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# taz.de -- Nachwuchs in der CDU: Der Getriebene
> Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, will nun in den
> Bundestag. Es könnte nicht sein letzter Karriereschritt sein.
Bild: „Wäre ich in der SPD, würde jeder sagen: Toll, wie er das geschafft h…
Berlin taz | Gerade hatte Paul Ziemiak Geburtstag. 32 Jahre alt ist der
Vorsitzende der Jungen Union geworden, gratuliert hat ihm unter anderem:
Jens Spahn. Die beiden haben an dem Tag zusammen Wahlkampf in Bochum
gemacht; auf dem Selfie, das Spahn getwittert hat, gucken die zwei ziemlich
happy. Spahn ist der spätjugendliche Provokateur der Unions-Konservativen,
Ziemiak seit drei Jahren Vorsitzender der Jungen Union, der
Nachwuchsorganisation von CDU und CSU. Ein machtvolles Amt, dem immer auch
die Verheißung auf weit machtvollere Ämter innewohnt. Nun steht der nächste
Karriereschritt an.
Paul Ziemiak, geboren 1985 als Pawel Ziemiak im polnischen Stettin,
kandidiert im Wahlkreis Herne-Bochum II für den Bundestag. Auf der Liste
der NRW-CDU hat Ziemiak den elften Platz, das ist richtig gut für einen,
der es wagt, die Landesebene mal eben zu überspringen. Es müsste also auf
den letzten Metern vor dem Wahltermin schon eine Menge schieflaufen, damit
aus dem JU-Chef Ziemiak nicht auch ein Abgeordneter des nächsten
Bundestages würde.
An einem Wahlkampffreitag in Berlin, auf seinen offensichtlich mächtigen
Ehrgeiz angesprochen, sagt Ziemiak – weißes Hemd, Chino, Ray-Ban –,
Vorhaltungen dieser Art nervten ihn zunehmend. „Wäre ich in der SPD, würde
jeder sagen: Toll, wie er das geschafft hat. Bei einem CDUler heißt es
aber: Karrierist.“ Damit hat der 1988 mit seinen Eltern aus Polen nach
Nordrhein-Westfalen gekommene Ziemiak vermutlich sogar recht.
Aufsteigergeschichten hat die SPD weiß Gott nicht exklusiv. Im SZ-Magazin
erschien kürzlich ein langes Porträt über ihn, Titel: „Der Anpasser“.
Die Partei, der pro Legislatur Hunderttausende StammwählerInnen wegsterben,
braucht genau solche wie ihn. Leute mit einer Geschichte, mit der sich
wieder andere verbinden können. Bis auf den Umstand, dass Ziemiak keine
Frau ist, passt er exakt in das Profil jener, die die CDU seit Jahren
massiv anbaggert: jung und migrantisch. Verheiratet, Vater, katholisch. Mit
Brüchen in der Biografie.
## In der Reserve für die Zeit nach Merkel?
Ziemiak, das Kind aus „einfachen Verhältnissen“, hat als junger Mann seine
Mutter verloren. Er musste sein Studium abbrechen. Habituell wirkt er
unglaublich gestresst. Aber auch stets höflich, freundlich, aufmerksam. Er
ist ein Blitzmerker, der gekonnt zwischen den Themen springt, kommunikativ
mit „Ganz ehrlich“-Sätzen Nähe herstellt, um anschließend um Diskretion …
bitten. Ein Getriebener wie so viele Berufspolitiker.
Irritierenderweise hat ausgerechnet er, das Kind polnischer Spätaussiedler,
auf dem letzten CDU-Parteitag eine Breitseite gegen MigrantInnen gefahren.
Mit seiner Jungen Union schaffte er es, einen Beschluss gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft durchzusetzen. Unterstützt wurde er vom
Präsidiumsmitglied Spahn. Der sprang auf die Bühne und rief unter dem Jubel
der Delegierten, es sei keine Zumutung, jungen Menschen eine Entscheidung
für oder gegen Deutschland abzuverlangen.
Der Eklat war perfekt. Ziemiak und Spahn hatten damit ihrer Vorsitzenden,
der Flüchtlingskanzlerin, offen die Stirn geboten. Seither gelten die
beiden – zusammen mit dem Vorsitzenden der Mittelstands-Union Carsten
Linnemann – als junge Reserve für die Zeit nach Merkel. Denn klar ist: Der
Tag, an dem Angela Merkel zum vierten Mal Kanzlerin werden sollte, ist auch
der erste Tag, ab dem ihre Nachfolge deutlich unverhohlener diskutiert
wird. Jetzt, im Wahlsommer 2017, sagt Ziemiak über die Chefin: „Unser
Verhältnis ist sehr gut.“
Danach gefragt, ob er mit Spahn und Linnemann die nächste
Führungsgeneration der CDU verkörpert, wiegelt Ziemiak ab. „Ich glaube, das
mit uns dreien wird übertrieben dargestellt.“ Man kenne sich einfach gut
aus dem Landesverband und sei „schon qua Alter die nächste Generation“.
## „Zuwanderung muss gesteuert werden“
Ziemiak, dunkles Haar, rollendes R, arbeitet an seinem Bekanntheitsgrad. Er
sitzt häufig in Talkshows, gibt jede Menge Interviews. Und wenn die
Bild-Zeitung mal jemanden braucht, der Themen etwas härter anfasst – dann
ist sie bei ihm genau richtig. Über den laufenden Wahlkampf etwa spricht er
von „No-go-Areas“ für Helfer, die beim Plakatehängen angepöbelt werden. …
Leitkulturdebatte der Union findet er „richtig und extrem wichtig“. Und die
SPD nennt er „populistisch“.
Dem Ruf der Jungen Union als Kampftruppe von CDU und CSU wird er damit
gerecht. Kurz nach seiner Wahl zum Vorsitzenden hatte es noch geheißen, der
Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Philipp Mißfelder sei zu zahm. Als
2015 ein offener Brief aus der CDU an Merkel öffentlich wurde, in dem ihre
Flüchtlingspolitik kritisiert wurde, war Ziemiak nicht unter den
Unterzeichnern. Mittlerweile ist er weiter. Nach dem noch immer fehlenden
Zuwanderungsgesetz gefragt, antwortet er: „Zuwanderung muss gesteuert
werden.“ Fluchtursachen müssten bekämpft werden, ja, aber „das tun wir
nicht, indem wir jeden, der will, nach Deutschland kommen lassen“.
## Für Ziemiak wird es nicht die erste Legislaturperiode sein
Paul Ziemiak versucht aber noch etwas anderes. Wie aktuell viele aus der
Union, schimpft auch er auf den letzten Wahlkampfmetern laut gegen die AfD.
In all den Monaten zuvor haben CDU und CSU das Thema stets umschifft. Der
Plan war: Je weniger über die Populisten geredet wird, desto weniger denken
die Wähler über sie nach. Spätestens seit CSU-Generalsekretär Andreas
Scheuer die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel aus einem Fernsehstudio
verjagt hat, weiß man: Die Schonzeit ist vorbei.
Ziemiak sagt: „Es ist mein Ziel, dass die AfD nicht in den Bundestag
kommt.“ Er spricht über die „große Ehre, gewählt zu werden“. Die werde…
getrübt, „wenn da dann auch Rassisten als Volksvertreter sitzen“. Diese
Partei sei gefährlich. „Und wenn die es doch schaffen, muss das die erste
und letzte Legislatur für die sein.“ Für Paul Ziemiak wird seine erste
Legislaturperiode sehr, sehr wahrscheinlich nicht die letzte werden.
10 Sep 2017
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Paul Ziemiak
Bundestag
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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