# taz.de -- Burning Man Festival: Auch Berlin brennt für den Man | |
> Zum „Burning Man“ in der Wüste von Nevada kommen auch zahlreiche | |
> Berliner. Einen Ortsverein und hiesige Veranstaltungen gibt es auch | |
> längst. | |
Bild: Am Schluss muss es brennen beim Burning Man Festival in der Wüste von Ne… | |
Zwei Meter war er nur hoch, der Mann aus Holz, den ein paar Freunde 1986 in | |
einem Ritual der Selbstbefreiung verbrannten. Dieses Spektakel an einem | |
Strand von San Francisco hatte aber einen Nerv getroffen, es wuchs eine | |
Gruppe heran, für die dieser „Burn“ – so ist bis heute die | |
Szenebezeichnung für das Herunterbrennen – zum Lebensmittelpunkt wurde und | |
die sich ab 1990 dafür sogar auf den weiten Weg in die Wüste Nevadas | |
machte, nach Black Rock Desert. | |
Viel Platz, um seine Fantasien künstlerisch auszuleben, aber auch eine | |
lebensfeindliche Umgebung ohne Wasser, in der man nur besteht, wenn alle | |
selbstverantwortlich an der Gemeinschaft mitarbeiten und die inneren | |
Resourcen erwecken. Auf diese Weise entsteht Euphorie, und dank dieser kann | |
man schon mal eine temporäre Wüstenstadt auf- und abbauen, die Mitte der | |
Neunziger noch etwa 2.000 ebenfalls temporäre Einwohner hatte. Sie kamen, | |
um eine Woche Utopie zu erleben. | |
Eine Utopie, die immer mehr Anhänger fand. Bereits Mitte der Nullerjahre | |
war man bei rund 35.000 Menschen angelangt, die eine solche erleben | |
wollten, der brennende „Man“ war inzwischen 24 Meter hoch. Weltweit sorgt | |
das Festival für Schlagzeilen, das „Burning Man Regional Network“ entsteht | |
und bündelt bis heute die Follower aus aller Welt. | |
## Am Sonntag ist der Start | |
Man muss also nicht mehr nach Nevada fliegen, wo am Sonntag das diesjährige | |
„Burning Man“-Festival startet, um Burner zu sein. Die lokalen Gruppen, die | |
es längst überall gibt, werden vernetzt und gestärkt, sollen ihre eigenen | |
Burns veranstalten. Sie sollen sich nur möglichst an den „10 Principles“ | |
orientieren, eine Art ethischer Kodex, den Gründer Larry Harvey festgelegt | |
hat und in der es um Verantwortung füreinander und für sich selbst geht. | |
Aber „nicht die Prinzipien haben die Kultur geformt, sondern umgekehrt“, | |
betont der Hüter des Feuers in Berlin, Regionalvertreter Holger Weßels. | |
Hier funktioniert das Konzept schon bestens, viele der Berlin Burner | |
wollten gar nicht mehr nach Nevada, sondern fahren zu näher gelegenen | |
Veranstaltungen im Geiste der Pionierveranstaltung in den USA. „Wenn ich | |
aus meiner Friendsliste zu einer Veranstaltung 280 Leute einlade, die | |
Burner sind und in Berlin wohnen, sind mittlerweile bestimmt schon 50 | |
Prozent davon nie in Nevada gewesen, sondern nur auf europäischen Events“, | |
so Weßels. | |
Klar, Berlin ist ja auch „wie Burning Man jeden Tag“, meint er, hier fallen | |
fantasievolle Leute, die respektvoll miteinander umgehen, nicht weiter auf | |
und das Prinzip der Inklusion ist verbreitet. „Viel Kreativität und Chaos“, | |
so Weßels, aber auch viel Ablenkung, „es ist schwierig, die Leute das Jahr | |
über bei der Stange zu halten.“ Im Alltag aber sind Prinzipien wie das | |
bedingungslose Schenken, der Ausschluss von Waren und Kommerz – wie sie | |
Harvey formuliert hat – schwer anzuwenden. | |
Seit 2008 ist Weßels als Owl – sein Alter Ego in dieser Szene – auf der | |
Playa unterwegs, wie man das Gelände nennt, auf dem die Veranstaltung | |
stattfindet. Er gibt zu, dass auch der Burning Man natürlich Teil des | |
Kapitalismus ist. Denn während im Burning-Man-Camp nur das | |
Schenkungsprinzip herrscht, kostet ein Ticket, mit dem man dabei ist, etwa | |
400 Euro – privatwirtschaftliche Gewinne erzielen die Veranstalter aber | |
nicht damit. Allerdings ist rund um das Camp schon eine große Verkaufsmeile | |
entstanden. Als Vorstand des gemeinnützigen Vereins Berlin Burner e. V. | |
achtet Weßels darauf, dass Veranstaltungen wie Burning Bär oder Kiezburn, | |
die sie mitorganisieren, Orte der Kunst bleiben. Der Burning Bär findet an | |
einem Schloss südlich von Berlin statt, der Kiezburn nahe Cottbus. | |
## Der Burning Bär | |
Vor drei Jahren gab es mit dem Burning Bär die erste hiesige Ausgabe des | |
brennenden Klassikers, selbst Guru Larry Harvey war anwesend. Jedes Jahr im | |
Februar brennt nun der Bär. Von Anfang an dabei und für einen Costume | |
Workshop verantwortlich ist Helga, die die Besucher in zwei Gruppen | |
unterteilt: „Man könnte die Teilnehmer in Tag- und Nacht-Burner | |
unterteilen. In jene, die sich nachts treiben lassen, und die, die auch | |
tagsüber mitwirken.“ | |
Ihr erster Burn war in Spanien, mit 1.500 Teilnehmern. Die Überschaubarkeit | |
fand Helga, die nur mit Vornamen genannt werden möchte, zum Einstieg gut: | |
„So ein leichtes In-den-Fluss-Kommen, auf spielerische Art, kindlich und | |
vorbehaltlos. Niemand verurteilt dich für das, was du tust. Wenn ich | |
gefragt werde, was ein Burner ist, sage ich: Wir machen aus Lust und Spaß | |
Sachen, die ausdrücken, was uns verbindet.“ | |
Bär-DJ Hartojo lässt die Playa in Nevada dieses Jahr ausfallen, 2014 hat er | |
noch direkt im Epizentrum beim Man aufgelegt. Dafür war er jetzt DJ beim | |
Afrikaburn und vergangenes Jahr hat er ganze fünf Burns mitgenommen. | |
Erfahrungen tauscht er mit Genossinnen und Genossen beim monatlichen | |
Burner-Stammtisch BaR aus – auch ein Angebot des Berlin Burner e. V. | |
Schon das zweite Jahr in Folge ist der Berliner Ableger mit einem | |
geförderten Kunstprojekt auf der Playa vertreten – man kann sich mit | |
Kunstwerken um Fördergelder der weltweiten Burning-Man-Community bewerben, | |
von denen es dann ein paar nach Nevada schaffen. Das diesjährige Community | |
Project, bei dem neben den Berlinern noch Münchener und | |
nordrhein-westfälische Burner dabei sind, ist ein Schrein, in dem man sich | |
von Erinnerungen trennen kann. Die schreibt man auf Marken, deren eine | |
Hälfte an einen interaktiven LED-Lebensbaum gehängt wird, der so immer mehr | |
Blätter bekommt. | |
Der „Shrine of Lost Moments“ ist bereits in Nevada zusammengebaut worden, | |
damit auch alles funktioniert. Auch deshalb, weil man dieses Jahr auf die | |
Möglichkeit vorbereitet sein muss, nicht über die Grenze zu kommen. | |
„Radical Ritual“ ist das Motto 2017. Zum ersten Mal steht die Holzfigur mit | |
dem dreieckigen Gesicht nicht im Freien, sondern in einem großen Schrein. | |
Und zum ersten Mal sollen die Teilnehmer ihren eigenen Man mitbringen, zwei | |
Meter soll er messen, wie der erste, und am Ende geht alles, kleine Männer, | |
großer Mann, Tempel und Schreine, in Feuer auf. | |
Wenn das keine Botschaft ist. | |
26 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Monika Dietl | |
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