# taz.de -- BERLINER WOCHENKOMMENTAR II: Erwartbar große Empörung | |
> Eine Studie will untersuchen, wie Lehrer über das Thema sexuelle Vielfalt | |
> denken: Das ist eine sinnvolle Sache, wäre da nicht diese heikle Frage. | |
Bild: Müssen Lehrer eigentlich jede Frage beantworten? | |
Eine Studie will herausfinden, wie Lehrer über das Thema sexuelle | |
Vielfaltdenken: Stehen sie dem eher offen oder doch ablehnend gegenüber? | |
Wie viel wissen sie überhaupt, zum Beispiel über Intersexualität? | |
Thematisieren sie es im Unterricht, wenn auf dem Schulhof jemand als | |
„Schwuchtel“ beschimpft wird? Sinnvolle Sache, findet die | |
Arbeitsgemeinschaft Schwule Lehrer bei der Gewerkschaft GEW. Wichtig sei | |
diese Befragung, sagen unisono die queerpolitischen SprecherInnen von | |
Linken, Grünen und der SPD. | |
Da haben sie Recht: Wer wissen will, muss Fragen stellen. Und gerade Schule | |
darf beim Thema Diskriminierung keine Blackbox sein. Umso ärgerlicher, dass | |
sowohl die beteiligten Wissenschaftler von Humboldt-Universität und der | |
privaten Sigmund Freud Universität als auch die Senatsbildungsverwaltung | |
als Auftraggeberin den Erfolg der Studie, die zu Wochenbeginn öffentlich | |
wurde, so unbedacht aufs Spiel setzen: „Was ist Ihre sexuelle | |
Orientierung?“, heißt eine der letzten Fragen. Mit anderen Worten: Sind Sie | |
schwul? | |
Klar, dass sich die Medien darauf stürzen würden: „Hetero oder nicht? – | |
Sex-Schnüffelei an Berlins Schulen“, schrillt die B.Z. Klar, dass die CDU, | |
zumal so wenige Tage vor der Bundestagswahl, sich extrem empört geben würde | |
und in Windeseile den parlamentarischen Antrag fertig hatte, mit dem sie | |
diese „abstruse Befragung“ unverzüglich beenden will. Da können die | |
Forscher wie auch die Berliner Datenschutzbeauftragte hinterher noch so | |
sehr beteuern: Alle personenbezogenen Angaben – und die Studie fragt davon | |
reichlich ab – würden selbstverständlich codiert oder gelöscht. | |
Denn selbst wenn alles ganz korrekt sein sollte beim Datenschutz, bleibt am | |
Ende offen: Warum braucht es diese heikle Frage nach der sexuellen | |
Orientierung überhaupt? Zumal die Forscher nach dem ganzen Schlamassel | |
selbst betonten: Die Frage sei nur „ein (vergleichsweise unbedeutender) | |
Faktor unter vielen anderen“. | |
Eigentlich hätte man sie also auch weglassen können? Aber so durften die | |
Forscher jetzt nochmal viel Zeit darauf verschwenden, gerade zu rücken, was | |
im Prinzip alle wissen: Nur weil man Hetero ist, ist man noch lange nicht | |
homophob, und nicht in jedem Schwulen wohnt ein liberaler Geist. Bleibt zu | |
hoffen, dass die Studie durchkommt – und der Erkenntnisgewinn am Ende für | |
alle Seiten groß ist. | |
23 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
## TAGS | |
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Intersexualität | |
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Gender | |
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