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# taz.de -- Prozess wegen sexuellen Mißbrauchs: Der Kuscheltyp mit der Kamera
> In Augsburg steht der Ex-Landtagsabgeordnete Linus Förster vor Gericht –
> wegen sexuellen Missbrauchs und Kinderpornografie.
Bild: Vor Gericht in Augsburg
Augsburg taz | Linus Förster gesteht. „Er hat ja gar keine andere Wahl“,
kündigte sein Anwalt Rubach schon vor Prozessauftakt am Montag an. Denn die
Liste der Vorwürfe gegen den ehemaligen bayerischen
SPD-Landtagsabgeordneten ist lang, die Beweise sind erdrückend. 20 Seiten
umfasst die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Augsburg. Mehr als die
Hälfte davon macht die „beispielhafte“ Aufzählung von sogenannten
kinderpornografischen Schriften aus.
In Wirklichkeit sind es Fotos und Videos. Sie heißen 00104.jpg, tr-408.jpg
oder v81-15.avi. Insgesamt 1338 Dateien hat die Polizei beschlagnahmt,
viele davon auf einer selbst gebrannten CD mit dem skurrilen Titel „Erotic
Met Art 15 Peter Safty!“. Doch das ist nicht alles: Schweren sexuellen
Missbrauch, Körperverletzung, versuchte Nötigung und das heimliche Filmen
von Frauen beim Sex wirft die Staatsanwaltschaft Förster vor.
Vor gut einem Jahr, da war er noch wer. Hier in seiner schwäbischen Heimat
sowieso, aber auch in München. Manchen galt er als SPD-Hoffnungsträger,
zumindest als politisches Talent. Seit 2003 war er im Bayerischen Landtag.
Er war jugendpolitischer Sprecher seiner Fraktion, in seiner Freizeit
betätigte er sich auch gern als Musiker.
Am Montag nun steht er im Schwurgerichtssaal 101 im Landgericht Augsburg,
schwarzes Sakko, graues Hemd, das Gesicht zerknittert, Haarsträhnen hängen
in die Stirn. Die Stimme jedoch ist fest. Förster räumt die schweren
Vorwürfe „weitestgehend“ ein, spricht auch sehr freimütig über sein
Intimleben. Nur: So ganz vermag das Geständnis nicht zu überzeugen. Was
Förster einräumt, ist vor allem das, was angesichts der Beweislage kaum
abzustreiten ist.
## Laufende Kamera entdeckt
Dass der einzige Missbrauchsfall, den Förster bestreitet, einer von nur
zweien war, bei denen keine Kamera lief, mag zumindest Fragen aufwerfen.
Besonders eigenartig nehmen sich aber auch die Erklärungsversuche Försters
aus, als es um die Kinderpornos geht. Er habe halt einen
„Archivierungsspleen“, sagt Förster dem Gericht. Er habe keine pädophilen
Neigungen, empfinde Kinderpornografie als widerlich. Sein Anwalt spricht
von einem Spiel mit dem Feuer, von der Lust am Verbotenen. Er habe sich
übermäßig mit sexlastigen Themen befasst, sagt Förster, und wahllos Dateien
heruntergeladen. „Ich kann keine befriedigende Antwort geben.“ Das stimmt.
Der Anfang vom Ende der Karriere des Heinrich F., wie Förster auf dem
Aushang vor dem Saal genannt wird, lässt sich auf den 9. September 2016
datieren: In Augsburg besucht er eine Prostituierte. 15 Minuten Sex für 50
Euro hat er mit ihr vereinbart. Doch bevor es dazu kommt, entdeckt die Frau
eine laufende Kamera, die Förster zu verstecken versuchte. Empört gibt die
Prostituierte Förster sein Geld und seine Kamera zurück – den Speicherchip
behält sie. Es gibt ein Gerangel, doch als eine weitere Prostituierte
dazukommt und mit der Polizei droht, verschwindet Förster. Am nächsten Tag
geht die Frau zur Polizei, die Ermittlungen beginnen.
Es dauert einige Wochen, bis Förster identifiziert wird. Dafür ist das
Ergebnis der Razzien in der Wohnung des Politikers wie auch in seinen
Büroräumen beim SPD-Unterbezirk in Augsburg umso ergiebiger: Die
beschlagnahmten Bild- und Videoaufnahmen geben Anhaltspunkte für weitere
Ermittlungen, an deren Ende sich in den Augen der Staatsanwalt folgendes
Bild ergab: Schon 2012 soll Förster zweimal mit seiner damaligen Freundin
geschlafen haben, als diese ein Schlafmittel eingenommen hatte und deshalb
in einem Dämmerzustand gewesen sei. Bei den Gelegenheiten filmte er sie
heimlich.
2014 soll er nach einer Geburtstagsparty eine andere Frau ebenfalls im
Schlaf missbraucht haben. Ein paar Wochen später soll er dasselbe in seiner
Wohnung mit einer Freundin versucht haben. Weitere Frauen wurden heimlich
von F. gefilmt, als sie einvernehmlichen Sex mit ihm hatten, eine
20-Jährige auch bei einem „erotischen Fotoshooting“.
## Den Opfern Fragen ersparen
Ob die Filmerei so etwas wie „Trophäensammeln“ gewesen sei, will der
Vorsitzende Richter wissen. „Wahrscheinlich muss man es so verstehen“,
antwortet Förster. Sein Sexualleben bezeichnet er jedoch
überraschenderweise als „eher unspektakulär“. Er sei mehr so der zärtlic…
Kuscheltyp und auch nicht krankhaft sexsüchtig, gibt aber zu, dass er Sex
als Bestätigung gebraucht habe.
Als die Anerkennung irgendwann ausblieb, seien die Depressionen gekommen.
Da habe er dann auch begonnen, „mit Grenzüberschreitungen zu arbeiten“.
Wegen seiner narzisstischen Störung sei er auch schon mehrfach in
ambulanter und stationärer Therapie gewesen. Als er am 15. Dezember 2016
festgenommen wurde, befand sich Förster in einer psychosomatischen Klinik
im niederbayerischen Bad Griesbach.
Das Gericht hofft, den Fall in nur fünf Verhandlungstagen abzuhandeln,
Försters Opfern möglichst viele Fragen zu ersparen. Das ist auch im
Interesse des Expolitikers, der durch sein Geständnis auf stark
strafmildernde Umstände hoffen kann. Von knapp vier statt rund sechs Jahren
Haft ist die Rede. An manche der Frauen hat Förster bereits zwischen 4.000
und 20.000 Euro im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gezahlt.
Einmal sagt er während des Verfahrens: „Ich habe mich immer dagegen
gewehrt, ein ganz normaler Landtagsabgeordneter zu sein.“ Dieses Schicksal
ist Linus Förster erspart geblieben.
18 Sep 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Sexuelle Gewalt
Justiz
Kinderpornografie
sexueller Missbrauch
SPD
SPD Bayern
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