| # taz.de -- Jubel über Mobilbauten: Magie der Container | |
| > Bildungssenatorin Claudia Bogedan und Bürgermeister Carsten Sieling sind | |
| > mit dem Fahrrad die Bremer Notbau-Kitas abgefahren | |
| Bild: Sieling und Bogedan: Radtour ins Containerglück | |
| Bremen taz | Die Senatorin ist vom Fahrrad gestiegen. Jetzt steht sie vor | |
| einem Container und sagt mit Begeisterung in der Stimme: „Es ist schön, | |
| dass wir es geschafft haben. Es ist toll, dass das geklappt hat.“ | |
| Der Container ist weiß angestrichen und von außen mit Wellblech bedeckt – | |
| ganz wie jene, die man von Großbaustellen kennt. „Ich möchte mich dafür | |
| herzlich bei allen bedanken“, spricht Kinder- und Bildungssenatorin Claudia | |
| Bogedan (SPD) weiter, denn in diesem Container sind keine Gerüstbauer oder | |
| Maurer einquartiert. Hier werden ab dem 25. August Kinder betreut: „Wir | |
| haben jetzt genug Plätze für alle angemeldeten Kinder“, sagt Bogedan. „Wir | |
| müssen die Kita-Gruppen nicht vergrößern.“ | |
| Aufgestellt wurde der Mobilbau zwischen einer Sporthalle und einer Aula auf | |
| einem Schulhof. „Hier wurde nicht einfach ein Container in die Landschaft | |
| gepflanzt“, sagt Bogedan. Sobald die Möbel drin seien, sehe man nicht | |
| einmal mehr, dass man überhaupt in einem Container ist. Der Wellblechbau in | |
| Bremen-Horn ist einer von 27 Mobilbauten, welche die Stadt Bremen | |
| aufgestellt hat, um Kita-Kinder notzuversorgen. | |
| 13 Millionen Euro hat der Senat dafür 2017 investiert. Im vergangenen Jahr | |
| haben über 1.000 Betreuungsplätze gefehlt. Der Grund: Die Bildungsbehörde | |
| hatte mit veralteten Zahlen des statistischen Landesamtes geplant, das die | |
| gestiegene Geburtenrate zu spät berücksichtigt hatte. Viele Eltern und ihre | |
| Kinder standen im Sommer 2016 plötzlich ohne Betreuung da. Um die | |
| Versäumnisse der Vergangenheit soll es jetzt jedoch nicht gehen. | |
| Bürgermeister Carsten Sieling und die Bildungssenatorin, beide von der SPD, | |
| wollen besichtigen, wie ihr „Sofortprogramm Mobilbau“ in Realität aussieht. | |
| Und weil Sommer ist, hatte Bogedan die Idee, aus dem Termin eine Radtour zu | |
| machen, an zwei Tagen, Donnerstag und Freitag. Die erste Etappe führt 8,6 | |
| Kilometer durch Horn, Schwachhausen und die Vahr, die zweite tags darauf | |
| 9,1 Kilometer durch Oslebshausen, Gröpelingen, Walle und die Überseestadt. | |
| Dabei sind, neben Sieling und Bogedan, MitarbeiterInnen von Immobilien | |
| Bremen, die für die Umsetzung der Sofort-Bauvorhaben zuständig waren, | |
| MitarbeiterInnen aus der Bildungsbehörde, die koordiniert haben, und welche | |
| aus der Senatskanzlei, die mal gucken wollen. Und Kulisse bilden. Es ist | |
| grau und schwül. Der Wetterbericht hat Gewitter vorhergesagt. Ausgerüstet | |
| dafür sind jedoch weder der Bürgermeister noch seine Senatorin. Er trägt | |
| ein etwas zu großes Jackett und keine Krawatte zum Anzug, sie immerhin eine | |
| dünne Regenjacke. Beide tragen gute Lederschuhe und Fahrradhelme. | |
| Vor Betreten des ersten Containers spricht Frank Robbers von Immobilien | |
| Bremen ein paar Worte. Er trägt ein weißes Poloshirt, hat ein Klemmbrett | |
| und einen Aktenordner dabei: „Viele haben gedacht: Kinder in Container, das | |
| geht ja gar nicht!“, sagt er. Es gehe aber doch: „Ich kann versichern: Hier | |
| ist alles Neubaustandard“, man müsse ja die gesetzlichen Vorgaben | |
| einhalten. „Das sind keine normalen Container“, sagt er. „Die haben | |
| Charme.“ Auch wenn man den mit mehr Sonne besser erkennen könne. „Wir haben | |
| uns schon Gedanken gemacht. Deswegen auch die Fenster.“ Räume, in denen | |
| Kinder betreut werden sollen, müssen gesetzlich festgeschriebenen | |
| Ansprüchen genügen. Sie müssen hell sein, dürfen nicht zu klein oder zu | |
| laut sein. Dieses Mindestmaß erfüllen die Container. Die Betreuungsräume | |
| haben bodenhohe Fenster und sind einigermaßen hell. | |
| Fürs Glück der Delegation braucht es keinen Sonnenschein: Beim Betreten des | |
| Containers brechen sich fast Begeisterungsstürme Bahn. Eine Erzieherin und | |
| zwei Lehrerinnen, alle schon etwas älter, finden den breiten Flur „toll zum | |
| Bobby-Car-Fahren“, so ihr Urteil. „Das ist ja besser als so manche feste | |
| Einrichtung.“ | |
| In der Mitte ist ein drei Meter breiter Flur. Links gibt es eine Küche, vom | |
| Gang gehen größere Räume ab, in denen betreut werden soll. An einem kleinen | |
| Raum hängt ein karierter Zettel, auf dem „Schlaf“ steht. In dem Raum liegen | |
| bereits blaue Minimatratzen, dicht an dicht. Sieling sagt: „Jetzt fehlen | |
| nur noch die Kinder“, und vermutet, die Eltern würden ihre Kinder „lieber | |
| in die neuen Container schicken als in eine richtige Einrichtung“. Rot wird | |
| er dabei nicht. | |
| Birgit Weber-Witt vom Familienbündnis Bremen, einem Träger für Kitas in | |
| Bremen, nennt die Räumlichkeiten nach der Begehung zwar „schön“, empfindet | |
| aber den Schlafraum doch als „etwas eng“. Und auch der Personalraum sei | |
| recht klein für zwölf Leute: Tatsächlich ist der Container für vier | |
| Kita-Gruppen gedacht, drei davon für unter Dreijährige, eine Gruppe für | |
| ältere. Macht 50 Kinder, 12 ErzieherInnen. | |
| Feste Kitas müssen auch energetischen Ansprüchen genügen. Damit können die | |
| Container nicht dienen. Sie brauchen eine Sondergenehmigung, die befristet | |
| ist. Die Container sollen zunächst zwei Jahre stehen. Eine Verlängerung der | |
| Genehmigung stellt Bogedan schon jetzt als möglich dar – notfalls, wenn | |
| noch nicht alle geplanten und benötigten Plätze bis dahin fertig sein | |
| sollten. Sieling sagt gar: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man die | |
| wieder wegnimmt. Wahnsinn.“ | |
| Es wird eine Tour de Jubel. Der nächste Container ist zweistöckig. „Das ist | |
| erlaubt, solange es über dreijährige Kinder sind, die im ersten Stock | |
| betreut werden“, sagt Robbers von Immobilien Bremen. Die Container seien | |
| „sogar behindertengerecht, die Flure barrierefrei und befahrbar“. Jemand | |
| fragt: „Wo ist denn hier der Fahrstuhl?“ Gibt’s natürlich keinen. Kinder | |
| mit Behinderungen müssen im Erdgeschoss bei den Kleinen bleiben. „Auch wenn | |
| sie schon älter sind?“, fragt jemand. „Ja“, sagt Robbers. | |
| In zwei weiteren Containern wird noch gebaut. Türen stehen herum, Wellpappe | |
| liegt auf dem Boden. Akkuschrauber lärmen. Auch diese Container wurden | |
| mitten auf einem Schulhof abgeladen. Im Außenbereich schütten Bagger | |
| Erdhaufen auf. Kommenden Monat ziehen hier Kinder ein. Der Himmel ist grau, | |
| immer noch sind es schwüle 25 Grad. Es fühlt sich so an, als müsse es jeden | |
| Moment einen Wolkenbruch geben. Der Regen bleibt jedoch aus. „Bodentiefe | |
| Fenster. Schön“, stellt Sieling fest. „Immobilien Bremen hat gezaubert.“ | |
| 23 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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