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# taz.de -- Tourismus in Nordkorea: Ausflug in eine Gruselwelt
> Staatsführer Kim Jong Un will ausländische Gäste ins Land locken. Dabei
> hat er besonders die Russen als neue Zielgruppe im Auge.
Bild: Looking at Touristen: Kim Jong Un
Moskau taz | Nordkorea kann auch anders. Nicht immer muss das Regime mit
abstürzenden Raketen auf sich aufmerksam machen. Zumindest Richtung
Russland zündete Pjöngjang eine Charmeoffensive. „Lernen Sie das
vielseitige Leben im verschlossensten Land der Welt“ kennen“, wirbt der
Reiseveranstalter freimütig. Es ist das russische Reiseunternehmen
nkorean.ru, das die Kim-Dynastie mit einer Lizenz ausstattete.
Organisierte Touren in Gruppen bis zu zehn Teilnehmern, aber auch
Individualreisen sind im Programm. Geboten wird „volles Eintauchen“ in die
Kultur des Landes und Abendspaziergänge, die „sicherer sind als in London“.
Das soll wohl eine Anspielung auf die jüngsten Terroranschläge in der
britischen Hauptstadt sein, bei denen Touristen ums Leben kamen.
Washingtons Drohungen, dem irrlichternden Staatsführer militärisch zu
antworten, werden in Pjöngjang anscheinend nicht für bare Münze genommen.
Um die Münze geht es dem System buchstäblich, das seit jeher an
Devisenknappheit leidet.
Einen Ausweg soll nun der Tourismus schaffen. Bis 2020 will Kim Jong Un
zwei Millionen Gäste bei sich empfangen. Bislang wagten sich kaum mehr als
100 000 Abenteuerlustige pro Jahr in das abgeschottete Reich. Darunter
schätzungsweise 5000 aus Europa und Nordamerika.
## Todesursache ungeklärt
Deren Reiselust dürfte unterdessen etwas geschwunden sein, nachdem der
amerikanische Student Otto Warmbier verstorben ist. Der 22-Jährige hatte
anderthalb Jahre wegen eines Plakatdiebstahls im Lager gesessen. Die
Todesursache ist ungeklärt, vermutlich wurde er gefoltert, bevor er in
einen komatösen Zustand fiel.
Besonders zahlreich besuchen Chinesen das Nachbarland. Sie seien auf der
Suche nach ihrer Vergangenheit, vermutet ein russisches Blatt. In Nordkorea
könnten junge Chinesen die beklemmende Welt der älteren chinesischen
Generation noch einmal authentisch nacherleben.
Der Veranstalter macht auch kein Hehl daraus, dass der russische Tourist
vor der Reise auf Herz und Nieren „überprüft“ wird. Auf der Tour begleiten
ihn kundige Führer. Sie tragen Sorge dafür, dass sich der Reisende „adäquat
verhält“. Und nicht etwa Plakate einsteckt wie Warmbier. Dunkle Zeiten,
dunkle Seiten, das alles kennt der russische Besucher noch oder erfährt es
gerade wieder aufs Neue.
Eine lange Liste mit Verhaltensregeln reicht der Veranstalter als Handout.
Der Führer garantiert nicht nur Sicherheit, der Reisende kann ihn auch als
Sekretär einsetzen, heißt es dort. Ein Plausch mit Einheimischen wird
unterdessen nicht empfohlen, auch Gespräche über Tod, Scheidung und
Misserfolge sollten tunlichst vermieden werden, da sie Unglück anlocken.
Nichts Neues für Russen, die dies aus dem umfangreichen vaterländischen
Fundus des Aberglaubens selbst kennen.
## Keine Löffel im Reis
Auf keinen Fall sollten sie jedoch Löffel oder Stäbchen im Reis stecken
lassen. Bei Einheimischen wecke das Assoziationen an Begräbnisse. Auch
sollte der Reisende keinen Tee zum Abkühlen in die Untertasse gießen und
diese aufrecht zum Mund führen.
Lapschu, das Nudelgericht, darf er hingegen mit gesenktem Haupt und
schmatzend vom Teller schlürfen. Außerdem:“ In Korea ist es nicht üblich,
mit geschlossenem Mund zu essen“. Dies wird leider nicht ausgeführt.
Kurzum, Nordkorea präsentiert sich als „Land guter Manieren“.
Nordkoreaner seien ohnehin sehr liebenswürdig und wohlwollend. Wen das
verwundere, der solle sich klarmachen: der Nordkoreaner wisse nicht, dass
seinem Land im Rest der Welt das Image eines Aggressors anhafte.
Weitestgehend unbekannt ist auch der lockere Umgang der Songun Ideologie –
die Armee zuerst – mit Drogen. Marihuana ist nicht verboten. In der
Freihandelszone Nason – im äußersten Norden an der Grenze zu China und
Russland – wird der Stoff frei verkauft. Das Kilo für umgerechnet drei
Euro. Hauptabnehmer sind Chinesen, die allerdings mehr zahlen müssen. Die
meisten Nordkoreaner ahnen nicht, dass das Gras andernorts verboten ist.
## Hervorragende Hundesuppe
In den 1980er Jahren führte Pjöngjang Öl aus Marihuanasamen als Ersatz für
Speiseöl ein. Seither wächst das Kraut wild auch in anderen Landesteilen.
Nahrungsmittelknappheit kreierte auch schon andere Delikatessen. „Dangogi“
etwa, dahinter verbirgt sich „hervorragendes Fleisch“, das vom Hund
nämlich. Das steht nicht auf dem Speiseplan der Reisegruppe, die Hundesuppe
galt jedoch lange als „bestes Gericht für verschwitzte Arbeiter in heißer
Jahreszeit“.
Inzwischen hat auch eine Fährverbindung zwischen Radjin und Wladiwostok den
Betrieb aufgenommen. Die Fähre trägt den Namen Man Gyong Bong. Sie bringt
Russen in die Orangerie von Radjin, chinesische Touristen und Nordkoreaner
als Arbeiter nach Russland. Eine vierzehntägige Tour kostet 118.000 Rubel,
umgerechnet 1700 Euro. Getränke und Rauchwaren nicht inbegriffen.
31 Aug 2017
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Kim Jong Un
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Tourismus
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