Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rassismus im englischen Frauenfußball: Hinter verschlossenen Türen
> Die englische Stürmerin Eniola Aluko erhebt schwere Vorwürfe gegen
> Nationaltrainer Mark Sampson. Er soll schwarze Spielerinnen
> diskriminieren.
Bild: Vor der Ausbootung: Eniola Aluko bei der Europameisterschaft 2013
Es war ein letztes Zeichen von Zusammenhalt, das Mark Sampson vor knapp
drei Wochen im stimmungsvollen Stadion des FC Twente aussenden wollte. Ganz
Enschede schien sich nach dem Halbfinale der
Frauenfußball-Europameisterschaft an einer Großtat des Gastgebers
Niederlande zu berauschen, als Englands Nationaltrainer die Seinen im Kreis
zusammenrief. Trotz der 0:3-Niederlage sprach der 34-Jährige von einem
tollen Turnier und einer blendenden Zukunft.
Das geschlagene Team England hatte tatsächlich mit einem klaren Konzept
überzeugt, Stürmerin Jodie Taylor erhielt noch den Preis als beste
Torschützin, und die Richtung stimmte ja auch: Die „Lionesses“ sind in der
Weltspitze des Frauenfußballs angekommen. Aber im Nachhinein stehen Fragen
im Raum: Mit welchen Mitteln? Und um welchen Preis?
Die ehemalige Nationalstürmerin Eniola Aluko hat bei der BBC und [1][im
Guardian schwere Vorwürfe erhoben]. Es geht um Mobbing, Diskriminierung und
Rassismus. Immer wieder habe sich der Nationaltrainer herabwürdigend
verhalten und einmal eine dunkelhäutige Spielerin in einer Besprechung
beleidigt, sie habe bereits „viermal im Gefängnis“ gesessen.
Die aus dem nigerianischen Lagos stammende Stürmerin nahm diesen Vorfall im
Vorjahr zum Anlass, ihre Football Association (FA) zu informieren, die
vertrauliche Untersuchungen einleiten wollte. Aluko ging zu diesem
Zeitpunkt nicht an die Öffentlichkeit.
Eine Woche später, im Mai 2016, sei Sampson auf dem Chelsea-Gelände
erschienen und habe ihr „unlioness behaviour“, unehrenhaftes Verhalten,
vorgeworfen.
Rauswurf nach 102 Länderspielen und 33 Toren. Der zeitliche Zusammenhang
sei kein Zufall gewesen, behauptet sie jetzt mit Nachdruck. Auch für die EM
2017 spielte die Torschützenkönigin der Women’s Super League (WSL) 2016
keine Rolle. Eine weiterer Vorfall ereignete sich vor dem
Freundschaftsspiel gegen Deutschland im Herbst 2014, als Akulo ihre Familie
aus Nigeria ins Wembley-Stadion einlud. Ihr Trainer soll daraufhin
entgegnet haben: „Dann sorge dafür, dass sie ohne Ebola hierherkommen.“ Sie
sei so geschockt gewesen, dass „ich nicht wusste, was ich sagen sollte“.
Sampson bestreitet den Dialog. Die ausgebildete Anwältin Aluko, die nach
ihren Angaben auch auf Druck der FA ihren Job bei einer Spieleragentur
beenden musste, ist nicht irgendwer: Bereits mit 17 debütierte Aluko im
englischen Nationalteam, nahm an zwei Weltmeisterschaften, drei
Europameisterschaften und den Olympischen Spielen 2012 teil. Für die FA
sollte sie als Frauenfußball-Ikone auftreten und in Antirassismuskampagnen
die Kultur des englischen Fußballs nach außen tragen. Davon zeugt der
Schriftverkehr mit dem FA-Direktor Dan Ashworth.
Englands Verband spielt eine zwielichtige Rolle in einer verworrenen Causa:
Der ausgebooteten Nationalspielerin wurden nämlich 80.000 Pfund gezahlt,
damit sie vor der diesjährigen EM keine arbeitsgerichtlichen Schritte
einleitet und die Vorbereitung des englischen Nationalteams stört. Aluko
erklärt, sie habe das Geld angenommen, weil es sich ungefähr um die
erwartete Entschädigung gehandelt habe. Beide Seiten bestreiten, dass es
sich um ein Schweigegeld handele.
## Doppelmoral bei rassistischen Vorfällen
Aluko schildert im Guardian ausführlich ihren Gefühlszustand. „Es ist
schlimm, absolut schrecklich. Ich schlafe nachts nicht gut.“ Und sie
prangert unverhohlen die Doppelmoral an: „Auf dem Feld gibt es klare
Strafen, wenn es zu rassistischen Vorfällen kommt.“ Anders sei es hinter
verschlossenen Türen: „Rassismus ist aus unterschiedlichen Gründen ein
Tabu, über das am liebsten niemand sprechen will.“
Sie unterstellt, weitere dunkelhäutige Spielerinnen – namentlich Lianne
Sanderson, Anita Asante oder Danielle Carter – seien fürs Nationalteam
nicht mehr nominiert worden. Die Frage ist nun, wie die Affäre der
Nationaltrainer Sampson übersteht, der im englischen Frauenfußball
sportlich viel bewirkt hat.
Der charismatische Coach gilt als so erfolgsbesessen, dass er nicht nur an
der Seitenlinie alles rausreizt. Er wirkt gewieft wie gerissen, stichelt
und eckt an – mit im Frauenfußball (noch) nicht so weit verbreiteten
Methoden. Aluko berichtet von einem angsterfüllten Arbeitsklima. „Ich habe
lange geschwiegen. Aber es gibt so viele Gerüchte, dass ich die Wahrheit
sagen muss.“
22 Aug 2017
## LINKS
[1] https://www.theguardian.com/football/2017/aug/16/eni-aluko-fa-under-pressur…
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
Frauenfußball
Diskriminierung
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
Schwerpunkt Rassismus
Manchester United
Lesestück Meinung und Analyse
Fußball
Fußball
Frauenfußball
Fußball
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rassismus im britischen Sport: Kultur der Angst
Britische Sportverbände sind mit rassistischen, sexistischen und
diskriminierenden Vorfällen beschäftigt. Alles Einzelfälle, sagen die
Funktionäre.
Trainer der Frauennationlelf gefeuert: Unangemessene Beziehungen
Der Rauswurf von Englands Frauennationalcoach Mark Sampson wirft Fragen auf
– zumal der Verband dies mit lange bekannten Übergriffen begründet.
Ermittlungen gegen zwei Fußballer: Rassismus in der untersten Liga
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen rassistischer Äußerungen gegen zwei
Fußballer des FV Ötigheim. Die Spieler wurden suspendiert.
Fangesänge im britischen Fußball: Gefeierter Judenhass
Mit rassistischen und antisemitischen Fangesängen werden in der Premier
League sogar eigene Spieler bedacht. Nun mehren sich die Proteste.
Debatte Afrika-Bild in Europa: Lasst uns endlich in Ruhe!
Versteckter Rassismus ist unter europäischen Politikern weit verbreitet.
Doch afrikanische Länder müssen sich nichts bieten lassen.
Kommentar Ende der Fußball-EM: Gegen die Lähmungserscheinungen
Das Turnier hat gezeigt, die Spitze im Frauenfußball ist enger
zusammengerückt. Und das ist gut so. Es war eine EM der Rekorde. Aber was
davon bleibt?
Halbfinale bei der EM-Frauenfußball: Oranje-Team erstmals im Endspiel
Die Niederländer feiern ihre Nationalspielerinnen. Im Halbfinale besiegten
sie das englische Team. Auch die Däninnen schafften es ins Finale.
Britischer Trainer des 1. FFC Frankfurt: „Die Flexibilität ist fast einzigar…
Colin Bell erklärt, weshalb die Erfolge des englischen Teams ihn gar nicht
überraschen und warum auch Weltmeister Japan das Nachsehen haben könnte.
Die Halbfinalisten im Liga-Check: Und was geht zuhause?
Ein gutes Ligasystem ist Grundlage eines guten Nationalteams. Wie sieht es
mit dem Frauenfußball in den Ländern der Teilnehmerinnen des Halbfinales
aus?
Mexiko schafft Unentschieden gegen England: Die erste Überraschung
WM-Mitfavorit England hat gleich zum Auftakt einen Dämpfer erlitten. Gegen
Mexiko reichte es für die „Three Lionesses“ nur zu einem 1:1. Die
Mexikanerinnen sind stolz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.