# taz.de -- Stiftung übernimmt DDR-Wachturm: Mahnmal für den zweiten Mauertot… | |
> Günter Litfin wurde im August 1961 auf der Flucht erschossen. Sein Bruder | |
> machte einen Wachturm zum Gedenkort. Jetzt bekommt ihn die Stiftung | |
> Berliner Mauer. | |
Bild: Der ehemalige DDR-Wachturm an der Kieler Straße ist nun langfristig als … | |
An diesem Donnerstag vor genau 56 Jahren geschah das bis dahin Undenkbare: | |
Die Berliner Mauer war gerade einmal elf Tage, der Schießbefehl an die | |
DDR-Grenzsoldaten einen Tag alt. Günter Litfin, 24 Jahre jung, sprang am | |
24. August an der Humboldthafenbrücke in den Berlin-Spandauer | |
Schifffahrtskanal. Er wollte das im Westen gelegene Friedrich-List-Ufer | |
erreichen. Auf halber Strecke wurde er durch einen gezielten Genickschuss | |
getötet. Litfin war das zweite von mindestens 140 Berliner Maueropfern; das | |
erste, das erschossen wurde. | |
Er kam aus einem katholischen Elternhaus in Weißensee, das dem | |
SED-Sozialismus kritisch gegenüberstand; sein Vater war Mitglied des im | |
Ostteil illegalen Kreisverbands der West-CDU. Günter Litfin hatte in der | |
Nähe des Zoologischen Gartens eine Ausbildung zum Schneider begonnen und | |
den Umzug in den Westteil der Stadt schon geplant, als die Grenze dicht | |
gemacht wurde. | |
56 Jahre nach seinem Tod steht an diesem sonnigen Donnerstagvormittag | |
Günter Litfins Bruder Jürgen vor einem der letzten drei erhaltenen | |
Wachtürme der Berliner Mauer – und der Mann erweckt den Eindruck, als säße | |
ihm der 24. August 1961 noch immer in den Knochen. Er ist heute hier | |
erschienen, um der Stiftung Berliner Mauer den Schlüssel zum Turm zu | |
überreichen, die sich fortan darum kümmern wird. 2002 hatte Litfin den Turm | |
in der Kieler Straße zu einem Gedenkort für seinen Bruder umgestaltet. | |
Zur Beerdigung Günters war er mit einer Eisenstange erschienen, erzählt er. | |
Er musste den Sarg öffnen, um zu glauben, was ihm erzählt worden war. | |
Damals schwor er sich, die Erinnerung an Günter Litfin aufrechtzuerhalten. | |
Darum machte er sich an die Gestaltung der Gedenkstätte, die er bis heute | |
aus eigener Kraft gepflegt und rund 200.000 Besuchern gezeigt hat. Es ist | |
deutlich zu spüren, dass der 77-Jährige mit seinen Kräften am Ende ist – | |
auch, wenn er sehr charmant davon berichtet, wie er immer versucht hat, | |
auch Kinder für sein Lebensthema zu interessieren und rote und grüne Brause | |
für sie besorgte. | |
## Bewährungsstrafe für den Grenzer | |
Es ist ein seltsames Gefühl, diesen engen Wachturm, der versteckt mitten in | |
einem schicken Wohnquartier liegt, über die steilen Eisentreppen zu | |
erklimmen. Günter Litfin, an den mit Fotos und Zeitungsausschnitten | |
erinnert wird, ist zwar zwei Kilometer südlich ums Leben gekommen. Aber | |
auch hier blickt man noch auf den Kanal. | |
Was mag die Grenzsoldaten umgetrieben haben, die hier Wache standen, fragt | |
man sich bei der Betrachtung einer Schaufensterpuppe in Uniform? Der | |
Grenzer, der Günter Litfin erschoss, musste sich 1997 vor Gericht | |
verantworten. Er wurde wegen Totschlag zu 18 Monaten Haft verurteilt, | |
ausgesetzt zur Bewährung. | |
Als Jürgen Litfin den Schlüssel Axel Klausmeier, dem Direktor der Stiftung | |
Berliner Mauer, überreicht, ist Stolz in seinem Gesicht. Und Trauer. Immer | |
noch. | |
24 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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