# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Der Rezzo-Trick | |
> Der Politiker und Rechtsanwalt Rezzo Schlauch ist der | |
> Allzeitlieblingsgrüne des Politikboulevards. Eine Würdigung zum 70. | |
> Geburtstag. | |
Bild: Säbelt Fleisch vom Döner-Spies, wurde im Porsche gesehen, muss ein Schl… | |
Zu den zentralen Weltgewissheiten gehört es, dass Rezzo Schlauch zu seinen | |
Zeiten als „Obergrüner“ (Spiegel) einen Porsche hatte. Auch in der | |
taz-Redaktion zischten manche gern: „Dieser Schlauch fährt doch Porsche.“ | |
Damit war für sie alles gesagt. | |
Er hatte niemals einen. Er hatte neue grüne Thesen über moderne Mobilität | |
im Stern unterbringen wollen, was ja eine ziemlich verwegene Idee war. Nur, | |
wenn er sich dafür in einem Sportwagen fotografieren lasse, sagten die | |
Stern-Jungs. Sie wussten: Den Text liest bei uns eh keiner. | |
Eine der neuen Thesen der Fraktion war die grüne Akzeptanz des Autos im | |
Angesicht der wachsenden globalen Mittelschichten und ihrer berechtigten | |
Ansprüche. So quetschte sich der Fraktionsvorsitzende der mitregierenden | |
Bundesgrünen im Herbst 2000 für die gute Sache vor dem Brandenburger Tor in | |
so eine Flunder, die allerdings mit Normverbrauch von 3,4 Litern Diesel | |
protzte, also Öko-Hightech war. | |
Schlauch, selbst ein First Mover als Car-Sharer, wollte Öko als Gewinn für | |
Individuum und Gesellschaft erzählen statt als Verzicht, zitierte Janis | |
Joplins „Mercedes Benz“ („My friends all drive Porsches“) und feierte d… | |
Gefühl der „Freiheit der Bewegung“. Aber dafür waren die Grünen in den | |
Augen von Teilen der Partei und auch der Gesellschaft nicht gegründet | |
worden. So blieb hängen: Rezzo. Porsche. Schlimm. Die Moralisierung wendet | |
sich gegen den, der sie überwinden will. | |
An einem Tag im September dieses Jahres betritt Schlauch in Stuttgart sein | |
Lieblingsrestaurant und darf sich den Tisch aussuchen. Gehobene griechische | |
Küche. Schmeckt großartig. „Ich hab das mit dem Porsche niemals | |
dementiert“, sagt er, „irgendwie fand ich das witzig“. | |
Und irgendwie ist es auch traurig, dass Schlauch damals schon alles | |
runterbetete, was moderne Mobilität ausmacht, und zudem die deutsche | |
Autoindustrie beauftragte, bis 2006 „ein Silicon Valley für | |
energieeffiziente und umweltschonende Automobiltechnik entstehen“ zu | |
lassen. | |
Bis heute keine Rede davon. Und den kulturellen Stillstand der Bundesgrünen | |
kann man daran sehen, dass die letzte Spitzenkandidatin auch 2017 noch den | |
politischen Mitbewerber Lindner als Porsche-Fahrer abqualifizieren wollte | |
und „Heimat“ für manche der Feind ist. | |
Die Porsche-Story steht dafür, dass Rezzo Schlauch neben Joschka Fischer | |
der All-time-Lieblingsgrüne des Politikboulevards ist, inklusive Spiegel | |
und Stern. Sie steht dafür, dass das eine gute Sache ist, weil er die Leute | |
als Mensch interessiert, mit seiner habituellen Radikalität, seiner | |
Emotionalität, seinem Rock-’n’-Roll-Hedonismus, seiner modernen | |
Heimatverbundenheit und seinem ostentativen Willen zu einem guten und | |
freien Leben und Lebenlassen. | |
Und sie steht bei aller berechtigten Kritik an ihm dafür, dass Schlauch den | |
kulturellen und politischen Fortschritt suchte und personifiziert – die | |
sozialökologische Mehrheitsfähigkeit in der Gesellschaft. | |
Wenn Schlauch im Bierzelt sprach, stieg der Umsatz. Und die Stimmung. Sie | |
kamen mit ihren Trittin-Grünen-Klischees im Kopf. Am Ende war Schlauch | |
einer von ihnen. Nicht einer gegen sie. Klassischer Wählerspruch: „Die | |
Grünen würde ich nie wählen, aber Rezzo auf jeden Fall.“ | |
Sie wählten Rezzo und fühlten sich so von und vor den Grünen beschützt. Das | |
ist der Rezzo-Trick. Mit ihm hat Winfried Kretschmann die Grünen zur | |
führenden Volkspartei in Baden-Württemberg gemacht. Nur dass Kretschmann | |
wirklich Mercedes fährt. Und Schlauch heute BMW. | |
In dieser Woche ist Rezzo Schlauch 70 geworden. Long may you run. | |
7 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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