| # taz.de -- Nächster NSU-Prozess: Schily gegen Özdemir | |
| > Der Ex-Innenminister und der Grünen-Chef streiten sich vor Gericht. Es | |
| > geht um einen Satz in einem Vorwort – und um den Umgang mit NSU-Opfern. | |
| Bild: Damals konnten sie besser miteinander: Otto Schily und Cem Özdemir im Bu… | |
| München taz | Saal 219, ganz hinten im zweiten Stock des Münchner | |
| Justizpalastes. Es ist ein kleiner Sitzungssaal. Von den Besuchergruppen, | |
| die an diesem Vormittag das Gericht besichtigen, verirrt sich keine | |
| hierher. Dabei sind es zwei politische Schwergewichte, die hier | |
| aufeinanderstoßen: Ein Duell zwischen Grünen-Chef Cem Özdemir und dem | |
| ehemaligen SPD-Politiker Otto Schily ist anberaumt. Ein Fernduell, | |
| ausgetragen von Özdemirs Anwalt Mehmet Daimagüler und dem Schily-Vertreter | |
| Maximilian Ott. | |
| Es geht vor allem um eine Frage der Ehre. Konkret streiten sich die beiden | |
| um einen Satz, im Vorwort von Özdemirs Buch „Die haben gedacht, wir waren | |
| das“ steht. Es geht darin um den NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße im | |
| Jahr 2004. Özdemir schreibt: „Ein terroristischer Hintergrund wurde bereits | |
| einen Tag nach dem Anschlag ausgeschlossen – von keinem Geringeren als dem | |
| damaligen Bundesinnenminister Otto Schily.“ | |
| Der exakte Wortlaut der Schily-Äußerung bei einer Pressekonferenz in Paris | |
| war: „Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden bisher gewonnen | |
| haben, deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein | |
| kriminelles Milieu.“ Nachsatz: „Aber die Ermittlungen sind noch nicht | |
| abgeschlossen, so dass ich eine abschließende Beurteilung dieser Ereignisse | |
| jetzt nicht vornehmen kann.“ Schily erwirkte zunächst eine einstweilige | |
| Verfügung gegen den Buchautor und reichte dann Klage ein. | |
| Özdemir geht es im Prozess um „politische Hygiene“, wie es sein Anwalt | |
| formuliert. Vor Gericht spricht Daimagüler, selbst auch Nebenklagevertreter | |
| im NSU-Prozess, von einer „unglaublichen Wirkungsmacht“, wenn der | |
| Bundesinnenminister als oberster Zuständiger von einem kriminellen Milieu | |
| spreche. Die nachgeschobene Einschränkung sei in Wirklichkeit auch gar | |
| keine, sondern habe dem Gesagten nur eine „Scheinobjektivität“ verliehen. | |
| ## Gericht regt an, sich gütlich zu einigen | |
| Das Gericht ist bereit, Daimagülers Bewertung der Schily-Aussage teilweise | |
| zu folgen. Ohne Zweifel sei es schrecklich für die Opfer gewesen, in der | |
| öffentlichen Wahrnehmung zu Tätern gemacht worden zu sein. | |
| Nur: Es gehe nicht um die Frage, ob Schily sich damals so hätte äußern | |
| dürfen oder nicht, sondern darum, ob die Bemerkung tatsächlich als ein | |
| Ausschluss einer terroristischen Tat zu bewerten sei. Schilys Worte sind | |
| aber nach Einschätzung des Gerichts nicht eindeutig, sondern haben nur eine | |
| Tendenz – und sind somit eben kein Ausschluss. | |
| Die Anregung des Gerichts, sich gütlich zu einigen, verhallt am Ende. | |
| Allenfalls wenn sich Schily bei den Opfern des Attentats entschuldige, | |
| könne er sich vorstellen, dass Özdemir zu einem Entgegenkommen bereit sei, | |
| sagt Daimagüler. | |
| Ihr Urteil wird die Kammer in zwei Wochen verkünden, eine Überraschung ist | |
| kaum zu erwarten. „Der Unterlassungsanspruch besteht“, sagt die Vorsitzende | |
| Richterin. Daimagüler kündigt an: „Mein Mandant wird notfalls bis vor den | |
| Bundesgerichtshof ziehen.“ | |
| 11 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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