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# taz.de -- Einsetzende Fußballmüdigkeit: Ich spiel nicht mehr mit
> Einst war er ein großer Fan von Werder Bremen. Dann verlor unser Autor
> den Spaß an seinem einstigen Lieblingssport.
Bild: Max Kruse verletzt! Das war's dann mit der Leidenschaft
Um gleich eines klarzustellen: Früher war nicht alles besser. Dafür sorgt
schon die Evolution, die natürlich auch vor dem Sport nicht haltmacht. Wenn
Ihnen jemand weismachen will, dass die deutsche Nationalmannschaft von 1974
ohne weiteres wieder Weltmeister werden könnte, dann ist das einfach ein
alter Spinner.
Fußball ist schon seit Jahrzehnten ein Vollzeitberuf. Die Welt, in der das
Traumteam ihres alten Spinners spielt, gibt es nicht mehr. Der Hintergrund,
aus dem Rahn schießen müsste, wird heute von einer Doppelsechs oder einer
Dreierkette versperrt. Notfalls von beidem. Ende der Diskussion.
Kein Wunder, dass Fußballfans wie ich aus reiner Notwehr nostalgisch
werden. Für einen 51-Jährigen wie mich, der aufgrund einer unheilbaren
Krankheit seit drei Jahren auf einen Elektroscooter angewiesen ist und der
sein letztes Spiel auf irgendeiner Wiese kurz nach der Jahrtausendwende
bestritt, bleibt eigentlich nur ein allwöchentlicher Termin, der heilig
geblieben ist. Weitgehend jedenfalls.
## Rudi fährt Porsche
Samstag, halb vier. Erlauben Sie einem Rentner im beginnenden sechsten
Lebensjahrzehnt einen kleinen Ausflug ins letzte Jahrtausend. Spätestens
eine Stunde nach dem Mittagessen rollte Rudi, der Vater des Autors dieser
Zeilen und mittlerweile mitten im achten Lebensjahrzehnt angekommen, den
Familienwagen aus der Garage. Natürlich träumte er eigentlich von einem
Porsche, aber mehr als einen Mittelklassewagen wie einen Mazda 323 gab das
Familienbudget einfach nicht her. Dass Rudi sich seinen Traum zwei
Jahrzehnte später erfüllte, sei hier nur am Rande erwähnt. Denn kurz nach
dem Erwerb hatte er den ersten von mehreren leichten Schlaganfällen.
Es war also Samstag, kurz nach halb vier. Der Autor selbst rollte sein
Bonanzarad aus der Garage. Natürlich mit Dreigang-Schaltung und
Hirschgeweih-Lenker. Leider war der Autor dieser Zeilen in diesem
Spätsommer erst acht Jahre alt. Wenn Mädchen ihn umschwärmt hätten, hätte
er gar nicht gewusst, wohin mit seinen neuen Fans. Die meisten seiner
Klassenkameraden zogen die Mädchen noch an den Haaren. Aber dafür war die
Sache mit dem Fußball einfach zu ernst. Gerade im Spätsommer 1974. Wo man
gerade Weltmeister geworden war.
In den Jahrzehnten danach passierte einiges, das einem Werderfan für immer
unvergesslich bleiben wird. Der Abstieg 1980 zum Beispiel, gefolgt vom
direkten Wiederaufstieg. Der Europapokal der Pokalsieger 1992 natürlich.
Oder das Double 2004. Das allerdings war schon deutlich überschattet. Ihr
Kolumnist lebte damals in einer 30-Quadratmeter-Butze in
Berlin-Charlottenberg, komplett mit Ofenheizung und Etagenklo. Natürlich
hörte er am letzten Spieltag die Bundesliga-Livekonferenz, wie er es viele
Jahre zuvor schon in Cuxhaven getan hatte. Aber da die Werderfans in Berlin
dünn gesät sind und da das Verhältnis zu seinem Vater ziemlich abgekühlt
war, galt es die Meisterschaft ganz allein zu bejubeln.
Letzte Woche kam der Tag, an dem dem Autor der Fußball abhanden kam. Und
zwar völlig unerwartet. Obwohl: Fußballfreie Tage gab es schon seit Jahren
nicht mehr. Denn der Spieltag dauerte schon lange nicht mehr magische zwei
Stunden am Samstagnachmittag, an dem das übrige Leben Pause hatte. Von
Freitagabend bis Sonntagabend wurde eigentlich ständig gespielt, und für
Samstag zwischen halb vier und halb sechs war nur noch ein
bemitleidenswerter Torso von vier bis fünf Spielen übrig geblieben.
## Max wird gestützt
Vierter Spieltag der Saison 2017/18. Werder Bremen, empfing Schalke 04. Das
Weserstadion war ausverkauft. Kurz vor halb vier rollte also der Autor
seinen Handrollstuhl vor den Computer, startete Spiegel Online, schlug
lässig die Füße übereinander – und schlief ein. Er schlief ein, obwohl
seine Mannschaft im ausverkauften Weserstadion spielte. Irgendwann
schreckte er hoch. Obwohl: Eigentlich zog er müde die Lider nach oben.
Im Weserstadion stand es eins zu eins. Der Bremer Führung war fast im
Gegenzug der Ausgleich gefolgt, und soeben musste Max Kruse vom Platz
gestützt werden. Irgendein Schalker hatte ihn gefoult und dabei anscheinend
übel verletzt. Ausgerechnet Max Kruse. Werders bester Stürmer, und der
Einzige noch dazu, der vielleicht für die Weltmeisterschaft 2018 nominiert
wird. Im Weserstadion war wahrscheinlich die Hölle los!
Abends kam dann noch Marko vorbei. Der Mann ist Krankenpfleger und wird
seit zwei Jahren dafür bezahlt, abends Menschen wie mich ins Bett zu
bringen. Wie immer trug Marko sein Smartphone wie ein Schwert in der Hand,
bereit, mich mit statistischen Informationen zu versorgen. Allein:
Statistik macht mich immer müde. Als Marko das Licht löschte, schlief ich
schon fast. Samstag ist wieder Bundesliga. Mir doch egal.
23 Sep 2017
## AUTOREN
Knud Kohr
## TAGS
Werder Bremen
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Alexander Nouri
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