Person des Oligarchen sei symbolisch für die Spaltung der tschechischen
Gesellschaft. „Denn die Frage, die sich in diesen Wahlen stellt, ist, ob
wir eine offene und demokratische Gesellschaft wollen. Oder ob wir uns nach
jemandem sehnen, der kommt und dem ganzen Gerede ein Ende bereitet“.
Wenn das Wahlergebnis am Samstagabend bekannt gegeben wird, werden sich nur
zwei wichtige Fragen stellen: Wird Babiš, der übrigens nebenbei europaweit
in Fruchtbarkeitskliniken investiert, selbst das Amt des Regierungschefs
übernehmen? Oder bleibt er angesichts der zehnjährigen Höchststrafe, die
ihm wegen des Subventionsbetrugs droht, lieber als Strippenzieher im
Hintergrund?
## Demontage der Demokratie
Noch interessanter aber ist die Frage, wer dabei mitmachen wird, die
tschechische Demokratie zu demontieren. Zum Beispiel durch eine
Verfassungsänderung, die die Mandate im Abgeordnetenhaus halbieren und die
zweite Parlamentskammer ganz abschaffen soll.
Am wenigsten abgeneigt zeigen sich die Piraten. Die Partei punktet vor
allem bei der jungen, urbanen Mittelschicht, denen die Grünen zu
neomarxistisch angehaucht sind. Wenn Frontmann Ivan Bartoš, der
Posterboy-Politiker, mit seinen Undercut-Dreadlocks im Wahlklip einen
Gefängnisbus lenkt, um dann Akkordeon spielend im Piratenchor „Lasst uns
auf sie los“, zu trällern, dann wirkt das nicht viel anders als Babiš' „W…
werden auf ihnen knien.“
Eher ein Dorn im Auge ist Babiš Tomio Okamura. Jedenfalls bislang noch. Der
Tschecho-Japaner schafft es mit seiner „Partei der direkten Demokratie“
(SPD) noch populistischer zu sein als er. Okamura fischt in den unteren
Schichten der Gesellschaft, indem er Ängste schürt, um dann mit einfachen
Lösungsvorschlägen punkten zu können.
Okamura, nicht Babiš, ist der Trump Tschechiens. Denn wie Trump versteht
der Selfmade-Millionär sich als Stimme derer, die die Prager Eliten
vergessen haben. Eine Koalitionsvereinbarung würde niemanden überraschen.
## Kommunisten als Partner
Als dritter möglicher Koalitionspartner gelten die Kommunisten. Sie eint
mit Babiš nicht nur dessen Vergangenheit, sondern auch die Verachtung alles
kleinen Mittelständischen und eine Vorliebe für straff geführte Hierarchien
und kollektivierte Landwirtschaft.
Die bislang regierenden Sozialdemokraten liegen mit schlaffen zwölf Prozent
in den Umfragen an zweiter Stelle. Die Rolle eines Juniorpartners von
Babiš‘ ANO werden sie aber nicht einnehmen.
Die anderen vier der acht Parteien, die die Fünfprozenthürde überspringen
dürften, haben sich gegen eine Koalition mit der ANO ausgesprochen: die
Grünen, die konservativen Parteien TOP 09, ODS und Christdemokraten.
Letztere könnten aber umfallen. Nicht nur weil sie berühmt-berüchtigt dafür
sind, eine Regierungsbeteiligung über Prinzipen zu stellen, sondern weil
sie schon die letzte Regierung mit Babiš gebildet haben.
20 Oct 2017
## AUTOREN
Alexandra Mostyn
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