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# taz.de -- Verlorenes Champions-League-Spiel: Berechenbare Borussia
> Die Niederlage gegen Real Madrid wirft die Frage auf, ob die Strategie
> von BVB-Trainer Bosz internationalen Ansprüchen genügen kann.
Bild: Spielerisch durchschaubar: der BVB unter Anleitung von Peter Bosz
DORTMUND taz | Selbstverständlich verfolgte Zinedine Zidane nicht die
Absicht, unhöflich zu sein. Vermutlich wusste der Trainer von Real Madrid
gar nicht, dass er tief hineinstach in die frische Wunde, die den BVB nach
der zweiten Champions-League-Niederlage im zweiten Spiel schmerzte. Mit 3:1
hatten die Spanier in Dortmund gewonnen, zum ersten Mal überhaupt nach
zuvor sechs Besuchen im Westfalenstadion, nun erläuterte Zidane fröhlich,
wie leicht es ihm diesmal gefallen sei, sich auf den BVB vorzubereiten.
„Wir haben sie oft beobachten lassen, sie spielen sehr offensiv, sie wollen
den Ball haben und das Spiel machen“, trug Zidane vor, im Subtext hieß das:
Borussia Dortmund ist unter Peter Bosz berechenbar, gut durchschaubar und
für spielerisch derart versierte Teams wie Real ein eher angenehmer Gegner.
Tatsächlich gab es schon vor dem Spiel Debatten, ob Bosz nicht ein wenig
eindimensional agiert, wenn er glaubt, mit der Strategie, die gegen den HSV
gut funktioniert, auch Real Madrid schlagen zu können. Nach dieser
Niederlage gewinnt die Diskussion noch einmal an Dynamik. Die Räume, die
sich oft in der Dortmunder Spielhälfte ergeben, sind ein Paradies zur
Selbstentfaltung für Virtuosen wie Gareth Bale, den zweifachen Torschützen
Cristiano Ronaldo oder Luca Modric.
Der holländische Trainer des BVB entschied sich dennoch, seine Spieler zu
kritisieren, statt über die eigene Herangehensweise nachzudenken: „Wir
waren sehr schlecht, wir kamen überall zu spät, das war nicht das
Dortmund-Niveau.“
Eine Grundsatzdiskussion über die eigene Taktik blockte er dagegen rigoros
ab. Mehrfach wurde er gefragt, ob der äußerst aggressive Pressingfußball
nicht zu riskant sei gegen ein Weltklasseteam wie Real Madrid. Seine
Antwort blieb ausweichend: „Wenn Stürmer und Mittelfeldspieler nicht
richtig Druck machen können, dann wird es schwer für die Verteidigung“,
sagte er, ohne die eigentliche Frage zu beantworten.
## Feinste Fußballunterhaltung
„Wir wollten hoch pressen, aber Real hat sich immer sehr gut gelöst, wir
haben uns sehr schwergetan, unser Spiel durchzuziehen“, konstatierte der
starke Torhüter Roman Bürki nach dem Abpfiff. Hätte der BVB tatsächlich
ähnlich dominant auftreten können wie gegen ein Mittelklasseteam der
Bundesliga, wäre das auch sehr erstaunlich gewesen, schließlich handelt es
sich bei Real Madrid mit großer Wahrscheinlichkeit um die derzeit beste
Fußballmannschaft der Welt.
Vor diesem Hintergrund habe der BVB den Plan sogar einigermaßen
„ordentlich“ umgesetzt, fand Nuri Sahin, und tatsächlich boten beide Teams
dem Publikum feinste Fußballunterhaltung: Das Spiel wogte hin und her,
beide Strafräume waren hoch frequentiert, und mit etwas Glück hätten die
Dortmunder in der ersten Hälfte einen Handelfmeter bekommen und Mitte der
zweiten Halbzeit nach einer Chance von Pierre-Emerick Aubameyang den
Ausgleich erzielen können. Dieser Art der Überlegungen mochte Bosz aber
nicht folgen, sein Team habe „verdient verloren“. Basta.
Der Holländer ist ein bemerkenswert konsequenter Mann, er hält genauso an
seinem typisch holländischen 4-3-3-System fest wie an seiner riskanten
Vorwärtsverteidigung. Erst als die Dortmunder in der letzten halben Stunde
einem 1:2 hinterherliefen, stellte er auf Dreierkette um, was das Spiel des
BVB noch offensiver, noch riskanter machte.
Die Idee, für jeden Gegner sauber zugeschnittene Spezialstrategien zu
entwerfen, wie es viele der gefeierten Jungtrainer machen, ist für Bosz
keine Option. „Jeder hat zu verstehen, das ist unser Spiel, egal ob wir
gewinnen oder verlieren. Mal verlieren wir, aber im nächsten Spiel machen
wir vielleicht sechs oder sieben Tore“, verkündete der Kapitän Sokratis.
Die mitreißenden Erfolge in der Bundesliga geben Bosz ja auch recht. Nur
auf Spitzenniveau scheint dieser Fußball schwerer durchsetzbar zu sein.
Wobei man dem 53-Jährigen selbstverständlich zugestehen muss, dass seine
Arbeit in Dortmund erst vor Kurzem begonnen hat, dass die Mannschaft den
Bosz-Stil sicher noch verfeinern und perfektionieren kann. Und dennoch
erinnert der Holländer derzeit ein wenig an den in Leverkusen gescheiterten
Roger Schmidt, der anfangs sehr erfolgreich war, dogmatisch an seinen Ideen
festhielt, aber irgendwann dann doch die Mannschaft verlor.
27 Sep 2017
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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