| # taz.de -- Eine irakische Familie in Berlin: Sie wollen nicht mehr zurück | |
| > Die al-Sayeds flohen vor mordenden Milizen. Durch die Hilfe von Nachbarn | |
| > kamen sie gut in Berlin an. Die Kinder fühlen sich hier zuhause. | |
| Bild: Die al-Sayeds haben in Berlin ein Zuhause gefunden | |
| Berlin taz | Hier wird ihr Sohn ab Herbst also die Nachmittage verbringen: | |
| Links das Bauzimmer mit den vielen Legosteinen, rechts der Ruheraum mit | |
| Leseecke und Sofa. Gemeinsam mit anderen Eltern erkunden die al-Sayeds an | |
| diesem Sommertag den Hort einer Berliner Grundschule, nicken höflich den | |
| Erzieherinnen zu. Die Mutter Alya hat ein Kopftuch locker über die Haare | |
| geworfen, sie trägt das Baby auf dem Arm. Amjed*, der älteste Sohn, wird im | |
| September eingeschult. Er bleibt in der Nähe der Eltern, lächelt | |
| schüchtern. Dabei ist er es, der in der Familie inzwischen am besten | |
| Deutsch spricht. | |
| Die al-Sayeds hatten Glück: Im Frühjahr 2016 richteten ihnen Nachbarn eines | |
| gepflegten Altbauquartiers in der Berliner Innenstadt eine Wohnung her. Sie | |
| konnten aus der Massenunterkunft im Kongresszentrum ausziehen. Die Nachbarn | |
| kümmerten sich, halfen mit den Papieren, luden sie zum Essen ein. Die | |
| Mutter war damals schwanger, Vater Feres besuchte einen Sprachkurs. Gute | |
| Startbedingungen für ein Leben in Deutschland. | |
| Seitdem hat sich einiges getan: Amjed ging bald in die Kita, ebenso sein | |
| kleiner Bruder. Das dritte Kind kam im Herbst 2016 auf die Welt. Die | |
| al-Sayeds leben heute mit ihren drei Söhnen in zwei Zimmern. Sie sind | |
| glücklich mit ihren Kindern, aber eng und laut ist es trotzdem manchmal. | |
| „Drei Jungen, puh“, sagt Alya und lacht. In Bagdad hat ihre Mutter | |
| geholfen, hier ist sie viel mit den Kindern allein. | |
| Auch eine Aufenthaltsgenehmigung haben die al-Sayeds inzwischen. Das ist | |
| wichtig, denn zurück wollen sie nicht. Sie hätten im Irak Angst um ihr | |
| Leben. | |
| Die al-Sayeds sind Sunniten. Der Großvater, Feres’Vater, war General in der | |
| Armee Saddam Husseins. Feres sagt, er selbst habe nie etwas damit zu tun | |
| haben wollen. „Saddam Hussein war ein Diktator.“ | |
| ## Zuhause hier und dort | |
| Feinde hatte die Familie trotzdem. Sie lebten in einem großen Haus mit | |
| Garten, im Juli 2015 seien schiitische Milizen bei ihnen eingedrungen. „Sie | |
| waren bekannt dafür, alle zu ermorden“, sagt Feres. Ein befreundeter | |
| Schiite, ein einflussreicher Mann in Bagdad, rettete die Familie. Danach | |
| verließen die al-Sayeds das Land. Sie flogen in die Türkei, eine Yacht | |
| brachte sie nach Griechenland. Auf dem Weg nach Deutschland schliefen sie | |
| in Zügen und Hotels. So erzählt es das Paar. | |
| Keine Frage: Aus dem Irak sind die al-Sayeds größeren Wohlstand gewöhnt. | |
| Feres war in Bagdad Elektroingenieur, er will auch in Berlin möglichst bald | |
| wieder arbeiten. Aber bislang reichen seine Deutschkenntnisse nicht aus. | |
| Den ersten Sprachkurs hat er geschafft. Der zweite Kurs, der noch einige | |
| Monate läuft, sei viel schwerer, wegen der vielen Vokabeln. Eine Nachbarin, | |
| die die Familie unterstützt, sagt: „Vielleicht können wir ihm danach ein | |
| Praktikum organisieren, damit er noch besser Deutsch lernt.“ | |
| Wenn sich die Nachbarin mit den al-Sayeds nicht richtig verständigen kann, | |
| springt inzwischen Amjed als Übersetzer ein. Für die Kinder ist das | |
| Ankommen deutlich leichter als für die Eltern. Sie wachsen als Berliner auf | |
| und werden den Irak vor allem aus Geschichten kennenlernen. Für die Eltern | |
| ist Bagdad ihr Zuhause. Der Ort, an dem nach wie vor ein Teil ihrer | |
| Familien lebt. An dem sie jemand waren. | |
| Eine weitere Herausforderung steht den al-Sayeds noch bevor. Sie haben nur | |
| einen befristeten Mietvertrag, im Frühjahr 2018 müssen sie voraussichtlich | |
| ausziehen. Bezahlbare Wohnungen bekommt man im begehrten Innenstadtviertel | |
| so gut wie keine mehr. Wenn sie an den Stadtrand ziehen müssten, wäre das | |
| ein harter Schlag für die Familie, vor allem auch für die Kinder. Die | |
| Nachbarin sagt: „Jetzt kann ich einfach so bei ihnen vorbeigehen.“ Sollten | |
| die al-Sayeds wegziehen, müsste sie sich mit ihnen verabreden. Sie ist sich | |
| sicher: „Natürlich halten wir Kontakt.“ | |
| *Alle Namen wurden geändert | |
| 28 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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