# taz.de -- Rassismus im grönländischen Fußball: Die Sache mit den Bananen | |
> Tekle Ghebrelul stammt aus Eritrea. Er floh zunächst nach Dänemark und | |
> wurde später Nationalcoach von Grönland. Jetzt erhielt er die Kündigung. | |
Bild: Grönländer*innen spielen gern Fußball – auch bei Schnee | |
Stockholm taz | Grönlands Fußball hat ein Problem. Ende vergangener Woche | |
kündigten zwanzig von denen, die bislang zum Aufgebot der Fußball- und | |
Futsalnationalmannschaft gehörten, einen Boykott an – falls die „bisherige | |
inkompetente Verbandsführung“ nicht geschlossen zurücktreten sollte. Ein | |
seit zwei Wochen schwelender Konflikt spitzt sich weiter zu. Ausgelöst | |
worden war er von der Entlassung des Mannes, der das Amt des | |
Nationaltrainers innehatte. | |
Der heißt Tekle Ghebrelul, wurde in Eritrea geboren, hatte als ehemaliger | |
Kindersoldat in Dänemark Asyl erhalten und war nach einem Besuch auf der | |
Arktisinsel hängen geblieben. Fußball ist seine große Leidenschaft, er hat | |
eine Trainerlizenz, und in Grönland suchte man gerade einen tüchtigen | |
Trainer. | |
So wurde er Teil dessen, was beispielsweise den britischen Guardian vor | |
drei Jahren von einer „unwahrscheinlichen Erfolgsgeschichte des Fußballs“ | |
in der Arktis schwärmen ließ: Ein Land mit 57.000 EinwohnerInnen, von denen | |
mittlerweile jeder Zehnte und beinahe jede Zehnte Fußball spielt. Zuletzt | |
kam Grönlands Männerelf bei den auf der schwedischen Insel Gotland | |
ausgetragenen „Island Games“, dem Wettbewerb autonomer Inseln, ins Finale. | |
Man verlor es zwar gegen die Isle of Man, doch die Silbermedaille wurde als | |
einer der größten sportlichen Erfolge gefeiert. | |
Ghebreluls ständiger Begleiter auf Grönland: Rassismus. Nach dem letzten | |
Bananen- und Affenvergleich, den auch noch ein aktiver Fußballspieler über | |
Snapchat meinte verbreiten zu müssen, forderte der Nationalcoach | |
Konsequenzen. Doch eine Aussprache, wie man in Zukunft auf rassistische | |
Angriffe reagieren sollte, endete nicht nur für ihn völlig überraschend mit | |
der Kündigung. Sein Arbeitgeber, der grönländische Fußballverband GBU, | |
wollte „endlich Ruhe mit solchen Geschichten“ haben. | |
John Thorsen, der GBU-Vorsitzende, überreichte erst dem verblüfften | |
Ghebrelul das Kündigungsschreiben und zog anschließend eine Presserklärung | |
aus der Tasche, in der er seinen eigenen Rücktritt als Vorsitzender | |
erklärte. Die Begründung: Die von einer 6:1-Mehrheit des Führungsgremiums | |
beschlossene Entlassung des Trainers könne er nicht mittragen und lege | |
deshalb „mit blutendem Herzen“ sein Amt nieder. | |
## „Schuss in den eigenen Fuß“ | |
Dem Schritt schloss sich einen Tag später René Olsen, Ghebreluls Co-Trainer | |
an. Wegen der Behandlung Ghebreluls kündige er fristlos: „Illoyal“ sei die | |
GBU, er habe „jegliches Vertrauen verloren“. Es kam also zum „größten | |
Skandal in der Geschichte des grönländischen Fußballs“ – so Noah Mølgaa… | |
Sportkommentator der Zeitung AG. | |
Vor allem in den sozialen Medien brach ein Shitstorm gegen den | |
Fußballverband los. Ein Mitglied der grönländischen Selbstverwaltung | |
schrieb beispielsweise von einem „Schuss in den eigenen Fuß“ und einer | |
„Rückkehr des grönländischen Fußballs in die Steinzeit“: Eine jahrelange | |
Aufbauarbeit sei mit einem Schlag vernichtet worden. Eine Einschätzung, die | |
der Sportkorrespondent des grönländischen Radios KNR, Uju Petersen, teilt: | |
„Mit dem Vorsitzenden und den beiden Trainern verschwinden drei markante | |
Profile, die den Fußball auf Grönland entwickelt haben.“ | |
Nach mehrtägigem Schweigen behauptete die verbliebene Führung des GBU in | |
der vergangenen Woche zwar, Ghebreluls Kündigung sei „in keinster Weise auf | |
Grund von Rassismus“, sondern wegen „illoyalen Verhaltens“ erfolgt. Die | |
Kritik vermochte das nicht zu dämpfen, wie auch die zwischenzeitliche | |
Boykottdrohung der Spieler zeigte. | |
Grönlands Fußballverband hatte sich nach einem Uefa-Treffen im Mai in | |
Finnland große Hoffnungen gemacht, 2020 als Vollmitglied in Fifa und Uefa | |
aufgenommen zu werden. Aufgrund der Behandlung Ghebreluls und des | |
verdrucksten Umgangs mit der Rassismusproblematik kann er solche Träume | |
vermutlich erst mal vergessen. | |
9 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Fußball | |
Grönland | |
2017 | |
EMtaz Meinung | |
Fußball | |
Geografie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sport-Jahresvorschau 2017: Finnen im Buschtunnel | |
Ungemach aus der sportlichen Unstadt Hamburg, die Heiligsprechung von | |
Beckenbauer und beste Aussichten auf den Skizirkus im Himalaja. | |
EMtaz: Eine Qual, wenn mal nichts läuft: Macht die EM größer! | |
Spielfreie Tage braucht niemand. Es wäre deshalb sinnvoll, das | |
Teilnehmerfeld von 24 auf 32 Teams aufzustocken. Die Qualität bliebe | |
gleich. | |
Sportvorschau März: Anabolika und ihre Schwestern | |
Die Monatsvorschau für März: Arctic Winter Games, zwangsgepiercte | |
Nacktjogger, Bayern München und „das geliebte Spiel mit den Löchern“. | |
Grönland möchte in die Fifa: Knöcheltief im Schlamm | |
Sepp Blatter? Uns doch wurscht, denken sich die Grönländer und möchten | |
Mitglied der Fifa werden. Aber das ist gar nicht so einfach. | |
Geograf über Kontinente und Grenzen: „Europa ist eine wirkmächtige Fiktion�… | |
Mayotte, eine Insel im Indischen Ozean, ist Mitglied der EU. Die Türkei | |
nicht. Für Hans-Dietrich Schultz nur ein Beleg für willkürliche | |
Entscheidungen. |