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# taz.de -- Pastor über konvertierte Flüchtlinge: „Zwei unterschiedliche Sp…
> Behörden zweifeln die Glaubhaftigkeit von Konversionen von Flüchtlingen
> oft an. Pastor Günther Oborski findet, der Staat sollte den Kirchen mehr
> vertrauen.
Bild: Entscheidung sollte der Kirche überlassen bleiben: Taufe von Flüchtling…
taz: Herr Oborski, halten Sie den Vorwurf für gerechtfertigt, dass die
Kirchen Flüchtlingen dabei helfen, sich durch Taufen Aufenthaltstitel zu
erschleichen?
Günther Oborski: Nein, das halte ich für falsch. Das Verhältnis von Staat
und Kirche sollte von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein. Die Taufe von
Flüchtlingen geschieht in den Kirchengemeinden. Das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) auf Seiten des Staates akzeptiert die Taufen im
Gegenzug dafür, dass die Kirchen gut mit ihrer Verantwortung umgehen.
Wie beurteilen Sie, dass Menschen, die zum Christentum übergetreten sind
quasi nicht mehr abgeschoben werden?
Das finde ich genau richtig. Das ist in anderen Ländern wie zum Beispiel
Norwegen oder Bulgarien nicht so. Ich finde es gut, dass Deutschland sich
in dieser Frage behauptet und gegen den allgemeinen Strom abgrenzt. Wenn
die Verfolgung von Christen in den Ländern nicht stattfinden würde,
bräuchten die Menschen auch nicht zu uns zu kommen.
Ist die Anzahl der Taufen von Flüchtlingen gestiegen?
Offizielle Zahlen dazu erhebt die Landeskirche nicht. Aber aus meiner
Erfahrung sind es nach 2015 etwas mehr geworden. Ich begleite aber schon
seit 20 Jahren Iraner, die sich in Deutschland taufen lassen wollen. Zur
Taufe gehören Taufgespräche und eine Unterweisung, die mehrere Monate
dauert.
Was bedeutet die Taufe für die Flüchtlinge?
Für viele IranerInnen bedeutet die Taufe, dass ihr geistliches Leben Form
und Ausdruck findet. Manche sehen die Taufe sogar als ihren christlichen
Pass an. Deutschland gilt bei Ihnen als christliches Land, die Taufe ist
für viele ein Schritt der Integration. In der Situation, in der sich
Asylsuchende befinden, hat eine Taufe Auswirkungen, die über das
persönliche Erleben hinausgeht. Wenn Menschen aufgrund ihres Glaubens in
ihrem Heimatland verfolgt werden, hat die Taufe auch aufenthaltsrelevante
Aspekte und trägt zu der Frage bei, inwiefern Menschen schutzbedürftig sind
und macht die Taufe zum Politikum.
Und wie sehen Sie das?
Im Prinzip sind das zwei verschiedene Sphären, die ineinandergreifen. Auf
der einen Seite die rechtlichen Aspekte einer Konversion im Bezug auf Asyl.
Auf der anderen Seite die Konversion als geistliches Geschehen in Bezug auf
die persönliche Entwicklung.
Wieso ist das überhaupt politisch brisant?
Viele Asylsuchende beziehen sich bei ihrem Schutzersuchen darauf, dass sie
religiös verfolgt werden. Das BAMF muss dann bewerten, inwieweit das Folgen
für die persönliche Sicherheit des Flüchtlings in seinem Herkunftsland hat.
Das führt dazu, dass das BAMF den religiösen Glauben eines Konvertierten
bewerten muss. Bei Zweifeln können BAMF-Mitarbeiter Fragen stellen.
Wie genau soll das gehen?
Das BAMF versucht die Plausibilität der Fluchtgeschichte zu prüfen. Dabei
wird versucht herauszufinden, ob der Glaube des Flüchtlings
gewissensgeleitet, also nicht opportunistisch ist, ob der Glaube
identitätsstiftend ist, also inwieweit er das Leben des Flüchtlings geprägt
hat und ob der Glaube andauernd ist.
Es gibt immer wieder Fälle bei Flüchtlingstaufen, wo der Staat dem
Geflüchteten seine Glaubensgeschichte nicht abnimmt.
Grundsätzlich sollte die Glaubwürdigkeit von kirchlichen Taufen nicht in
Zweifel gezogen werden. Aber viele Anhörungen durch das BAMF sind für
Geflüchtete wie ein Lotteriespiel in Bezug darauf, ob den Antragstellern
ihr religiöses Bekenntnis abgenommen wird oder nicht.
Woran liegt das?
Das liegt oft an den einzelnen Entscheidern. Manche sagen, sie akzeptieren
die Taufe. Andere machen da eine halbe theologische Prüfung daraus. Fragen
können und müssen BAMF-Mitarbeiter natürlich stellen. Je weniger der
Entscheider selbst mit dem Glauben zu tun hat, desto formaler wird die
ganze Befragung. Erschwerend kommt hinzu, dass das Orientalische zusätzlich
verfremdet. Die Antragsteller haben nicht die Amtskirche vor Augen, sondern
eine geistliche Bewegung, wenn sie über ihren Glauben sprechen. Da treffen
wir auf ein anderes Religionsverständnis.
Warum gibt es keine offiziellen Zahlen zur Anzahl von Konversionen?
Das ist schwierig. Viele Iraner würden sich gar nicht als Moslem
bezeichnen, auch wenn das seit ihrer Geburt in ihrem Pass steht.
Was denken Sie, wenn Politiker über diese Länder als „teilweise sichere
Herkunftsländer“ reden?
Das trifft vielleicht auf die allgemeine Sicherheitslage zu, aber nicht
darauf, wie sehr Menschen dort politisch oder religiös verfolgt werden. In
manchen Ländern droht den Konvertiten meistens eher Gefahr durch die
Familie oder das Dorf, wo sie leben.
Wie bewerten Sie die Äußerungen des hannoverschen Landesbischofs, der die
Gemeinden dazu aufgefordert hat bei Flüchtlingstaufen genau hinzuschauen?
Das finde ich richtig. Die Kirche würde sich unglaubwürdig machen, wenn sie
sich als Fluchthelfer präsentieren würde. Damit würde man den eigenen
Auftrag untergraben. Ich glaube nicht, dass Pastoren Menschen taufen, die
sagen: ‚Ich lass mich zwar taufen, aber eigentlich ist das alles Humbug‘.
Pastoren, die sich daran nicht halten, drohen Disziplinarverfahren.
6 Sep 2017
## AUTOREN
Morten Luchtmann
## TAGS
Konversion
Kirche
Flüchtlinge
Glaube, Religion, Kirchenaustritte
Schwerpunkt Flucht
Salafismus
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