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# taz.de -- Bundespräsident zu Besuch beim Papst: Eine Stunde mit Franziskus
> Frank-Walter Steinmeier hat seine erste Audienz beim katholischen
> Kirchenoberhaupt. Die beiden scheinen sich jede Menge zu sagen zu haben.
Bild: Beim Austausch von Weisheiten: Frank-Walter Steinmeier, Papst Franziskus …
Rom taz | Es ist Montagmorgen Punkt zehn Uhr, als der Papst den
Bundespräsidenten im Apostolischen Palast empfängt. Das vatikanische
Protokoll hat dafür gesorgt, dass Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau
Elke Büdenbender zuvor durch die Räume der zweiten Etage zum Audienz-Saal
geführt werden.
Vorneweg, vorbei an den seltsam bunten Schweizer Garden, schreiten
gemessenen Schrittes die Gentiluomini, etwa zwei Dutzend ältere befrackte
Herren. Vatikan-Kenner nennen die adeligen Männer mit den bunten Schleifen,
den Ketten und Orden auf der weißen Hemdbrust schlicht Hofschranzen. Sie
bringen etwas wie Außenwelt ins strenge Protokoll.
Eine Audienz beim Papst, für Frank-Walter Steinmeier ist es die erste in
seiner im März angebrochenen Amtszeit als Bundespräsident. Sein Vorgänger
Joachim Gauck war 2012 bei Franziskus' Vorgänger Benedikt in Rom, in diesem
Juni war auch Angela Merkel zu Besuch.
Als die beiden Männer schließlich aufeinander zugehen – der Bundespräsident
von links, der Papst von rechts kommend – ist Elke Büdenbender auf
wundersame Weise verschwunden. Der Papst in seinem weißen Gewand ergreift
Steinmeiers Rechte und sagt auf deutsch: „Guten Morgen, Herr Präsident.“
Großes Gerenne im Pressetross durch rückwärtige schmale Gänge, bis sich
dann die Tür zur riesigen Sala del Tronetto öffnet, wo die beiden einander
fürs Foto gegenübersitzen. Lächeln, Klickediklick, alle wieder raus. Die
hohe Diplomatie folgt strengen Regeln.
Papst Franziskus und der Bundespräsident halten sich trotzdem nicht daran.
Neunundfünfzig Minuten dauert das Gespräch zwischen den beiden.
Normalerweise – man muss das erfragen, was weiß man schon über die Abläufe
des Vatikans – ist während einer auf eine halbe Stunde angelegten Audienz
nach zwanzig Minuten Schluss. Es soll ja noch Zeit für die Begegnung mit
der Delegation geben, für Fotos. Dreißig Minuten Audienz gelten als
protokollarischer Ausreißer. Mehr sind außergewöhnlich. Eine Stunde
Vieraugengespräch bedeutet: Der Papst und der Bundespräsident scheinen sich
jede Menge zu sagen zu haben.
## „Ich war heimatlos und ihr habt mich beherbergt“
Beim anschließenden Fototermin begrüßt Franziskus auch die Delegation des
Bundespräsidenten. Auf einem Tisch stehen die auszutauschenden Geschenke
bereit, sie stellen sich davor und zeigen sie einander. Steinmeier hat ein
wertvolles Buch von 1900 mitgebracht, die Kupferstiche darin stammen aus
dem 17. Jahrhundert. Franziskus hat drei seiner Enzykliken dabei, außerdem
in einer weißen Schatulle ein Medaillon mit einer aktuellen,
programmatischen Inschrift. „Ich war heimatlos, und ihr habt mich
beherbergt.“ Mit leiser Stimme erklärt der Papst, er habe dieses Geschenk
extra zum Thema Flucht und Migration ausgewählt.
Es ist eine seltsame Atmosphäre. Alle flüstern, der riesige Raum mit den
Stofftapeten und Teppichen schluckt fast jedes Geräusch. Elke Büdenbender
ist Katholikin. Sie ist sichtlich gerührt, als sie mit dem Papst ein paar
Sätze wechselt. Es ist ein ungewohntes Schauspiel. Die Beteiligten auf
deutscher Seite – unter ihnen Annette Schavan, die Botschafterin beim
Heiligen Stuhl – sind allesamt Politikprofis. Über den Minuten mit dem
Papst in dessen Privatbibliothek aber liegt etwas Verzögertes, Ungewohntes.
Tatsächlich sagt Frank-Walter Steinmeier beim anschließenden Pressebriefing
gut gelaunt, er sei „wirklich beeindruckt“ von Papst Franziskus. Von dessen
Person, seiner offenen Art und seinen Positionen. Man habe ausgiebig über
das Bundestagswahlergebnis, die deutsche Flüchtlingspolitik und die weitere
Rolle der Kirche gesprochen. Als Bundespräsident habe er dem Papst
gegenüber den Wunsch zum Ausdruck gebracht, seine Kräfte für die
Entschärfung der damit zusammenhängenden Konflikte zu mobilisieren.
Franziskus habe ihm gegenüber das Thema Umwelt angesprochen, deren
Zerstörung zur globalen Flüchtlingskrise beitrage.
Ja, antwortete er auf die entsprechende Nachfrage, Franziskus habe ihn nach
der hohen Zustimmung der Deutschen zum Rechtspopulismus befragt. „Der Papst
war sehr informiert über die Ergebnisse.“ Er habe seinen Respekt bekundet,
wie Deutschland in der Flüchtlingskrise seine Verantwortung wahrgenommen
habe. „Und er hat seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass Deutschland sich
nicht abwendet von einem Problem, das uns begleiten wird.“ Während
Steinmeier spricht, beginnt hinter ihm die Glocke des Petersdoms zu läuten.
Eine fast schon witzige zeitliche Koinzidenz. Am Abend geht es zurück nach
Berlin.
9 Oct 2017
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Bundespräsident
Papst Franziskus
Elke Büdenbender
Papst Franziskus
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Frank-Walter Steinmeier
Papst Franziskus
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